Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Greif“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 7 (1887), Seite 659660
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Greif. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 7, Seite 659–660. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Greif (Version vom 14.08.2023)

[659] Greif (v. griech. gryps, lat. gryphus), bei den Griechen ein fabelhaftes Tier mit einem Löwenleib und Flügeln und Kopf eines Adlers. Aristeas erzählte in seinem Gedicht „Arimaspeia“, daß es in Indien und auf den Rhipäischen Bergen die Goldgruben gegen die Arimaspen bewache. Herder u. a. wollten (fälschlich) des Moses Cherub in diesem G. wiederfinden. Äschylos läßt den Okeanos auf ihm reiten und ihn vor seinen Wagen spannen. Die Vorstellung von den Greifen stammt vermutlich aus dem Orient. Darstellungen von ihnen finden sich bereits an den Pforten von Persepolis und auf persischen und babylonischen Tapeten, dann auf Helmen, z. B. auf dem der Athene Parthenos des Pheidias, auf Brustharnischen, auch auf Münzen, z. B. auf denen von Opus, Teos, Abdera etc., und als Arabesken, besonders auf römischen Säulen, sowie als Akroterien auf Tempeln. In der Antike gilt der G. als Symbol scharf blickender Klugheit und des Sehertums und ist daher Attribut des Apollon. Vgl. Stephani, Der G. (in „Compte rendu de la commission archéologique de St-Pétersbourg“ 1864). –

Greif mit aufgeschlagenem Schweif (Rostock).
Greif mit niederschlagenem Schweif (Stargard i. P.).

Im Mittelalter glaubte man an das Vorhandensein des Greifs und führte ihn in den Bestiarien (Naturgeschichten des Tierreichs) auf. Er fand in der Ornamentik, namentlich in der Textilindustrie, vielfache Verwendung und war auch in der dekorativen Plastik der Renaissance sehr beliebt. In der Heraldik steht der G., ebenso wie der Löwe, stets im Profil; der Kopf unterscheidet sich durch die spitzen Ohren vom Adler, die vorgeworfenen Vorderfüße u. die Flügel sind dem Adler, der ganze untere Teil des Körpers dem Löwen entlehnt. Der Schweif ist bald auf-, bald niedergeschlagen (s. Abbildungen). Die sogen. Greifeneier, welche in den Inventaren mittelalterlicher und späterer Kirchenschätze und fürstlicher Schatzkammern vorkommen, sind als Pokale gefaßte Straußeneier.

[660] Greif, Martin, bekannter Dichter, geb. 18. Juni 1839 zu Speier, Sohn des Regierungsrats Max Frey (vormals Kabinettsrats des Königs Otto von Griechenland), der später nach München versetzt wurde, machte in letztgenannter Stadt seine Studien, trat dann in das bayrische Militär, wurde 1859 Offizier, nahm aber 1867, um ganz seiner Neigung zur schönen Litteratur folgen zu können, seinen Abschied und hat zur Zeit seinen Wohnsitz in München, von wo aus er Reisen nach England, Holland, Spanien, Dänemark, Italien etc. unternahm. Er veröffentlichte unter dem Namen G., den er seit 1882 mit landesherrlicher Bewilligung auch als bürgerlichen Namen führt: „Hans Sachs, dramatisches Gedicht“ (1866); „Gedichte“ (Stuttg. 1868, 4. Aufl. 1886); die Trauerspiele: „Corfiz Ulfeldt, der Reichshofmeister von Dänemark“ (Münch. 1873; 2. Aufl., Wien 1876), „Nero“ (das. 1876) und „Marino Falieri“ (das. 1878); das Festspiel „Walthers Rückkehr in die Heimat“ und das vaterländische Schauspiel „Prinz Eugen“ (Kassel 1880). Eine Sammlung epischer Dichtungen von F. erschien unter dem Titel: „Deutsche Gedenkblätter“ (Stuttg. 1875). Greifs lyrische Poesien zeichnen sich durch feine und tiefe Empfindung und Formgewandtheit gleich vorteilhaft aus; seinen Bühnendichtungen fehlt der eigentliche dramatische Nerv.