Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Hesiŏdos“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 8 (1887), Seite 462463
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Hesiŏdos. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 8, Seite 462–463. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Hesi%C5%8Fdos (Version vom 30.04.2023)

[462] Hesiŏdos (Hesiod), einer der ältesten und berühmtesten Dichter Griechenlands, dessen Zeitalter aber jedenfalls nach Homer, etwa um den Anfang der Olympiaden, 776 v. Chr., zu setzen ist, stammte aus Askra in Böotien, wohin seine Eltern aus Kyme in Asien eingewandert waren. Nach dem Tod seines Vaters geriet er, wie aus seinen Schriften hervorgeht, wegen des väterlichen Erbes mit seinem Bruder Perses in Streit, der durch einen ungerechten Spruch der bestochenen Richter zu seinen ungunsten entschieden wurde. Aus Unwillen hierüber verließ er die Heimat und siedelte sich, wie es scheint, in [463] Naupaktos an. Er soll zu Öneon in Lokris ermordet worden sein; seine Gebeine aber wurden nach dem böotischen Orchomenos gebracht, wohin die Askräer nach der Zerstörung ihrer Stadt durch die Thespier übergesiedelt waren. Seinen Namen trugen im Altertum eine Reihe epischer Dichtungen, die auf ihn als den Repräsentanten einer im Gegensatz zu der ionisch-homerischen Sängerschule stehenden böotisch-lokrischen Schule übertragen waren. Von den drei auf uns gekommenen sind unstreitig echt Hesiodisch die sogen. „Werke und Tage“, mit Mythen, Fabeln und Sentenzen durchwebte Ermahnungen an den Bruder, der ihn nach Vergeudung seines Erbteils mit einem neuen Prozeß bedrohte, von seinem ungerechten Beginnen abzustehen und sich durch ehrliche Arbeit neues Vermögen zu erwerben, und Anweisungen über Ackerbau, Viehzucht, Schiffahrt u. a. Obwohl eigentlich künstlerischer Komposition entbehrend, wurde das Gedicht von den Alten seines moralischen Inhalts wegen hoch geschätzt (Ausgabe von Spohn, Leipz. 1819; Vollbehr, Kiel 1844; Lennep, Amsterd. 1847). Vgl. Ranke, De Hesiodi operibus et diebus (Götting. 1838); Steitz, Die Werke und Tage des H. (Leipz. 1869). In ihrem ursprünglichen Bestand wohl Hesiodisch, aber in der uns erhaltenen Gestalt aus verschiedenen Rezensionen zusammengearbeitet und durch viele spätere Zusätze erweitert ist die „Theogonie“, eine Darstellung der Mythen von der Weltschöpfung, der Herkunft und dem Kampf der alten und neuen Götter, neben den Homerischen Gedichten die wichtigste Quelle für unsre Kenntnis der ältesten griechischen Welt- und Götteranschauung (neuere Ausgabe von Schömann, Berl. 1868). Vgl. Mützell, De emendatione Theogoniae Hesiodi (Leipz. 1833); Soetbeer, Die Urform der Hesiodischen Theogonie (Berl. 1837); Gruppe, Über die Theogonie des H. (das. 1841); Gerhard, Über die Hesiodische Theogonie (das. 1856); Welcker, Die Hesiodische Theogonie (Elberf. 1865); Leitschuh, Die Entstehung der Mythologie nach Hesiods Theogonie (Würzb. 1867); Schömann, Die Hesiodische Theogonie (Berl. 1868); Flach, Das System der Hesiodischen Kosmogonie (Leipz. 1874); Derselbe, Glossen und Scholien zur Hesiodischen Theogonie (das. 1876). Das dritte unter H’. Namen erhaltene Gedicht: „Schild des Herakles“, sprechen schon die alten griechischen Kritiker mit Recht dem Dichter ab. Es enthält eine Schilderung des Heraklesschildes, eine schwache Nachahmung der Homerischen Beschreibung des Achillesschildes, der als Rahmen der Kampf des Helden mit Kyknos dient; die Einleitung bilden eine Anzahl Verse, die nach alter Überlieferung einem verlornen Hesiodischen Gedicht mythisch-genealogischen Inhalts, einem Verzeichnis (Katalogos) der Heroinen, die von Göttern Ahnmütter fürstlicher Geschlechter waren, entnommen sind (hrsg. von Ranke, Quedlinb. 1840; Hullemann, Amsterd. 1854). Vgl. Markscheffel, De Catalogo et Eoeis Hesiodi (Berl. 1838). Die Eigentümlichkeit Hesiods tritt besonders beim Vergleich mit Homer hervor. Müssen wir bei diesem die Dichtung an sich bewundern, so tritt bei H. die Darstellung zurück vor dem Gedanken, der didaktischen Idee des Ganzen, daher auch seine Dichtung der Lebensfrische, der Phantasie, der Naivität der Homerischen meist ermangelt. Gesamtausgaben des H. veröffentlichten: Lehrs (neue Ausg., Par. 1868), Göttling (3. Aufl., besorgt von Flach, Leipz. 1878), Schömann (Berl. 1869), Köchly und Kinkel (Leipz. 1870), Rzach (das. 1884). Deutsche Übersetzungen liegen vor von J. H. Voß (Heidelb. 1806), E. Eyth (Stuttg. 1858), Gebhardt (das. 1861), Uschner (Berl. 1865). Vgl. Thiersch, Über die Gedichte des H. (Münch. 1813); Creuzer und Hermann, Briefe über H. (Leipz. 1818); Rzach, Der Dialekt des H. (das. 1876); Friedel, Die Sage vom Tode Hesiods (das. 1879).