Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Jäger“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 9 (1887), Seite 129131
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Jäger. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 129–131. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:J%C3%A4ger (Version vom 06.04.2022)

[129] Jäger, derjenige, welcher sich mit der Ausübung der Jagd beschäftigt (s. Jagd); im Militärwesen ursprünglich Truppen, gebildet aus Mannschaften, die in ihrem Beruf als Forstleute sich Gewandtheit im Gebrauch der Waffe und in der Benutzung des Terrains angeeignet haben und daher zur Verwendung im zerstreuten Gefecht und kleinen Krieg besonders befähigt sind. In diesem Sinn als Scharfschützen bestanden die J. namentlich in Deutschland, während sie in andern Heeren mehr die Bedeutung einer leichten Infanterie (s. d.) hatten. Infolge Einführung gezogener Waffen und der sorgfältigen Ausbildung aller Fußtruppen im Schießen hat sich die Bedeutung der J. als Scharfschützen gegen früher, wo sie mit gezogener Büchse neben der mit glatten Gewehren bewaffneten Infanterie auftraten, verringert. Kämpfen so die J. heute im allgemeinen Schulter an Schulter mit der Infanterie, so verwendet man sie doch vorzugsweise in der Avantgarde und da, wo besondere Gewandtheit und guter Einzelschuß gefordert werden. Geworbene Scharfschützen aus Gebirgs- und Waldgegenden finden sich schon im Dreißigjährigen Krieg (Landgraf Wilhelm von Hessen, Holksche J. unter Wallenstein); der Große Kurfürst teilte 1674 jeder Kompanie einige mit Büchsen bewaffnete J. zu, die vorzugsweise auf die feindlichen Offiziere schießen sollten. Die erste stehende Jägertruppe, 60 Mann stark, errichtete Friedrich II. von Preußen; diese J. dienten aber vorzugsweise als Wegweiser, als Kolonnenführer und als Bedeckung bei Rekognoszierungen. Gleichzeitig und in gleicher Stärke wurde das reitende Feldjägerkorps (s. d.) errichtet. Bei Beginn des zweiten Schlesischen Kriegs wurde das Fußjägerkorps auf 300 Mann in 2 Kompanien, während des Siebenjährigen Kriegs auf 800 vermehrt, 1763 aber wieder auf 300 Mann herabgesetzt und gleichzeitig bestimmt, daß alle Försterstellen von ausgedienten Jägern nach der Reihenfolge der Dienstzeit besetzt werden sollten. 1773 und [130] 1778 wieder vermehrt, bildeten die J. beim Tod Friedrichs d. Gr. ein Regiment. 1808 wurden die J. provinz-, resp. korpsweise in Bataillone formiert, 1815 wurde aus freiwilligen Neuchâteler Schützen das Gardeschützenbataillon gebildet. 1821 erhielt jedes der acht Armeekorps eine Abteilung (2 Kompanien) J., resp. Schützen (nur die beiden Bataillone der Garde blieben unverändert), in welche außer gelernten Jägern auch andrer geeigneter Ersatz eingestellt werden konnte. Das Gardejägerbataillon darf jedoch nur gelernte J. mit vorschriftsmäßigem Lehrbrief einstellen. 1848 wurden die genannten Abteilungen sämtlich in Jägerbataillone zu 4 Kompanien umgebildet, was die Heranziehung eines Teils des Ersatzes aus nicht jägermäßig vorgebildeten Leuten bei der Aushebung zur Folge hatte. In dieser Verfassung bestehen die J. noch heute im deutschen Heer mit je 1–2 Bataillonen bei jedem Armeekorps, in Summa 21 Bataillonen. Der Dienst bei den Jägern ist Vorbedingung für Anstellung im Forstdienst. Vgl. Gumtau, Die J. und Schützen des preußischen Heers (Berl. 1834–38, 3 Tle.); „Instruktion über Ausbildung der J. und Schützen“ (das.). Österreich bildete während der Schlesischen Kriege zunächst kleine Abteilungen Tiroler Scharfschützen. Später wurden diese zum Fenner Jägerkorps vereinigt, aus dem 1816 das Tiroler oder Kaiserjägerregiment (7 Bataillone) entstand; 1808 und 1813 wurden auch in den andern Kronländern Feldjägerbataillone aufgestellt und diese 1849, 1859 und 1866 bis auf 33, 1880 auf 43 vermehrt; 1882 entstanden daraus das Tiroler Jägerregiment zu 10 Bataillonen und 32 Feldjägerbataillone. In Frankreich errichtete 1840 der Herzog von Orléans in Nachahmung der preußischen J. zu Vincennes das erste Bataillon Chasseurs, die, jetzt 30 an der Zahl, zwar eine gute leichte Infanterie wurden, das Wesen der deutschen Jägertruppen jedoch nicht anzunehmen vermochten.

