MKL1888:Jahrhundert
[136] Jahrhundert, Zeitraum von 100 abgeschlossenen Jahren, wird nach einem großen geschichtlichen Ereignis bestimmt, z. B. die Jahrhunderte nach Christi Geburt, nach der Hedschra etc. (vgl. Ära). Jedes die Jahreszahl 100 führende Jahr ist das Schlußjahr eines Jahrhunderts oder ein Säkularjahr, und jede Jahrhundertsfeier fällt auf den ersten Tag der mit 1 neubeginnenden Jahreszahl. Vgl. Säkularfeier.
[459] Jahrhundert. Die Frage, ob ein neues J. oder Jahrzehnt beispielsweise mit dem 1. Jan. 1890 oder 1891, 1900 oder 1901 beginnt, hat wiederholt die Geister lebhaft beschäftigt, ums Jahr 1700 sogar so stark, daß man mehrere Medaillen aus den Streit geprägt hat mit satirischen Inschriften, wie z. B.: „Hört doch Wunder, im Jahre 1700 wußten die Leuthe nicht, wie alt sie waren“ etc. In den Jahren 1800, 1850 u. 1890 hat sich der Streit wiederholt und wird ohne Zweifel 1900 von neuem entbrennen. Die einen sagen, das J., resp. Jahrzehnt beginnt, wenn die betreffende Stelle der Jahreszahl geändert wird, das Jahr 9 oder 99 sei das letzte des vorigen Jahrzehnts oder Jahrhunderts, die andern sagen, die Zählung jedes neuen Cyklus beginne mit 1 und nicht mit 0. In der Praxis haben die Anhänger der erstern Auffassung stets recht behalten, denn man hat allemal das neue J. am 1. Jan. 1600, 1700, 1800 begrüßt, chronologisch ist das aber ein Irrtum, und Mädler schrieb ganz richtig, Piazzi in Palermo habe den ersten Planetoiden (Ceres) „gerade am Neujahrhundertstag“ (d. h. 1. Jan. 1801) entdeckt. Die Möglichkeit einer Meinungsverschiedenheit entspringt aus der Frage: „Hat unsre Zeitrechnung mit einem Jahre Null oder mit dem Jahre Eins angefangen?“ Die chronologische Untersuchung ergibt, daß man auf das Jahr 1 v. Chr. unmittelbar das Jahr 1 n. Chr. hat folgen lassen, ohne ein Jahr Null, wie es der mathematische Standpunkt gefordert hätte, einzuschieben, folglich wird vom chronologischen und mathematischen Standpunkt der 1. Jan. 1891 und 1901 der Neujahrstag des neuen Jahrzehnts und Jahrhunderts sein, obwohl ihn die Volksstimme allgemein nicht als solchen anerkennen wird.