MKL1888:Kühne
[285] Kühne, 1) Ferdinand Gustav, Romandichter und Kritiker, geb. 27. Dez. 1806 zu Magdeburg, widmete sich auf der Universität zu Berlin dem Studium der Philosophie, hauptsächlich angeregt von Hegel und Schleiermacher, war sodann eine Zeitlang Mitarbeiter an der „Preußischen Staatszeitung“ und redigierte 1835–42 in Leipzig die „Zeitung für die elegante Welt“. Der Richtung des sogen. Jungen Deutschland folgend, doch von den Extremen derselben sich freihaltend, veröffentlichte er außer „Gedichten“ (Leipz. 1831) eine Reihe novellistischer Arbeiten, wie: „Novellen“ (Berl. 1831), „Die beiden Magdalenen“ (Leipz. 1833), „Eine Quarantäne im Irrenhaus, aus den Papieren eines Mondsteiners“ (das. 1835), „Klosternovellen“ (das. 1838, 2 Bde.), „Die Rebellen von Irland“ (das. 1840, 3 Bde.), und später seinen gehaltvollsten Roman: „Die Freimaurer“ (Frankf. 1854). Höher als diese dichterischen Produktionen stehen seine der Kritik und Charakteristik gewidmeten Schriften, wie: „Weibliche und männliche Charaktere“ (Leipz. 1838, 2. Bde.), „Sospiri, Blätter aus Venedig“ (Braunschw. 1841), „Porträts und Silhouetten“ (Hannov. 1843, 2 Bde.), „Mein Karneval in Berlin“ (Braunschw. 1843) und besonders „Deutsche Männer und Frauen“ (Leipz. 1851). Seine Dramen: „Isaura von Kastilien“, „Kaiser Friedrich III.“ und „Die Verschwörung von Dublin“ machten nur geringes Glück; mehr Beifall fand seine Fortsetzung des Schillerschen „Demetrius“. Seit 1846 gab K. in Leipzig die von A. Lewald erkaufte Zeitschrift „Europa, Chronik der gebildeten Welt“ heraus, siedelte aber 1856 nach Dresden über, wo er noch lebt. Er veröffentlichte seitdem: „Mein Tagebuch aus bewegter Zeit“ (Leipz. 1863); „Christus auf der Wanderschaft“ (das. 1870), eine poetische Satire gegen das Papsttum; die sehr beifällig aufgenommenen „Römischen Sonette“ (das. 1869); „Wittenberg und Rom, Klosternovellen aus Luthers Zeit“ (Berl. 1876, 3 Bde.) und „Romanzen, Legenden und Fabeln. Neue Gedichte“ (Dresd. 1880). Seine „Gesammelten Schriften“ erschienen Leipzig 1862–67 in 12 Bänden. Kühnes Darstellung ist elegant, durchsichtig und sorgfältig behandelt; doch kränkelt seine poetische Produktion an Schwächlichkeit, die sich bald in der Erfindung, [286] bald in der Charakteristik geltend macht; sie ist für die halb poetisierende, halb kritisch reflektierende Schaffensweise der jungdeutschen Schule besonders typisch.
2) August, unter dem Pseudonym Johannes van Dewall bekannter Romanschriftsteller, geb. 28. Nov. 1829 zu Herford in Westfalen als Sohn eines Offiziers, kam 1841 ins Kadettenkorps zu Bensberg, später nach Berlin und wurde 1848 Gardeartillerieoffizier. 1857 bei der Pulverexplosion zu Mainz verwundet, zeichnete er sich dabei durch so große Entschlossenheit aus, daß er dekoriert wurde. Den Feldzug von 1866 machte er bei der Division Fransecky mit, garnisonierte dann in Wiesbaden und kommandierte 1870/71 eine Batterie der 22. Division mit Auszeichnung. Nachdem er 1875 als Oberstleutnant seinen Abschied genommen, ließ er sich in Wiesbaden nieder, wo er 16. April 1883 starb. Schon 1864 hatte er eine „Geschichte des dänischen Feldzugs“ geschrieben, welcher 1868 „Skizzen aus dem Feldzug von 1866“ folgten, die durch frische, anschauliche Darstellung ansprachen. Später wandte er sich der Belletristik zu und schrieb eine ansehnliche Reihe von Romanen, von denen wir „Eine große Dame“ (Stuttg. 1871), „Der rote Baschlik“ (1871), „Der Ulan“ (1872), „Der Spielprofessor“ (1872), „Vermißt“ (1874), „Strandgut“ (1875), „Unkraut im Weizen“ (1876), „Auf schiefer Ebene“ (1878), „Die beiden Russinnen“ (1880) und „Nadina“ (1880) als die bedeutendern anführen. K. erscheint darin als ein gewandter und angenehmer Erzähler, der die große Welt kennt und von ihr treffende Sittenbilder gibt. Ein hübsches humoristisches Talent hat er in seinen „Kadettengeschichten“ (Stuttg. 1877) an den Tag gelegt.
3) Moritz, Militärschriftsteller, geb. 26. Jan. 1835, wurde 1853 preußischer Offizier, besuchte die Kriegsakademie, war bis 1866 Lehrer an der Kriegsschule zu Erfurt, stand während des Feldzugs in Böhmen im Generalstab des 1. Armeekorps, im deutsch-französischen Krieg im Stab des Oberbefehlshabers der Küstenprovinzen, dann als Generalstabsoffizier im Oberkommando der Maasarmee und ist jetzt Oberst und Regimentskommandeur in Wesel. Er schrieb: „Die Schlagfähigkeit unsrer neuen Armeekorps im April 1867“ (Kassel 1867); „Der Krieg im Hochgebirge und die Divisionsübungen in Tirol im September 1875“ (Berl. 1876); „Kritische und unkritische Wanderungen über die Gefechtsfelder der preußischen Armeen in Böhmen 1866“ (das. 1870–78, 3 Hefte; in mehreren Auflagen erschienen). Letzteres Werk ist als Lehrbuch für den taktischen Unterricht am Stabsoffizierkurs der Infanterie in Österreich eingeführt worden.
[514] Kühne, 1) Ferdinand Gustav, Romandichter, starb 22. April 1888 in Dresden. Vgl. Pierson, Gustav K., sein Lebensbild und Briefwechsel (Dresd. 1890).