Jäger, 1) Albert, österreich. Geschichtschreiber, geb. 8. Dez. 1801 zu Schwaz in Tirol, trat nach beendeten Studien in das Benediktinerstift Mariaberg bei Glurns, wurde 1845 Professor der Geschichte in Innsbruck und 1851 in Wien. Er schrieb: „Tirol und der bayrisch-französische Einfall 1703“ (Innsbr. 1844); „Der Streit des Kardinals Nikolaus von Cusa mit Herzog Sigismund von Österreich“ (das. 1861, 2 Bde.); „Kaiser Joseph II. und Leopold II. Reform und Gegenreform“ (Wien 1867); „Tirols Rückkehr unter Österreich etc.“ (das. 1871) und „Geschichte der landständischen Verfassung Tirols“ (das. 1881–85, 2 Bde.); dazu zahlreiche Abhandlungen und Ausgaben von Urkunden und Quellen, namentlich in den Denkschriften und Sitzungsberichten der kaiserlichen Akademie, deren Mitglied J. seit 1847 ist, sowie im „Archiv für Kunde österreichischer Geschichtsquellen“.

2) Gustav, Maler, geb. 12. Juli 1808 zu Leipzig, wurde erst daselbst, dann auf der Akademie zu Dresden gebildet und ging 1830 nach München, wo er sich an Schnorr v. Carolsfeld anschloß. In Rom, wohin er sich 1836 begab, malte er das Bild des Bileam mit dem Engel. 1837 ward er nach München berufen und beteiligte sich hier an den Freskomalereien im Königsbau, namentlich an der Ausmalung des Habsburg- und des Barbarossasaals sowie an den kleinern Darstellungen im Saal Karls d. Gr. Der Ölmalerei sich wieder zuwendend, schuf er darauf eine Grablegung Christi. 1847 ward er Direktor der Akademie in Leipzig, doch übernahm er noch 1850 an Schnorrs Stelle die Ausführung eines der großen Freskobilder im vierten Nibelungensaal zu München. Im Schlosse zu Weimar ist das Herder-Zimmer von ihm ausgemalt (1848 vollendet). Andre Wandgemälde Jägers finden sich in den Kirchen zu Schönefeld und Klein-Pötzschau bei Leipzig wie in der Aula der Teichmannschen Unterrichtsanstalt daselbst. Daneben malte er Staffeleigemälde, wie: Magdalena zu Christi Füßen u. a. Seine Werke umfassen einen kleinen Kreis, aber um so inniger ist die Empfindung, mit der sie geschaffen wurden. Er war in der Freskomalerei geübter als in der Ölmalerei. J. starb 19. April 1871 in Leipzig.

