Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Ithăka“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 9 (1887), Seite 106
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Ithăka. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 106. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Ith%C4%83ka (Version vom 26.06.2023)

[106] Ithăka (Itháki, Thiaki), eine der Ionischen Inseln, nordöstlich von Kephalonia, mit 97 qkm (1,77 QM.) Areal und (1879) 10,639 Einw., berühmt als das Vaterland des Odysseus. I. besteht aus zwei durch einen niedrigen Sattel verbundenen kahlen Bergstöcken, deren nördlicher, für den Neriton der „Odyssee“ gehalten, bis 807 m ansteigt. Abgesehen von mehreren Buchten an der Westküste, fällt die Insel überall steil ins Meer ab; an ihren kahlen Abhängen gedeihen trefflicher Wein, Korinthen, Öl, aber wenig Getreide. Schiffahrt, Export jener Produkte, Fischerei (auch von Schwämmen und Korallen) und Ziegenzucht bilden die Beschäftigung der Bewohner. Auf der Ostseite dringt der Golf von Molo weit ins Land ein, an ihm liegt die Hauptstadt Vathy (s. d.). Auf der dadurch gebildeten Landenge haben sich Reste der antiken Ortschaft Alalkomenä erhalten; die ehemalige Stadt I. lag im N. Über die topographischen Angaben Homers herrscht die größte Meinungsverschiedenheit; die deutschen kritischen Forscher neigen der Ansicht zu, daß der Dichter der „Odyssee“ überhaupt nicht nach Autopsie geschildert, sondern sich nach Hörensagen ein Phantasiegebilde von der Insel gemacht habe, welches sich mit den wirklichen Verhältnissen nicht vereinigen lasse. I. bildet mit den Inseln Atokos, Kastus und Kalamos eine Eparchie des Nomos Kephalonia mit (1879) 12,222 Einw. Vgl. Gell, Geography and antiquities of I. (Lond. 1807); Schliemann, I., der Peloponnes und Troja (Leipz. 1869); Bursian, Geographie von Griechenland, Bd. 2 (das. 1872); Hercher, Homerische Aufsätze (Berl. 1881).


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 489
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[489] Ithaka. Eine zweimalige Durchwanderung dieser ionischen Insel gab Prof. Partsch Veranlassung zu einer Nachprüfung jener vielerörterten Frage, ob der oder die Dichter der „Odyssee“ nach Autopsie geschildert oder ob sie die Lokalitäten des Epos nach Hörensagen und eigner Phantasie dargestellt haben, wie letzteres namentlich R. Hercher unter vielseitiger Zustimmung behauptete. Partsch („Kephalonia und I.“, Gotha 1890) unterscheidet zwischen den einzelnen, zu verschiedenen Zeiten entstandenen Teilen der Odyssee: dem Dichter jener Stelle im neunten Gesang, wo Odysseus seine Heimat als niedrig und am weitesten gegen W. im Meere gelegen bezeichnet, spricht er eine genaue Kenntnis Ithakas ab, während die auf I. selbst spielenden Teile des Epos ihm offenbare Autopsie verraten. Was er im einzelnen für gesichert hält, ist folgendes: Die der Insel gleichnamige Stadt des Odysseus suchte schon Cicero und zu Anfang dieses Jahrhunderts Gell, dem die meisten Gelehrten zustimmten, in den großartigen kyklopischen Ruinen auf dem 380 m hohen Berge Aëtos, welcher sich auf dem schmalen, die beiden Hälften Ithakas verbindenden Isthmus erhebt. In dieser Frage hat aber sicher Leake recht, welcher nach dem Aëtos die von Plutarch u. a. auf I. genannte Stadt Alalkomenai legt; was Gell zu einem Grundriß des Palastes des Odysseus ergänzte, sind Reste von Stadtmauern, und Partsch’ Aufnahme derselben zeigt, wie sehr Gell seiner Phantasie nachgegeben hat. Die Stadt des Odysseus dagegen lag weiter nördlich, an der Westküste der Insel, an der Bucht von Polis, wo schon Leake sie ansetzte. Schon dieser Name Polis weist darauf hin, daß hier die alte Hauptstadt zu suchen ist. Die kleine Ebene an derselben ist mit antiken Resten erfüllt und wird von einem 147 m hohen Hügel geschlossen, der einst die Akropolis trug. Die dort gefundenen Altertümer, sehr alte Inschriften, Münzen, Juwelen, Bildwerke, Waffen, sollen vom 7. vorchristlichen Jahrhundert bis in die römische Kaiserzeit herabreichen. Die Lage dieser alten Stadt stimmt durchaus zu der Beschreibung der „Odyssee“, und von ihrer Akropolis, welche der Burg des Odysseus entspräche, übersieht man den ganzen Sund zwischen Kephalonia und I. und quer über letzteres hinweg die Bucht von Phrikes an der Ostküste. Mit dieser Ansetzung der Hauptstadt sind zugleich mehrere andre Örtlichkeiten fixiert: das Neïongebirge, an welches sie sich lehnte, muß der zu 525 m ansteigende Kavellares im N. sein, das Reithron mag der vom NW. einschneidenden Aphalesbucht entsprechen, und die Insel Asteris, bei welcher die Freier dem von Pylos zurückkehrenden Telemach auflauerten, kann nur das heutige Daskalio sein, die einzige Insel in der Meerenge zwischen Kephalonia und I. Fraglich bleibt aber, ob das Waldgebirge Neriton auf der nördlichen oder auf der südlichen Hälfte von I. zu suchen ist, ja, es ist nicht undenkbar, daß es nur mißverständlich von der Insel Leukas hierher übertragen ist. Die Weideplätze des Eumäos entsprechen jedoch wieder deutlich der weiten Hochfläche Marathia im S. von I., der Felsen Korax ist sicher der auch heute wieder so benannte Absturz derselben gegen O., die an seinem Fuße entspringende Quelle ist die Arethusa der „Odyssee“, und der Hafen des Phorkys, wo die Phäaken den schlafenden Odysseus ans Land trugen, kann kein andrer sein als die Bucht der heutigen Hauptstadt Vathy. In Einzelheiten mag die dichterische Phantasie gewaltet haben, „aber die großen Grundzüge der topographischen Gliederung Ithakas, die Hauptschauplätze der Dichtung, die Stadt und der mit ihr eng verbundene Herrschersitz, die Triften des Eumäos und die ihrem Bergstock benachbarten Buchten sind mit so unverkennbarer Treue der Wirklichkeit entnommen, der Naturcharakter der Insel ist allenthalben so treffend, mit so feiner Abwägung der Vorzüge und Schattenseiten wiedergegeben, daß in dieser frischen, echten Lokalfärbung ein wesentlicher Reiz des Heldengedichtes liegt“.