MKL1888:Fernsprecher
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[153] Fernsprecher (Telephon), Apparat, welcher gesprochene Laute auf elektrischem Weg in die Ferne fortpflanzt. Der Amerikaner Page wies 1837 nach, daß mittels einer vom Strom durchflossenen Drahtspirale, welche frei zwischen den Polen eines Hufeisenmagnets aufgehängt ist, der Magnet beim Auftreten und Verschwinden des Stroms in tönende Schwingungen versetzt werden kann. Nachdem in den folgenden Jahren viele Physiker sich mit der Aufgabe einer elektrischen Übermittelung von Tönen ohne besondern Erfolg beschäftigt hatten, gelang es Philipp Reis in Friedrichsdorf bei Homburg vor der Höhe, unter Zuhilfenahme der Elektrizität musikalische Töne und gesprochene Laute von einem Ort zum andern fortzupflanzen. Bereits 1861 konstruierte Reis einen elektrischen Tonübertrager, welcher 1863 wesentlich verbessert wurde und aus zwei Teilen, einem Gebe- und einem Empfangsapparat, bestand. Der Geber war ein würfelförmiger Kasten aus dünnen Holzscheiben und besaß in seiner obern Fläche eine mit einer straff ausgespannten tierischen Membran verschlossene Öffnung. In der Mitte dieser Membran war ein kleines Platinplättchen befestigt, auf welchem ein an einem Messingwinkel angebrachtes Platinstiftchen bei Erschütterungen der Membran vibrierte, wodurch eine galvanische Batterie abwechselnd geschlossen und geöffnet wurde. Diese sandte ihren Strom durch die Leitung zum Empfangsapparat, einer Magnetisierungsspirale, in welcher ein mit zwei Stegen auf einem Resonanzboden befestigter Stahldraht steckte. Ein zweiter Resonanzkasten ließ sich als Deckel über die Spirale decken. Sobald nun die Membran des Gebers durch einen kräftigen Ton in Schwingungen versetzt wurde, entstand durch die abwechselnden Stromschließungen u. -Unterbrechungen in dem Eisenkern der Magnetisierungsspirale ein Ton, dessen Höhe den Schwingungen der Membran entsprach. Melodien konnten mit diesem Apparat deutlich wiedergegeben werden; die Laute der menschlichen Stimme hatten dagegen in dem Empfangsapparat einen unangenehmen, näselnden Klang, weil das Reissche Telephon seiner Konstruktion nach nur intermittierende Batterieströme zu erzeugen und deshalb die Klangfarbe der Stimme nicht zu Gehör zu bringen vermochte. Die Grundlage zur weitern Entwickelung des elektrischen Fernsprechwesens war aber in diesem Apparat gegeben und damit spätern Forschern der Weg geebnet. Unter diesen waren es besonders die Amerikaner Elisha Gray und Graham Bell, welche sich in erfolgreicher Weise mit der elektrischen Tonübertragung befaßten. Während aber Gray sich mehr der Übermittelung musikalischer Töne zuwandte, beschäftigte sich Bell in eingehender Weise mit dem Studium der elektrischen Fortpflanzung menschlicher Sprachlaute und konstruierte 1877 einen Apparat, welcher eine genaue Wiedergabe des Tons nach Höhe, Fülle und Klangfarbe ermöglichte. Der Bellsche F. beruht auf der Beobachtung, daß eine vor einem Magnet schwingende dünne Eisenplatte
Fig. 1. | |
Querschnitt von Bells Fernsprecher. | |
in dem Magnet Veränderungen der Magnetstärke hervorruft, welche in einer den Magnet umgebenden Drahtrolle Induktionsströme erzeugen. Leitet man diese Ströme durch die Drahtrolle eines zweiten Apparats derselben Konstruktion, so werden die Veränderungen in der Magnetstärke des Empfangsapparats die Eisenmembran desselben in genau entsprechende Schwingungen versetzen und dadurch den ursprünglichen Ton mit den die Klangfarbe bedingenden Obertönen wieder erzeugen.