3) Hermann, Gärtner und Gartenschriftsteller, geb. 7. Okt. 1815 zu Münchenbernsdorf bei Gera, erlernte die Gärtnerei im Belvedere bei Weimar, bildete sich an verschiedenen Orten weiter aus, bereiste 1840 Italien, studierte dann im Jardin de Luxembourg zu Paris und sonst den französischen Obstbaumschnitt und war beim Grafen Talleyrand-Périgord angestellt. Nachdem er Belgien und England besucht, trat er wieder im Belvedere ein, hielt sich dann kurze Zeit im botanischen Garten bei Berlin auf und wurde 1844 als Hofgärtner in Eisenach angestellt, 1873 zum großherzogl. Garteninspektor ernannt. J. schuf mehrere Parkanlagen, war aber hauptsächlich litterarisch beschäftigt. Von seinen sehr zahlreichen Schriften über alle Zweige des Gartenbaues ist namentlich sein „Lehrbuch der Gartenkunst“ (Berl. 1877) erwähnenswert. Auch auf belletristischem Gebiet ist J. aufgetreten (z. B. „Angelroder Dorfgeschichten“, Weim. 1856). Seit 1857 ist J. Mitherausgeber von Regels „Gartenflora“.

4) Otto, Pädagog und Turnschriftsteller, Bruder von J. 6), geb. 10. Juni 1828 zu Bürg am Kocher in Württemberg, Sohn des durch seine Geschichte der Stadt Ulm, der Stadt Heilbronn, des Hauses Fugger etc. bekannten Pfarrers Karl J., studierte in Tübingen und erlangte daselbst einen Preis mit der Schrift: „Die Gymnastik der Hellenen“ (Eßling. 1850; neu bearb., Stuttg. 1881). 1854 wurde er auf Köchlys Ruf Kantonschulturnlehrer in Zürich und später daselbst auch Professor der Philosophie und Pädagogik; seit 1862 ist er Leiter der Turnlehrerbildungsanstalt in Stuttgart. Als solcher vertritt er eine in Württemberg zur Einführung gelangte eigenartige Betriebsweise des Schulturnens, mit der er dasselbe noch unmittelbarer in den Dienst der Erziehung zur Wehrhaftigkeit zu stellen sucht. Ihre Besonderheit besteht in der fast ausschließlichen Pflege der ohne Gerät oder nur mit dem von J. eingeführten Eisenstab auszuführenden Ordnungs- und Freiübungen sowie der Übungen des Gehens, Laufens, Springens, Ringens, Werfens und Kletterns. Vgl. seine „Turnschule für die deutsche Jugend“ (Leipz. 1864) und „Neue Turnschule“ (2. Aufl., Stuttg. 1883). Auch in seinen übrigen kleinern, durch seltsame Sprache immer schwerer verständlich werdenden Schriften tritt er für eine naturgemäße, abhärtende Erziehung, für „Steharbeit und Gangerholung“ ein.

5) Oskar, Geschichtschreiber und Pädagog, geb. 26. Okt. 1830 zu Stuttgart als Sohn des als Naturforscher bekannten Professors und Obermedizinalrats Georg Friedrich J. und einer Schwester des Dichters G. Schwab, studierte Theologie und Philologie in Tübingen, war 1852–54 als Privatlehrer thätig, 1854–55 auf Reisen im Ausland, wurde 1855 Gymnasiallehrer in Stuttgart, dann in Ulm, 1859 in Wetzlar, 1862 Rektor des Progymnasiums in Mörs und 1865 Direktor des Friedrich-Wilhelms-Gymnasiums in Köln. Er schrieb: „John Wycliffe und seine Bedeutung für die Reformation“ (Halle 1854); „Geschichte der Römer“ (Gütersl. 1861, 5. Aufl. 1884); „Geschichte der Griechen“ (das. 1866, 4. Aufl. [131] 1882); „Die Punischen Kriege, nach den Quellen erzählt“ (Halle 1869–70, 3 Bde.). Auch gab er mit Creizenach zusammen die neue Bearbeitung von F. Chr. Schlossers „Weltgeschichte“ heraus, für welche er als Fortsetzung die vortreffliche „Geschichte der neuesten Zeit vom Wiener Kongreß bis zur Gegenwart“ (Oberhaus. 1874–75, 3 Bde.) schrieb. Ihr folgte eine „Weltgeschichte“ (Bielef. u. Leipz. 1887 ff., 4 Bde.). Seine kurze Beschreibung des deutsch-französischen Kriegs für die Schriften des Deutschen Vereins, welche 1876 in großer Zahl in den rheinischen Schulen verbreitet wurde, erweckte den heftigen Zorn der ultramontanen Partei, nachdem schon früher seine politische Broschüre „Preußen und Schwaben. Von einem Annektierten“ (Köln 1866) Aufsehen, in Süddeutschland auch Widerspruch erregt hatte. Außer einigen Hilfsbüchern für den Geschichtsunterricht schrieb er noch in humanistischem Sinn: „Gymnasium und Realschule erster Ordnung“ (Mainz 1871) und „Aus der Praxis. Ein pädagogisches Testament“ (Wiesb. 1883, 2. Aufl. 1885).

