Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Jeux floraux“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Jeux floraux“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 9 (1887), Seite 218
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: [[{{{Wikisource}}}]]
Wikipedia-Logo
Wikipedia: Blumenspiele
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Jeux floraux. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 218. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Jeux_floraux (Version vom 21.07.2021)

[218] Jeux floraux (franz., spr. schö floroh, „Blumenspiele“), die poetischen Wettstreite, welche jährlich zu Toulouse unter dem Vorsitz der Académie des j. f. gefeiert werden. Schon im 14. Jahrh. hatte sich daselbst zur Hebung der gesunkenen Poesie der Troubadoure eine poetische Gesellschaft von sieben Mitgliedern (sept trobadors de Tolosa) gebildet, die sich an bestimmten Tagen in einem Garten versammelte. Im November 1323 erließen diese sieben Troubadoure einen Aufruf an alle Freunde der „fröhlichen Kunst oder Wissenschaft“ (gay saber) zu einem poetischen Wettkampf 1. Mai 1324 in Toulouse, bei welchem der Sieger den Titel eines Doktors oder Meisters (maestre) der „fröhlichen Wissenschaft“ und als Preis ein goldenes Veilchen erhalten sollte. Der Streit fand statt, und Arnaud Vidal de Castelnaudari erhielt den Preis für ein Lobgedichtchen auf die heilige Jungfrau. Im folgenden Jahr konstituierte sich sodann das Consistori de la gaya sciensa als Gesellschaft; seine Statuten hießen Liebesgesetze (leys d’amor), die für die besten Gedichte erteilten Preise bestanden in silbernen Blumen. Als während des Kriegs mit den Engländern der gewöhnliche Versammlungsort der Troubadoure zerstört (1346) und dieselben in die dumpfen Mauern des Stadthauses gedrängt wurden, erlosch der heitere Sinn, und Zechgelage traten an die Stelle der dichterischen Wettspiele. Gegen das Ende des 15. Jahrh. war das ganze Institut völlig in Verfall geraten, und 1484 hörten auch die regelmäßigen Sitzungen auf, bis bald darauf ein junges Mädchen, Clémence Isaure, mit Aufopferung ihres Vermögens die Gesellschaft aufs neue gründete. Dieselbe nahm nun den Namen der „J. f.“ an und hatte ihre Blütezeit im 16. Jahrh., artete jedoch im folgenden wiederum aus, bis Ludwig XIV. sie 1695, nunmehr unter dem Namen „Académie des j. f.“, reorganisierte. Dieselbe bestand unter einem vom König ernannten Kanzler aus 35 Mainteneurs oder Richtern und 20 Maîtres. Es ward ihr ein Einkommen von 1400 Livres ausgesetzt, wovon 1000 zur Anschaffung von Preisblumen und 400 zur Bestreitung der Festkosten und sonstigen Ausgaben verwendet werden sollten. Der erste Preis, ein goldenes Tausendschön (Amarant), 400 Livres an Wert, war für die beste Ode ausgesetzt; die andern drei Preise waren ein Veilchen, eine wilde Rose und eine Ringelblume von Silber. Die silberne Rose war für den besten Aufsatz in Prosa bestimmt, wurde aber 1745 in eine goldene umgewandelt und dabei zugleich bestimmt, daß, wer sie einmal gewonnen, zum Maître ès j. f. ernannt werden sollte. Jeder durfte sich um den Preis bewerben. Im J. 1773 ward das Kanzleramt abgeschafft, das Siegel der Gesellschaft einem beständigen Sekretär und das Präsidium einem alle drei Monate durch das Los gewählten Modérateur übergeben. Durch die Revolutionsstürme von 1790 bis 1806 nur unterbrochen, besteht die Gesellschaft noch jetzt in der alten Weise fort, und alljährlich am 3. Mai werden die Preise in öffentlicher und feierlicher Sitzung aus dem Rathaus zu Toulouse verteilt. Ein Verzeichnis der preisgekrönten Werke („Recueil annuel de l’académie“) erscheint seit 1696, mit nur zweimaliger Unterbrechung (1700–1703 und 1790–1806). Die bedeutendsten Dichter Frankreichs rühmten sich, Preise in den J. f. davongetragen zu haben. Eine neue Belebung erhielten die J. f. in den letzten Jahrzehnten durch die poetischen Feste und Wettkämpfe, welche der Verein der Felibres (s. d.) in den Städten Südfrankreichs veranstaltet. Vgl. Poitevin Peitavi, Mémoires pour servir à l’histoire des j. f. (Toulouse 1815); „Las joyas del gay saber“ (hrsg. von Noulet, das. 1849).