Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Flaubert“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 6 (1887), Seite 347348
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Flaubert. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 6, Seite 347–348. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Flaubert (Version vom 19.11.2021)

[347] Flaubert (spr. flobähr), Gustave, franz. Romanschriftsteller, geb. 12. Dez. 1821 zu Rouen als der Sohn eines angesehenen und vermögenden Arztes, studierte anfangs ebenfalls Medizin, ging dann aber, seiner Neigung folgend, zur Litteratur über und verlegte sich mit Eifer auf poetische Arbeiten, wobei ihm besonders Victor Hugo und Byron zum Vorbild dienten. Dieser romantischen Richtung später entsagend, wandte er sich der entgegengesetzten Seite zu, indem er nun das wirkliche Leben auf das sorgfältigste darzustellen suchte. Ein Ergebnis dieser Bestrebungen war der Roman „Madame Bovary“ (1847; deutsch, Stuttg. 1858), der ungemeines Aufsehen machte und in der That als bahnbrechend für die ganze spätere naturalistische Schule der Goncourt, Zola etc. bezeichnet werden muß. Es ist die lamentable Geschichte einer „Unverstandenen“ der Provinz, welche der Dichter mit unerbittlicher Naturtreue und einer so überlegenen Kälte und Ironie erzählt, daß dadurch die tragikomische, sentimental-bitterliche [348] Wirkung noch erhöht wird. Ein besonders effektvolles, etwas gewagtes Kapitel des Romans gab Anlaß zu einer strafgerichtlichen Verfolgung, aus welcher der Dichter indessen siegreich hervorging. Bald darauf machte F. eine Reise nach Tunis, wo er die Anregung und den Stoff zu dem historisch-archäologischen Roman „Salammbô“ (1862; deutsch, Frankf. a. M. 1863) empfing, der im großen Publikum wenig Anklang fand, die Kritik dagegen vielfach beschäftigte. Gegenstand desselben ist der Aufstand der Mietstruppen gegen Karthago zur Zeit Hamilkars, des Vaters von Hannibal, und das Ganze eine Schilderung des innern und äußern Wesens der alten Punierstadt, mit glänzender Pracht entworfen, aber doch ohne wirkliches Leben. Späterhin erschienen: „L’éducation sentimentale. Histoire d’un jeune homme“ (1869), ein noch trostloserer Roman als „Madame Bovary“, der auf das Publikum einen geradezu unheimlichen Eindruck machte; „La tentation de Saint-Antoine“ (1874; deutsch von Endrulat, Straßb. 1874), ein geistreiches, aber ermüdendes philosophisch-kulturgeschichtliches Phantasiestück; endlich drei sauber ausgeführte Novellen: „Trois contes“ (1877), die wieder bessere Aufnahme fanden. Ein politisches Schauspiel von F.: „Le Candidat“, war auf dem Vaudevilletheater 1874 ohne allen Erfolg vorübergegangen. Durch diese wiederholten Enttäuschungen verbittert, auch vom Gang der politischen Dinge niedergedrückt, zog sich F. in die Einsamkeit auf seine Besitzung Croisset, unfern Rouen, zurück und schrieb noch den menschenfeindlichen und unerquicklichen satirischen Roman „Bouvard et Pécuchet“ (1880), nach dessen Vollendung er 7. Mai 1880 starb. F. war bei allen Absonderlichkeiten eine hochbegabte und vornehme Dichternatur, dabei von edlem Charakter und seltener Originalität; sein Stil ist durchaus gefeilt und oft klassisch-musterhaft. Eine Gesamtausgabe seiner Werke erschien 1885 in 8 Bänden.