Fig. 1 zeigt einen Querschnitt des Bellschen Fernsprechers. A ist ein cylindrischer Stabmagnet, welcher an dem einen Polende mit einem Fortsatz a von weichem Eisen versehen ist. Dieser Polansatz ist von einer Induktionsspule BB umgeben, deren Enden an starke, zu den Klemmschrauben DD führende Kupferdrähte gelegt sind. Das schraffiert gezeichnete Gehäuse nimmt den Magnet samt der Spule auf und wird durch einen mit einer runden Öffnung J versehenen Deckel verschlossen, welcher gleichzeitig dazu dient, die dünne Eisenblechplatte pp dem Polende des Magnets gegenüber festzuklemmen. Verbindet man zwei derartige Apparate durch eine Leitung und [154] spricht in die Schallöffnung des einen hinein, so gerät die Eisenmembran desselben in Schwingungen und erzeugt in der Drahtspule BB Induktionsströme, welche sich durch die Leitung zu dem zweiten F. fortpflanzen
Fig. 2. | |
Siemens’ Fernsprecher. | |
und dort durch ihre Einwirkung auf den Magnet die Membran in übereinstimmende Schwingungen versetzen; infolgedessen entstehen hier die gleichen Laute wieder, welche auf die Membran des ersten Apparats einwirkten.
Bald nach dem Bekanntwerden der Bellschen Erfindung tauchten veränderte Konstruktionen in großer Zahl auf, welche meistens bezweckten, dem F. durch Anwendung von Hufeisenmagneten anstatt der Stabmagnete eine größere Lautwirkung zu verleihen. Unter den immerhin nur wenigen Verbesserungen der ursprünglichen Apparatform ist in erster Linie der Siemenssche F. zu nennen. Bei demselben (Fig. 2) ist ee der Hufeisenmagnet, dessen Pole die Ansätze dd tragen. Diese sind eingeschlossen in zwei Induktionsspulen cc und können durch eine Stellschraube f der Eisenmembran gg beliebig genähert werden. b ist das Mundstück, a die abnehmbare Signalpfeife. Mittels dieser Pfeife, deren Wirksamkeit durch einen auf der Membran aufliegenden u. mit dieser in Schwingungen geratenden Metallklöppel noch verstärkt wird, läßt sich in dem Empfangsapparat ein weithin hörbarer Ton erzeugen, welcher jeden andern Anruf mittels elektrischer Batterien oder Induktoren entbehrlich macht. Wegen seiner kräftigen Wirkung, welche ihn zur Verwendung als gebender wie als empfangender Apparat gleich geeignet macht, hat der Siemenssche F. ausgedehnte Benutzung gefunden und wird zur Zeit in der deutschen Reichs-Telegraphenverwaltung ausschließlich angewendet.
Der Gowersche F. (Fig. 3) ist in Uhrenform mit einem flachen, in Form eines Halbkreises gebogenen Hufeisenmagnet aa hergestellt. Die Pole des Magnets sind mit Ansätzen von weichem Eisen versehen, auf welchen sich je eine Induktionsspule b befindet. Die ganze Vorrichtung wird von einem Gehäuse umschlossen, dessen Deckel die vibrierende Membran trägt, während das Mundstück der bequemern Handhabung wegen in Schlauchform gegenüber der Membran angebracht ist. Als Signalvorrichtung für den Anruf dient eine Zungenpfeife.
In dem Aderschen F. (Fig. 4) dient der ringförmige Hufeisenmagnet aa gleichzeitig als Handhabe, und nur die Polansätze bb mit den Induktionsspulen sind in dem Gehäuse cc eingeschlossen, welches mit der Membran e bedeckt und durch das aufgeschraubte Mundstück dd verschlossen wird. Der weiche Eisenring x ist der Membran auf der äußern Seite gegenübergestellt und soll die anziehende Kraft des Magnets verstärken. Da indessen der letztere auch in dem weichen Eisenring Magnetismus induziert, so wird die stärkere Anziehung der Membran nach der einen Seite durch die Gegenkraft auf der andern Seite aufgehoben. Dieser Umstand, welcher der Membran eine größere Beweglichkeit verschafft, trägt wahrscheinlich viel zu der mit dem Aderschen Apparat erzielten großen Deutlichkeit der Übermittelung bei.
