MKL1888:Finnenkrankheit der Schweine

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Finnenkrankheit der Schweine“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 6 (1887), Seite 277
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Finnenkrankheit der Schweine. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 6, Seite 277. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Finnenkrankheit_der_Schweine (Version vom 19.09.2022)

[277] Finnenkrankheit der Schweine (Perlkrankheit, Hirsesucht), Wurmleiden der Schweine, das durch die Finnen (Cysticercus cellulosae R.), die Larve des gemeinen Bandwurms (Taenia solium L., s. Bandwürmer), veranlaßt wird. Die Finnen kommen zwar bei den Schweinen am häufigsten im Zellgewebe zwischen den Muskeln und Muskelfasern vor und finden sich daselbst besonders zahlreich an den Hinterschenkeln (an den Schinken), in der Zunge, in den Augenlidern, längs des Rückens, auf und unter den Schultern, in der Schamgegend und am Hals; doch ist keine Stelle des Körpers ganz von ihnen frei, und man hat sie namentlich auch an den serösen Häuten, in der Brust- und Bauchhöhle, in der Leber, in der Lunge, am Herzen und selbst im Gehirn gefunden. Kennzeichen des Vorhandenseins der Finnen mangeln an lebenden Schweinen in den meisten Fällen entweder gänzlich, oder sind nur sehr undeutlich. Zuweilen sind die Finnen unter der Zunge und an der innern Fläche der Augenlider als kleine, runde Knötchen zu fühlen; wenn Finnen im Gehirn sitzen, so treten oft epileptische Krämpfe oder Lähmungen ein, und wenn sehr zahlreiche Finnen im Körper vorhanden sind, so bildet sich allmählich Abzehrung aus. Mit Sicherheit ist die Gegenwart der Finnen nur beim Schlachten der Schweine nachzuweisen.

Finniges Schweinefleisch (natürl. Größe).

Bei der Untersuchung eines geschlachteten finnigen Schweins findet man die in hirsekorn- bis erbsengroßen Bläschen eingekapselten Finnen an verschiedenen Stellen und in mehr oder minder großer Menge, mitunter so zahlreich verbreitet, daß das Fleisch wie von ihnen durchsäet ist (s. Figur). Bei näherer Ansicht zeigt sich das letztere mehr welk und weich, als gutes Schweinefleisch gewöhnlich zu sein pflegt; es knirscht auch beim Zerschneiden, knistert auf dem Rost und knackt beim Kauen unter den Zähnen. Durch das Kochen quellen die Finnen stärker auf und treten sichtbar hervor. Übrigens hat das Fleisch einen natürlichen Geruch und neben den Finnen mehrenteils eine gesunde, rote Farbe; nur hin und wieder ist es blaß oder gelblich. Im gekochten wie im gebratenen Zustand hat aber das finnige Fleisch einen süßlichen, weichlichen Geschmack (der jedoch von manchen Menschen angenehm gefunden wird). Die Heilung der Finnenkrankheit ist noch niemals gelungen, die angepriesenen Arzneimittel haben sich als erfolglos erwiesen. Um die Krankheit zu verhüten, müssen die jungen Schweine von Orten, welche durch menschliche Exkremente verunreinigt sind, fern gehalten werden. Wird rohes finniges Schweinefleisch von Menschen genossen, so kann bei diesen sich im Darm aus der Finne der Bandwurm entwickeln. Der Genuß des finnigen Fleisches ist dagegen unschädlich, wenn dieses vorher stark gekocht, gebraten oder eingesalzen und stark geräuchert wurde. Beim Rind kommt in den Muskeln, im Herzfleisch, in der Leber, Lunge, im Gehirn und in der Nierenkapsel eine Finne vor, welche die Larve des unbewaffneten Bandwurms (Taenia mediocanellata) des Menschen ist. Krankheitserscheinungen verursachen die Finnen beim Rind in der Regel nicht; ihre Gegenwart ist auch nur beim Schlachten der Tiere nachzuweisen. Bezüglich der Prophylaxis sowie bezüglich der Vorsichtsmaßregeln beim Genuß des finnigen Rindfleisches ist wie bei der Finne der Schweine zu verfahren.