Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Holtei“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 8 (1887), Seite 664665
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Holtei. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 8, Seite 664–665. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Holtei (Version vom 09.09.2023)

[664] Holtei, Karl von, Dichter und Schriftsteller, geb. 24. Jan. 1798 zu Breslau, ward nach dem Tod seiner Mutter in dem Hause seiner Großmutter erzogen, besuchte dann das Magdalenen-Gymnasium seiner Vaterstadt, gab aus Neigung zum Theater die akademische Laufbahn, für die er sich vorbereiten wollte, auf und debütierte 1819 als Mortimer in Schillers „Maria Stuart“ auf der Breslauer Bühne. Schon [665] nach zwei Jahren entsagte er nach einem in Dresden erlebten Unfall der ausübenden Kunst wieder, verheiratete sich mit der Schauspielerin Luise Rogée (s. unten) und wurde Theatersekretär und Theaterdichter zu Breslau. 1823 siedelte er nach Berlin, wo seine Frau am Hoftheater ein Engagement erhielt, über. H. verfaßte hier die mit größtem Beifall aufgenommenen Liederspiele: „Die Wiener in Berlin“ und „Die Berliner in Wien“ und gab auch „Gedichte“ (Berl. 1826; 5. Aufl., Bresl. 1861) heraus. Für die Königsstädtische Bühne, der er sich nach dem frühen Tod seiner Gattin anschloß, lieferte er eine große Anzahl von Stücken, darunter die allbekannten: „Der alte Feldherr“ und „Lenore“, die teils in den von H. herausgegebenen Bänden 8–10 des „Jahrbuchs deutscher Bühnenspiele“, teils in seinen „Beiträgen für das Königsstädter Theater“ (Wiesb. 1832, 2 Bde.) gedruckt erschienen. Gleichzeitig gab er die Sammlung „Schlesische Gedichte“ (Berl. 1830, 18. Aufl. 1883) in schlesischer Mundart heraus und trat öffentlich als Vorleser klassischer Dramen (besonders Shakespeares) auf. Mit seiner zweiten Frau, Julie Holzbecher (s. unten), nahm er ein Engagement in Darmstadt an, kehrte aber 1830 nach Berlin zurück, schrieb hier das „Trauerspiel in Berlin“, in dem er den Berliner Jargon zu tragischen Zwecken benutzte, dichtete den Text zu Gläsers längere Zeit beliebter Oper „Des Adlers Horst“ und schrieb das Schauspiel „Der dumme Peter“. Auch betrat er 1833 selbst wieder die Bühne und machte mit seiner Gattin eine Kunstreise, für welche er unter anderm die Dramen: „Lorbeerbaum und Bettelstab“ und „Shakespeare in der Heimat“ (beide Schleus. 1840) schrieb. Seit 1837 führte er die Direktion des Rigaer Theaters, legte dieselbe aber nach dem Tod seiner zweiten Gattin (1839) nieder und trat von neuem ein Wanderleben durch Norddeutschland an, bis er die Direktion des Theaters zu Breslau übernahm. In dieser Zeit ließ er außer seinen „Briefen aus und nach Grafenort“ (Altona 1841) und dem autobiographischen Werk „Vierzig Jahre“ (Berl. 1843–50, 8 Bde.; 2. Aufl., Bresl. 1859, 6 Bde.), dem sich später als Anhang „Noch ein Jahr in Schlesien“ (Berl. 1864, 2 Bde.) anschloß, seine dramatischen Werke in einem Band als „Theater“ (Bresl. 1845; Ausg. letzter Hand, das. 1867, 6 Bde.) erscheinen. Seit 1850 lebte er abwechselnd in verschiedenen deutschen Städten, längere Jahre zu Graz, zuletzt wieder zu Breslau, wo er 12. Febr. 1880 im Kloster der Barmherzigen Brüder starb. Zwei Jahre nach seinem Tod wurde ihm auf der sogen. Ziegelbastion daselbst (jetzt Holteihöhe genannt) ein Denkmal errichtet. Außer den genannten Schriften hat H. auch eine Reihe von Romanen geschrieben, wie: „Die Vagabunden“ (Bresl. 1851, 4 Bde.; 7. Aufl. 1886), „Christian Lammfell“ (das. 1853, 5 Bde.; 4. Aufl. 1878), „Die Eselsfresser“ (das. 1860, 3 Bde.), „Noblesse oblige“ (Prag 1857), „Ein Schneider“ (Bresl. 1854, 3 Bde.; 2. Aufl. 1858), „Ein Mord in Riga“ (Prag 1855), „Schwarzwaldau“ (das. 1856), „Haus Treustein“ (Bresl. 1866, 3 Tle.), „Der letzte Komödiant“ (das. 1863) u. a., welche sämtlich in seinen „Erzählenden Schriften“ (das. 1861–66, 39 Bde.) gesammelt erschienen. Diese Romane entbehren nicht einzelner lebendiger, liebenswürdiger Züge, leiden aber an Lockerheit der Komposition und Flüchtigkeit der Darstellung. Dagegen gebührt ihm das unbestreitbare Verdienst, das Vaudeville in Form des deutschen gemütlichen Liederspiels in Deutschland eingebürgert zu haben. Viele seiner Lieder, von denen er unter dem Titel: „Deutsche Lieder“ (Schleus. 1834, 2. Aufl. 1836) eine Sammlung herausgab, sind volkstümlich geworden. Auch die „Schlesischen Gedichte“, deren Wert man erst in neuerer Zeit erkannte, müssen als eine der schönsten Gaben der Holteischen Muse betrachtet werden. Der Krieg von 1870/71 begeisterte den greisen Dichter zu einer Sammlung seiner „Königslieder“ (3. Aufl., Leipz. 1878). Außerdem nennen wir von seinen Veröffentlichungen der letzten Zeit: „Charpie“ (Bresl. 1866, 2 Bde.); „Nachlese. Erzählungen und Plaudereien“ (das. 1871, 3 Bde.); „An Grabes Rande. Blätter und Blumen“ (2. Ausg. 1876) und „Fürstbischof und Vagabund“ (das. 1882), worin H. sein Verhältnis zum Fürstbischof Förster schildert. Auch gab er in den letzten Jahren aus seinen Autographenschätzen mehrere Sammlungen von Briefen heraus. Vgl. „Karl v. H., Biographie“ (Prag 1857); Kurnick, K. v. H., ein Lebensbild (Bresl. 1880). – Seine erste Gattin, Luise, geborne Rogée, geboren um 1800, betrat zuerst 1820 die Breslauer Bühne und starb als Mitglied des königlichen Theaters zu Berlin 1825. Sie war in naiven und sentimentalen Rollen ausgezeichnet und besonders unübertroffen als Käthchen von Heilbronn. H. feierte sie durch eine Sammlung von Gedichten: „Blumen auf das Grab der Schauspielerin H.“ Seine zweite Gattin, Julie, geborne Holzbecher, geb. 1809 zu Berlin, seit 1823 Mitglied des Königsstädter Theaters daselbst, 1830 des Theaters zu Darmstadt, kehrte 1831 nach Berlin zurück, starb 1839 in Riga. Sie war im Lustspiel, namentlich in Berliner Lokalstücken, durch Keckheit und Anmut bezaubernd.