Die beschriebenen F. sind sowohl als Gebe- wie als Empfangsapparate verwendbar, doch sind die in ihnen erzeugten magnetelektrischen Ströme nur schwach und zur Überwindung größerer Leitungswiderstände nicht geeignet; man bedient sich deshalb vielfach besonderer, mit galvanischen Induktionsströmen betriebener Aufgabeapparate, welche die Sprachlaute auch auf
Fig. 3. | ||
geschlossen | geöffnet | |
Gowerscher Fernsprecher. a Abgenommene Hülse mit eingesetzter Eisenmembran. |
Fig. 4. | |
Aders Fernsprecher. | |
größere Entfernungen übermitteln, der sogen. Mikrophone. Diese beruhen auf der Erscheinung, daß in einem Stromkreis vorhandene lose Kontaktstellen, wenn sie einem wechselnden Druck ausgesetzt werden, Veränderungen des Leitungswiderstands und damit auch der Stromstärke hervorrufen. Sie bestehen übereinstimmend [155] aus einem oder mehreren Kohlenstückchen, welche unter sich oder mit einer metallischen Membran in Berührung stehen. Durch die Schallwellen, welche auf die Berührungsstellen treffen, werden
Fig. 5. | |
Hughes’ Mikrophon. | |
in einem über den Kontakt geleiteten elektrischen Strom Schwingungen hervorgerufen, welche in ihren Kurven genau den Schallschwingungen entsprechen. Diese elektrischen Schwingungen wandeln sich in einem
Fig. 6. | |
Blakes Mikrophon. | |
als Empfangsapparat dienenden F. wieder in Tonschwingungen um und gelangen als genaue Wiedergabe des in das Mikrophon Gesprochenen zu Gehör.
Als Erfinder des Mikrophons ist Hughes zu betrachten, bei dessen Apparat (Fig. 5) zwei Resonanzbrettchen AB unter einem rechten Winkel aneinander befestigt sind; an einem derselben befinden sich die Kohlenstückchen CC und der in Vertiefungen derselben beweglich eingelagerte Kohlenstab d. Die Kohlenstücke sind in den Stromkreis einer Batterie eingeschaltet. Spricht man gegen das Brettchen B, so ändern sich die Widerstände an den Kontaktstellen, und es entstehen elektrische Schwingungen, welche sich durch die Leitung fortpflanzen und in einem eingeschalteten F. die gesprochenen Laute wiedergeben. Gewöhnlich schaltet man in den Stromkreis der Batterie die primäre Spule einer Induktionsrolle ein und bringt die aus dünnerm Draht bestehende sekundäre Spule mit der Leitung in Verbindung.
Ungefähr gleichzeitig mit Hughes konstruierte Edison sein auf gleicher Grundlage beruhendes Kohlentelephon. Die Zahl der von spätern Erfindern angegebenen Mikrophone ist sehr groß. In der deutschen Reichs-Telegraphenverwaltung sind jedoch nur Mikrophone von Blake, Berliner und Ader in beschränkter Zahl im Gebrauch.
