Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Gerlach“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Gerlach“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 7 (1887), Seite 173174
Mehr zum Thema bei
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Gerlach. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 7, Seite 173–174. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Gerlach (Version vom 17.04.2023)

[173] Gerlach, 1) Leopold von, preuß. General, geb. 17. Sept. 1790 zu Berlin, wo sein Vater Leopold v. G. (geb. 1757, gest. 1813) damals Kammerpräsident war, trat 1806 in die Armee und wurde kriegsgefangen, widmete sich dann dem Rechtsstudium, ward 1813 von neuem Soldat und nahm 1813 und 1814 im Gefolge Blüchers und 1815 im Generalstab an den Befreiungskriegen teil. 1826 wurde er Adjutant des Prinzen Wilhelm von Preußen (Kaiser Wilhelm I.), trat damals auch in ein näheres Verhältnis zum Kronprinzen, dessen pietistische und konterrevolutionäre Ansichten er teilte, und ward 1838 Oberst und Chef des Generalstabs des 3. Armeekorps. 1842 erhielt er das Kommando der 1. Gardelandwehrbrigade, ward 1844 Generalmajor, 1849 Generalleutnant und Generaladjutant des Königs und wirkte in dieser Vertrauensstellung eifrig im Sinn kirchlicher und politischer Reaktion im Innern und der Unterordnung Preußens unter russischen Einfluß. Seit 1859 General der Infanterie, starb er infolge einer Erkältung, die er sich bei dem Leichenbegängnis Friedrich Wilhelms IV. zugezogen, 10. Jan. 1861.

2) Franz Dorotheus, Philolog und Geschichtsforscher, geb. 18. Juli 1793 zu Wolfsbehringen im Gothaischen, studierte zu Göttingen Theologie und Philologie und ward sodann Kollaborator am Gymnasium daselbst und 1817 Lehrer an der Kantonsschule zu Aarau. 1820 erhielt er eine Professur an der Universität Basel; 1835 ward er zugleich Mitglied des Erziehungsrats. 1875 zog er sich in den Ruhestand zurück und starb 31. Okt. 1876. Unter seinen philologisch-kritischen Arbeiten sind die Ausgaben des Sallust mit Kommentar (Bas. 1823–31, 3 Bde.; das. 1852, 2 Bde.; 1870, 1 Bd.), der „Germania“ des Tacitus (das. 1835), der eine Übersetzung mit Kommentar (das. 1837) folgte, und die unter Mitwirkung Roths bearbeitete kritische Ausgabe des Nonius Marcellus (das. 1842) zu nennen. Von historischen Arbeiten veröffentlichte er außer dem mit Hottinger und Wackernagel unternommenen „Schweizerischen Museum für historische Wissenschaften“ (Frauenfeld 1837–39, 3 Bde.) noch: „Historische Studien“ (Bd. 1, Gotha 1841; Bd. 2 u. 3, Basel 1847–63), „Die Geschichte der Römer“ (das. 1851, Bd. 1), mit Bachofen, „Die Geschichtschreiber der Römer bis auf Orosius“ (Stuttg. 1855) sowie verschiedene andre kleinere Schriften, namentlich Biographien berühmter Römer, wie des ältern Scipio, Marius, Sulla, Cicero, des jüngern Cato u. a. Aller wissenschaftlichen Kritik zum Trotz hielt G. an der Tradition über die römische Geschichte, namentlich die ältere, fest.

