Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Kädmon“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 9 (1887), Seite 352
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Kädmon. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 352. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:K%C3%A4dmon (Version vom 08.10.2022)

[352] Kädmon (Caedmon, Ceadmon, Cedmon), bei Beda in dessen 731 n. Chr. abgeschlossener Kirchengeschichte Altenglands Name eines Mönchs in dem Kloster der Äbtissin Hilda zu Streaneshalh oder Whitby, der, ohne jegliche dichterische und gelehrte Vorbildung, durch ein gottgesandtes Traumgesicht während einer Nacht, die er bei den ihm zur Aufsicht übergebenen Viehställen verbrachte, aufgefordert, im Traum das Lob Gottes und den Anfang der Kreaturen gesungen, erwacht aber dies alles im Gedächtnis behalten und durch Recitation desselben wie durch andre Leistungen sich als göttlichen Sänger bewährt haben soll. Darauf sei er von Hilda ins Kloster aufgenommen worden und habe in deren Auftrag eine poetische heilige Geschichte aufgezeichnet, welche den Anfang der Dinge, das Alte und Neue Testament und das Jüngste Gericht umfaßte. Den Tod dieses K. setzt man gewöhnlich um 680 n. Chr. Nun ist eine Reihe allitterierender angelsächsischer Dichtungen verwandten Inhalts in einer seit dem Anfang des 17. Jahrh. bekannten Handschrift (gegenwärtig in Oxford) erhalten, deren älterer Teil Stücke aus dem Alten Testament, die Genesis, den Exodus und Daniel, der andre, von jüngerer Hand geschrieben und von Golin „Crist und Satan“ betitelt, Christi Höllenfahrt und Überwindung des Teufels enthält. Wegen der scheinbaren Verwandtschaft des Inhalts mit den von Beda dem K. beigelegten Dichtungen hat man letztern als Verfasser dieser angelsächsischen Stücke angesehen. Wenn aber jene alttestamentlichen Dichtungen überhaupt mit K. zusammenhängen, so haben wir in ihnen nur Übersetzungen oder Umdichtungen aus dem nordhumbrischen Original in das Angelsächsische zu sehen, die von verschiedenen Verfassern herrühren, wie sich dies aus der Verschiedenheit in Sprache und Stil ergibt. Manches ist von großer poetischer Kraft und erinnert an Milton. Zuerst gab diese Dichtungen Franz Junius heraus: „Caedmonis Monachi paraphrasis poetica Geneseos etc.“ (Amsterd. 1655); dann mit englischer Übersetzung Thorpe: „Caedmonis metrical paraphrase etc.“ (Lond. 1832); ferner Bouterwek: „Caedmons biblische Dichtungen“ (Elberf. 1849–54, 2 Bde.); am besten Grein in der „Bibliothek der angelsächsischen Poesie“, Bd. 1 (2. Aufl., Götting. 1883), dem wir auch eine sorgfältige Übersetzung verdanken in den „Dichtungen der Angelsachsen“, Bd. 1 (2. Aufl., das. 1863). Vgl. Götzinger, Über die Dichtungen Kädmons (Götting. 1860); Watson, Caedmon, the first English poet (Lond. 1875). E. Sievers sucht in seiner Abhandlung „Der Heliand und die angelsächsische Genesis“ (Halle 1875) nachzuweisen, daß wenigstens ein großer Teil jener „Genesis“ ursprünglich vom Verfasser des „Heliand“ herrühre.