Das Mikrophon von Blake in Preston (Massachusetts) ist in Fig. 6 im Querschnitt abgebildet. Bei allen vor Blake angegebenen Mikrophonen war das eine der beiden in der Regel aus komprimierter Kohle bestehenden Kohlenstückchen unbeweglich, während das andre innerhalb einer gewissen Grenze sich frei bewegte und unter dem Einfluß der Schwingungen einer Membran etc. mit größerer oder geringerer Kraft gegen das befestigte Kohlenstück gedrückt wurde. Bei den auf diese Weise konstruierten Apparaten war es schwierig, die beiden Kontaktstücke genau in diejenige Lage zu einander zu bringen, welche sie einnehmen müssen, um eine klare, biegsame und deutliche Tonübermittelung zu erzielen. Ferner sind derartige Apparate, auch wenn sie richtig reguliert sind, gegen Erschütterungen und atmosphärische Einflüsse überaus empfindlich, so daß sie immer wieder neuer Regulierung bedürfen. Diesem Übelstand hat Blake durch sein Mikrophon abgeholfen. Dasselbe besteht aus einem Holzgehäuse A mit Schallöffnung E, welche auf eine Membran CC führt. Die an das Holzgehäuse angeschraubten Halter B und B′ dienen zur Aufnahme der gegeneinander federnden Kontaktstückchen. Zunächst ist das Platinkontaktstück h durch die Feder g leicht an die Membran gedrückt. Das Kohlenstückchen e ist mittels der Feder d gleichfalls so befestigt, daß es mit der Membran frei schwingt. Unter
Fig. 7. | |
Mikrophon von Berliner. | |
dem Druck der stärkern Feder d leistet es aber den Schwingungen der Membran einen größern oder geringern Widerstand. Hierdurch ändert sich aber auch der Druck, welchen die beiden Kontaktstücke aufeinander ausüben, und infolgedessen auch der Widerstand in dem über S, w, g, h, e, d, F und G führenden Stromkreis. Durch den an der Feder i federnden Hebel F und die Stellschraube G läßt sich der Apparat leicht einstellen und bedarf dann keiner weitern Regulierung.
Bei dem Berlinerschen Mikrophon, von welchem Fig. 7 eine Durchschnittsansicht gibt, ist ein fester Kohlenkontakt g in der Mitte einer mit einem Gummiring umgebenen Membran m aufgeschraubt, während ein zweites Kohlenstückchen c an einem zwischen zwei Schraubenspitzen drehbaren Arm b pendelartig hängt und durch sein eignes Gewicht auf das Kohlenstück g drückt. Die Membran wird nur an der obern Seite [156] gegen den Deckel D des Gehäuses festgeklemmt, während sie beim Schließen des Deckels in der Mitte durch eine mit Kautschuk überzogene Feder f gedämpft wird. Zur Erzielung einer sicher leitenden Verbindung zwischen dem Arm a und dem im Scharnier aufgehängten Kohlenkontakt ist an dem Arm einerseits und der Befestigungsschraube des Kohlenstückchens anderseits eine leichte Drahtspirale eingeklemmt. Die Wirkungsweise des Apparats ist dieselbe wie bei dem Mikrophon von Blake.
Durch seine Einfachheit und kräftige Wirkung zeichnet sich das Mikrophon von Ader in Paris vorteilhaft aus, welches nahezu identisch ist mit dem Hughesschen Mikrophon. Zwischen zwei querliegenden, mit entsprechenden Bohrungen versehenen Kohlenstücken sind 4–5 Kohlenstäbchen lose eingelagert; auch befinden sich in der Regel zwei derartige Systeme vereinigt an einer Resonanzplatte. Von großer Empfindlichkeit hat sich ferner das Mikrophon von de Locht-Labye in Lüttich, von dem Erfinder Pantelephon genannt, erwiesen. Dasselbe besteht der Hauptsache nach aus einer an einem Rahmen mit der obern Seite vertikal aufgehängten dünnen Platte aus Aluminium, dünnem Eisenblech, Stahlblech, Glimmer oder Korkholz etc. von etwa 15 cm Seitenlänge, an deren unterer, der Rahmenbefestigung gegenüber gelegener Seite eine kleine Kohlenplatte angenietet ist, welche mit einer Silber- oder Platinplatte in losem Kontakt steht. Durch Federbefestigungen und Stellschrauben kann die Einstellung des Kontakts leicht und sicher geschehen. Das Pantelephon spricht auf Schallwellen an, welche mehrere Hundert Meter von ihm entfernt entstehen, und vermag in einer Entfernung von 15 m von ihm gesprochene Worte nach mehreren Orten hin weiterzugeben.