6) Gustav, Zoolog, Bruder von J. 4), geb. 23. Juni 1832 zu Bürg am Kocher in Württemberg, besuchte das Seminar zu Urach, studierte dann in Tübingen und Wien Medizin, habilitierte sich 1858 als Dozent der Zoologie an der dortigen Universität. Er erbaute den Tiergarten und leitete denselben bis 1866, ging aber 1867 als Professor der Zoologie an der Akademie in Hohenheim nach Stuttgart und übernahm 1870 auch das Lehramt für Zoologie und Anthropologie am Polytechnikum und 1874 das für Physiologie an der Tierarzneischule. 1884 ließ er sich in Stuttgart als Arzt nieder. Seit 1854 publizierte er mehrere vergleichend-anatomische Abhandlungen, und nach dem Erscheinen der Darwinschen Lehre trat er als einer der rührigsten Vertreter derselben auf. In diesem Sinn schrieb er: „Zoologische Briefe“ (Wien 1864–76); „Die Darwinsche Theorie und ihre Stellung zu Moral und Religion“ (Stuttg. 1868); „In Sachen Darwins contra Wigand“ (das. 1874). Auch schrieb er: „Skizzen aus dem Tiergarten“ (Hamb. 1866–71), „Das Leben im Wasser“ (das. 1868), „Deutschlands Tierwelt nach ihren Standorten eingeteilt“ (Stuttg. 1874, 2 Bde.), „Lehrbuch der allgemeinen Zoologie“ (Leipz. 1871–77, 2 Bde.) und veranstaltete eine neue Ausgabe von Rebaus „Naturgeschichte“ und Calwers „Käferbuch“. Veranlaßt durch seine anthropologischen Vorträge, betrat er auch das hygieinische Gebiet und schrieb: „Die menschliche Arbeitskraft“ (Münch. 1878) und „Seuchenfestigkeit und Konstitutionskraft“ (Leipz. 1878). Mit seiner Arbeit „Über Geschmacks- und Geruchsstoffe“ in der „Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie“ eröffnete er ein bis dahin noch unbebautes Forschungsgebiet und gelangte auf demselben zur „Entdeckung der Seele“. Unter diesem Titel veröffentliche er eine Schrift (Leipz. 1879; 3. Aufl. 1883–1884, 2 Bde.), in welcher er den Nachweis zu führen sucht, daß die spezifischen Duftstoffe in der Ausdünstung der Tiere die Erzeuger der Affekte, Triebe und Instinkte und wahrscheinlich auch die Träger der Formungskräfte wie der Entwickelung und Vererbung sind. Im Verfolg dieser Studien gelangte er zu einem neuen Bekleidungssystem, welches jede Pflanzenfaser als schädlich verwirft und lediglich wollene Kleider gestattet. Er rief eine lebhafte Agitation für seine „Normalkleidung“ ins Leben, hat aber auf dem ganzen Gebiet sehr entschiedenen Widerspruch gefunden. Seit 1881 gibt er ein der Fortbildung seiner Lehre gewidmetes Monatsblatt heraus. Vgl. seine Schrift „Mein System“ (4. Aufl., Stuttg. 1885).

7) Johannes, Humanist, s. Crotus Rubianus.