3) Ernst Ludwig von, Bruder von G. 1), in Gemeinschaft mit Stahl längere Zeit Führer der äußersten Rechten in Preußen, geb. 7. März 1795 zu Berlin, machte ebenfalls 1813–15 die Kriege gegen Frankreich mit, widmete sich dann dem Justizdienst, wurde 1823 Oberlandesgerichtsrat in Naumburg, 1829 Land- und Stadtgerichtsdirektor in Halle, 1835 Vizepräsident des Oberlandesgerichts in Frankfurt a. O. Bereits damals war er Mitglied des Klubs in der Wilhelmsstraße, der sich die Rekonstruierung des christlich-germanischen Staats als Aufgabe gesetzt hatte, und Mitarbeiter des Organs desselben, des „Politischen Wochenblattes“. 1842 ward er Geheimer Oberjustizrat, bald darauf Mitglied des Staatsrats und der Gesetzgebungskommission und 1844 Chefpräsident des Oberlandesgerichts zu Magdeburg, wo er im Bund mit seinem Bruder, dem Konsistorialpräsidenten Göschel u. a. den Bestrebungen der Lichtfreunde energisch entgegentrat. 1849 gründete er mit andern die „Neue Preußische Zeitung“ („Kreuzzeitung“), deren Redaktion Wagener, ein Vertrauter Gerlachs, übernahm. G. schrieb für das Blatt die monatliche oder vierteljährliche „Rundschau“, worin er eine pikante Übersicht über die Zeitereignisse im engern und weitern Kreis im Sinn der ultrakonservativen, feudalen Richtung zu geben pflegte, wobei er oft ins Gehässige und Pasquillartige verfiel. Als Mitglied der Ersten Kammer seit 1849 hielt er sich zur äußersten Rechten und führte einen beharrlichen Kampf gegen den Konstitutionalismus und für die Herstellung mittelalterlicher Adelsprärogativen. 1850 war er auch Mitglied des Erfurter Parlaments sowie 1851 und 1852–58 wieder Mitglied der Ersten Kammer. 1858 beim Beginn der Regentschaft trat er von der Führung seiner Partei zurück, suchte aber als Verfasser der „Rundschau“ fortwährend seine politischen Anschauungen geltend zu machen. Auch den Ereignissen von 1866 gegenüber hielt er an seinen legitimistischen Grundsätzen fest und gab dies in lauter Mißbilligung der Annexionen und des Ausschlusses Österreichs aus Deutschland offen kund, so in der Broschüre „Die Annexionen und der Norddeutsche Bund“ (Berl. 1866). Im preußischen Landtag seit 1873 zeigte er sich als einen der heftigsten Gegner der neuen Kirchengesetze, hielt sich vollständig zur klerikalen Zentrumspartei und griff 30. Jan. den Kultusminister Falk in heftiger Weise an, zog sich aber 17. Dez. durch einen Angriff auf den Fürsten Bismarck eine wahrhaft vernichtende Zurechtweisung von diesem zu. Noch 1865 zum Wirklichen Geheimen Oberjustizrat befördert, erlitt er 1874 wegen einer Flugschrift gegen die Regierung eine gerichtliche Bestrafung und erhielt deshalb seine Entlassung als Präsident in Magdeburg. Am 10. Jan. 1877 wurde er mit Unterstützung der Ultramontanen in Osnabrück auch zum Reichstagsabgeordneten gewählt, starb aber 18. Febr. 1877 in Berlin infolge eines Unglücksfalls (er wurde überfahren) im 82. Lebensjahr.

4) Otto von, theolog. Schriftsteller, jüngerer Bruder des vorigen, geb. 12. April 1801, wurde 1834 Prediger an der Elisabethkirche in Berlin, 1847 Hof- und Domprediger und Konsistorialrat, 1849 Honorarprofessor an der Universität. Er starb 24. Okt. 1849. Unter seinen Schriften sind die Auswahl aus „Luthers Werken“ (Berl. 1840–48, 24 Bde.), mit historischen Einleitungen, Anmerkungen und Registern, und „Die Heilige Schrift nach Luthers Übersetzung, mit Einleitungen und erklärenden Anmerkungen“ (6. und 8. Aufl., zuletzt Leipz. 1878–80, 6 Bde.), viel gebraucht. Im Auftrag Friedrich Wilhelms IV. studierte er in England die kirchlichen Einrichtungen, worüber er in den Schriften: „Über den religiösen Zustand der anglikanischen Kirche 1842“ (Potsd. 1845) und „Die kirchliche Armenpflege, nach Chalmers“ (das. 1847) Bericht erstattete. Seine „Predigten“ erschienen Berlin 1850. Auch übersetzte G. mehrere Schriften Baxters.

5) Andreas Christian, Tierarzt, geb. 15. Mai 1811 zu Wedderstedt bei Quedlinburg, studierte 1830–33 in Berlin Tierarzneikunde, praktizierte in Hettstädt und seit 1845 als Kreistierarzt in Halberstadt, wurde 1846 als Repetitor an der Tierarzneischule zu Berlin angestellt, [174] 1848 zum Lehrer an derselben ernannt, 1859 als Professor und Direktor an die Tierarzneischule zu Hannover und 1870 wieder als Direktor an die Tierarzneischule in Berlin zurückberufen und gleichzeitig zum Geheimen Medizinalrat, 1873 auch zum ordentlichen Mitglied des Landesökonomiekollegiums und 1875 zum Mitglied der technischen Deputation für das Veterinärwesen ernannt. G. starb 29. Aug. 1877 in Berlin. Er schrieb: „Lehrbuch der allgemeinen Therapie der Haustiere“ (Berl. 1853; 2. Aufl., das. 1868); „Krätze und Räude“ (das. 1857); „Die Flechte des Rindes“ (das. 1857); „Gerichtliche Tierheilkunde“ (das. 1861, 2. Aufl. 1872); „Die Trichinen“ (das. 1866); „Die Rinderpest“ (das. 1867); „Maßregeln zur Verhütung der Rinderpest“ (Halle 1872, 2. Aufl. 1875); „Die Fleischkost des Menschen“ (Berl. 1875); in Gemeinschaft mit Leisering „Mitteilungen aus der tierärztlichen Praxis im preußischen Staat“ (das. 1854–59). Als Fortsetzung des „Magazins für Tierheilkunde“ gab er das „Archiv für wissenschaftliche und praktische Tierheilkunde“ heraus.


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 374
korrigiert
Indexseite

[374] Gerlach, 1) Leopold von, preuß. General. Seine Tochter gab „Denkwürdigkeiten aus dem Leben Leopold von Gerlachs“ heraus, deren erster Band (Berl. 1891) bis 1852 reicht.