Für den öffentlichen Verkehr wurde der F. zuerst durch Stephan nutzbar gemacht. Derselbe errichtete noch 1877 Fernsprechanstalten an solchen kleinern Orten, deren Hereinbeziehung in das Telegraphennetz bis dahin der Kosten wegen unterbleiben mußte. Diese Verwendung des Fernsprechers als Ersatz für die kostspieligen Telegraphenapparate hat sich außerordentlich bewährt. Gegenwärtig sind im Reichstelegraphengebiet gegen 3000 Postanstalten mit Fernsprechbetrieb ausgerüstet, zu denen sich noch seit 1883 einige Hundert Telegraphenhilfsstellen an solchen Orten gesellt haben, deren verhältnismäßig geringer Verkehr die Einrichtung von Postanstalten bisher nicht zuließ.
Während in Deutschland der F. in der erwähnten Weise zu einem wichtigen Verkehrsmittel sich herausbildete, begann man in Nordamerika 1878 denselben zur Vermittelung des Verkehrs zwischen den Bewohnern eines und desselben Ortes zu benutzen. Die Einrichtung dieser Fernsprech-Vermittelungsanstalten (telephone exchanges) besteht im wesentlichen darin, daß von einer Zentralstelle aus Leitungsdrähte nach den Wohnungen der Teilnehmer gezogen und hier mit Fernsprechapparaten in Verbindung gebracht werden, während auf der Zentralstelle, dem sogen. Vermittelungsamt, Vorrichtungen zur Aufstellung gelangen, welche die beliebige Verbindung der Leitungen untereinander gestatten. Auf diese Weise wird den Teilnehmern die Möglichkeit gewährt, sowohl mit jedem andern Teilnehmer sich unmittelbar mittels des Fernsprechers zu unterhalten, als auch dem Vermittelungsamt Nachrichten zur Weiterbeförderung zu übermitteln. Wie alle telegraphischen Einrichtungen in den Vereinigten Staaten, wurden auch diese Stadt-Fernsprechanlagen durch Privatgesellschaften hergestellt und betrieben.
Ähnliche Einrichtungen entstanden bald darauf auch in London und Paris; 1880 folgte die deutsche Reichs-Telegraphenverwaltung, welche 1881 in Berlin und bald darauf in Mülhausen (Elsaß), Frankfurt a. M. und Hamburg den Betrieb von Fernsprechanlagen eröffnete; im Januar 1885 waren bereits in 58 Städten des Reichspostgebiets allgemeine Fernsprechanlagen im Betrieb oder in der Ausführung begriffen. 7311 Personen nahmen an den Einrichtungen teil; die Gesamtlänge der Stadt-Fernsprechleitungen betrug 16,291 km. In Oberschlesien wurde 1883 ein Unternehmen vollendet, das sich für weite Kreise der dortigen Bevölkerung in hohem Grad nutzbringend erweist: die allgemeine Fernsprechanlage im oberschlesischen Hütten- und Industriebezirk, welche die Kreise Beuthen, Gleiwitz, Kattowitz, Tarnowitz und Zabrze mit einem Flächenraum von 1660 qkm umfaßt. In ähnlicher Weise sind im elsässischen Spinnereibezirk die Städte Mülhausen, Gebweiler und Thann zu einem Fernsprechnetz verbunden; ein neues Netz im rheinischen Samt-Industriebezirk ist zwischen den Städten Krefeld, Ürdingen, München-Gladbach, Viersen, Rheydt und Ödt eröffnet.
Zum Vergleich mögen einige neuere Angaben über die Ausdehnung der Stadt-Fernsprecheinrichtungen in europäischen Ländern hier ihren Platz finden. Im November 1885 besaßen:
Länder | Zahl der Städte | Zahl der Sprechstellen | Jährl. Abonnementsbetrag Mark |
Deutschland | 81 | 13000 | 150 |
England | 180 | 12000 | 100–400 |
Frankreich | 20 | 10000 | 480 |
Italien | 18 | 7000 | 92–140 |
Schweden | 51 | 10000 | 128–216 |
Schweiz | 30 | 5000 | 120–200 |
Spanien | unbekannt | 1000 | 80–200 |
Niederlande | 11 | 4000 | 136–204 |
Belgien | 12 | 5000 | 160–200 |
Rußland | 7 | 3000 | 560 |
Österreich-Ungarn | 10 | 4500 | 180–300 |
In Deutschland, der Schweiz und Spanien ist der Fernsprechbetrieb vollständig in den Händen des Staats, in den andern Staaten herrscht teilweise gemischter Betrieb, teilweise reiner Privatbetrieb; alle diese Staaten beabsichtigen aber, den Fernsprechbetrieb gänzlich zu verstaatlichen.
