MKL1888:Griechische Weine

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Griechische Weine“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 7 (1887), Seite 735
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Griechische Weine. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 7, Seite 735. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Griechische_Weine (Version vom 25.04.2023)

[735] Griechische Weine. Im Altertum wuchsen die vorzüglichsten Weine auf Chios, Kreta, Lesbos, Kos und Rhodos, während die Weine des Festlandes, die attischen, korinthischen, böotischen, messenischen etc., schwach und geistlos waren. Berühmt war der pramnische Wein von dem Berg Pramne auf Ikaros, nach Diodor auf Kreta, nach andern bei Smyrna, und der maroneische von Zakynthos. Im Mittelalter lieferte Kandia jährlich 200,000 Fässer Malvasier nach Venedig; dieser und der Cyperwein galten als die feinsten Dessertweine in Europa. Aber in der Folge sank der Weinbau unter dem türkischen Joch so tief, daß in der Neuzeit die größten Anstrengungen gemacht werden mußten, um ihn wieder zu heben. Man bebaut gegenwärtig eine 30mal größere Fläche mit Wein als vor den Befreiungskriegen. Das Land begünstigt den Weinbau ungemein, und die Mannigfaltigkeit des Bodens und des Klimas schafft eine sehr große Anzahl von Weinsorten. Zu den bessern Sorten des Festlandes gehören die von Pyrgos, Mega-Spileon, Schiron, Argos, San Giorgio, Phokia, Tripolitza, Androusa, Nisi und Modon in Morea; die von Lepanto, Chäroneia, Megara, Poliogouna in Livadien; die von Arta, Limni, Komboti in Akarnanien. Manche feine Dessertweine werden in Griechenland aus Korinthen erzeugt mit abgedampftem Most und Zusatz von Spiritus und gehen als grands vins du Péloponèse ins Ausland. Der Malvasier, nach der Stadt Napoli di Malvasia in Lakonien benannt, soll jetzt gar nicht mehr in der frühern Vollkommenheit bereitet werden können. Man gewinnt ihn aus weißen Trauben, welche man 5–6 Tage an der Sonne trocknen läßt, worauf der Most einen Tag über den Hülsen gärt. Das, was die Engländer als Malmsey-Madeira trinken, ist höchstens Marsalawein, in Cette oder Malta zurechtgestutzt. Santorin liefert den trocknen, geistreichen roten Santo oder Vino di Bacco, welcher etwas vom Charakter des Portweins hat, den boukettreichen weißen Vino di Notte, einen ganz vorzüglichen Tafelwein, und den Vino santo, der, einer der besten und beliebtesten Likörweine des Südens, tiefrot oder dunkel bernsteinfarben, süß und reich an höchst kräftigem Aroma ist. Der Cyprier, von der Insel Cypern, genoß früher großen Ruf; die beste Lage der Insel ist die Commanderie, und der hier gewonnene Wein ist goldgelb, wenig süß, etwas herb, ungemein feurig und mit eigentümlichem feinen, fast mandelartigen Boukett. Die gewöhnlichen Tischweine Cyperns sind ziemlich stark, ohne jede Säure, erst hellrot, später fast weiß. Auch Kandia erzeugt Malvasier und den unter den Juden beliebten Vino di Legge (Wein des Gesetzes), einen süßen, delikaten, haltbaren Likörwein. Tinos liefert einen Wein, der dem verloren gegangenen Malvasier am nächsten kommen soll. Chios produzierte früher den besten griechischen Wein, der heutige Chier ist bitter und herb. Fast sämtliche Inseln des Archipels liefern gewöhnliche und Muskatweine; der Wein von Tenedos ist leicht, etwas säuerlich, fast dem Bordeaux ähnlich und überall im Orient sehr beliebt. Von den Ionischen Inseln liefert Cerigo einen berühmten süßen Rotwein, Zante den Likörwein Jenerodi, den man dem Tokayer gleichstellt. Auch Ithaka, Kephalonia und Korfu liefern gute Weine. Der Weinbau und die Weinbereitung in Griechenland lassen noch viel zu wünschen übrig: oft schmeckt und riecht der Wein nach Teer, Pech, Schwefel und Tierhäuten; von alters her räuchert man die Weine, setzt ihnen Harze, Gewürze etc. zu und sehr allgemein Gips. In der neuesten Zeit ist manches besser geworden, und es hat sich eine deutsch-englische Aktiengesellschaft mit dem Hauptsitz in Patras gebildet, welche weiße Weine (Achäerweine) zunächst nach England und Amerika exportiert. Eine andre Gesellschaft beschäftigt sich mehr mit roten Weinen. Vor dem Export müssen die Weine mit reinem Spiritus verschnitten werden.