Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Heraklīden“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Heraklīden“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 8 (1887), Seite 399
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: [[{{{Wikisource}}}]]
Wikipedia-Logo
Wikipedia: Herakleiden
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Heraklīden. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 8, Seite 399. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Herakl%C4%ABden (Version vom 10.04.2022)

[399] Heraklīden, Gesamtbenennung für die zahlreichen Sprößlinge, welche der griechische Heros Herakles (s. d.) auf seinen weiten Wanderzügen allenthalben hinterlassen hat. Apollodor zählt elf verschiedene Stämme derselben auf. Die makedonischen Könige nannten sich H.; in Lydien herrschte vor den Mermnaden eine Dynastie der H.; ja, römische Geschlechter, wie die Potitier, Pinarier und Fabier, leiteten ihren Ursprung von Herakles ab. Gewöhnlich versteht man aber unter H. besonders jene durch die Sage mit den Eroberungen der Dorier in Verbindung gebrachten Nachkommen des Herakles, als deren Stammvater Hyllos, der älteste der vier Söhne des Herakles von der Deïaneira, genannt, und nach denen die Dorische Wanderung (1104 v. Chr. angesetzt) auch als Rückkehr der H. bezeichnet wird. Die Sage erzählt von diesen H. folgendes: Nach dem Willen des Zeus sollte Herakles Herrscher im Gebiet der Perseïden und Gebieter von Mykenä und Tiryns sein. Durch die List der Hera (s. d.) war jedoch Eurystheus an die Stelle des Herakles geschoben und letzterer zu dessen Dienstmann erniedrigt worden. Nun erbten nach dem Tod beider des Herakles Ansprüche auf seinen Sohn Hyllos fort. Dieser wurde Herrscher der Dorier, weil Herakles für seine dem dorischen König Ägimios gegen die Lapithen geleisteten Dienste für sich und seine Nachkommen ein Dritteil des dorischen Landes und die königliche Würde erhalten hatte. Die Söhne des Ägimios, Pamphylos und Dymas, ordneten sich willig unter und leisteten Beistand, als Hyllos das väterliche Reich in Argos wiedererobern wollte. Hyllos fragt das Orakel zu Delphi und erhält zur Antwort, wenn die H. die dritte Frucht abwarteten und auf der Wasserenge in den Peloponnes eindrängen, würden sie nach Mykenä zurückkehren. Im Vertrauen darauf unternimmt Hyllos im dritten Jahr einen Eroberungszug, fällt aber auf dem Isthmus im Zweikampf gegen König Echemos von Tegea, den Bundesgenossen der Nachfolger des Eurystheus, der Atriden. Des Hyllos Sohn Kleodäos hielt sich ruhig, und als dessen Sohn Aristomachos „im dritten Geschlecht“ den Angriff erneuerte, fand er im Streit gegen Tisamenos, des Orestes Sohn, seinen Tod an derselben Stelle. Er hatte die im Orakel als Kampfplatz bezeichnete Wasserenge irrig auf den Isthmus gedeutet. Erst als die H. in richtiger Deutung des Götterspruchs an der Stätte, die seitdem den Namen Naupaktos (Schiffswerfte) führte, sich Schiffe erbauten und unter Leitung des einäugigen Ätoliers Oxylos über die Meerenge von Rhion setzten, gelang die Eroberung des Peloponnes. Eine einzige Schlacht, in welcher der Atride Tisamenos fiel, entschied über das Schicksal der Halbinsel. Die Sieger verteilten das Land durch das Los unter sich: Temenos erhielt Argos, die Zwillingssöhne des Aristodemos, Prokles und Eurysthenes, Lakedämon, Kresphontes Messene. Jedem der drei Losenden deutete ein Zeichen, das er auf dem Opferaltar fand, den Charakter seines Volkes an; eine Kröte zeigte, daß die Argiver im Land still sitzen, ein Drache, wie furchtbar die Spartaner im Kampf, ein Fuchs, wie listig die Messenier sein würden. Dem Ätolier Oxylos wiesen die H. das Land am Alpheios, Elis, zu. Die Sage hat ihren Ursprung daher, daß an der Dorischen Wanderung auch andre Stämme und zwar die Hylleer, Achäer als Führer teilnahmen und man diesen Umstand, ohne den dorischen Stolz zu verletzen, erklären wollte; daß ferner die Dorier wie die übrigen Griechen überhaupt es liebten, ihre Herrschergeschlechter von den alten verehrten Heroen abzuleiten und ihre Eroberungszüge als die Erneuerung eines alten, widerrechtlich unterbrochenen Erbrechts darzustellen. Vgl. Busolt, Griechische Geschichte, Bd. 1, S. 59 ff. (Gotha 1885).