Zur Ausrüstung der Sprechstellen in den Stadt-Fernsprecheinrichtungen der Reichs-Telegraphenverwaltung werden die bewährten Siemensschen F. benutzt. Jeder bei den Teilnehmern zur Aufstellung kommende Apparatsatz (Fig. 8) enthält in einem Holzgehäuse vereinigt zwei dieser F. FF, einen Wecker W, eine Vorrichtung zum Ein- und Ausschalten desselben A und einen Blitzableiter S. Von den beiden Fernsprechern ist der eine horizontal mit dem Mundstück nach außen in dem Gehäuse befestigt, während der andre im Zustand der Ruhe an dem Haken h der Schaltvorrichtung[WS 1] hängt und durch sein Gewicht den vordern Hebelarm derselben herunterzieht. In dieser Stellung sind die durch eine Leitungsschnur untereinander verbundenen F. aus dem Leitungskreis ausgeschaltet, dagegen steht der Wecker mit der Leitung in Verbindung, so daß ein ankommender Strom die Glocke zum Ertönen bringt. Wird nun der lose F. abgehängt, so geht der Hebel der Schaltvorrichtung in seine Ruhelage und schaltet dadurch den Wecker aus, die F. dagegen ein, die nun zur Aufnahme des Gesprächs mit dem rufenden Teilnehmer Verwendung finden können. Das Entsenden des Batteriestroms [157] in die Leitung geschieht durch einen Druck auf den Knopf a. Sind in derselben Anschlußleitung zwei Sprechstellen eingeschaltet, so erhält die Zwischenstelle ein Sprechsystem mit einem Umschalter, welcher die Benutzung des Apparats nach beiden Seiten wie das Durchsprechen von der Endstelle nach dem Vermittelungsamt gestattet.
Bei den Vermittelungsämtern sind Klappenschränke aufgestellt, die für jede eingeführte Leitung einen Elektromagnet mit Fallklappe und einen Klinkenumschalter enthalten. Gewöhnlich werden Klappenschränke zu 50 Leitungen von der in Fig. 9 abgebildeten Einrichtung verwendet. Die Klappen erhalten fortlaufende Nummern. Jede derselben besteht aus einem Elektromagnetsystem, wie es Fig. 10 darstellt. Der einschenkelige Elektromagnet E wirkt auf den mittels
Fig. 8. | |
Siemens’ Fernsprecher. | |
einer Blattfeder f an dem Messingwinkel n befestigten Anker a, der an seinem vordern Ende einen hakenförmigen Fortsatz h trägt. Der Haken ragt durch eine Öffnung der um die Achse c drehbaren Scheibe K und hält diese im Zustand der Ruhe fest. Wird hingegen die Elektromagnetrolle von einem Strom durchflossen, so zieht der zum Magnet gewordene Eisenkern derselben den Anker an und löst dadurch den Haken aus der Fallscheibe, die nun herunterklappt u. dadurch dem überwachenden Beamten das Zeichen gibt, daß der betreffende Teilnehmer mit dem Vermittelungsamt in Verkehr zu treten wünsche. Unterhalb jeder Klappe befindet sich eine Öffnung k, welche den Zugang zu der mit dem Klappenelektromagnet verbundenen Klinke gewährt. Die verlangte Verbindung zweier Leitungen wird unter Benutzung einer leitenden, an jedem Ende in einen Stöpsel endigenden Schnur in der Weise hergestellt, daß man die Stöpsel l in die Löcher unterhalb der zu den betreffenden Leitungen gehörenden Klappen steckt. Die Beendigung eines Gesprächs wird dem Vermittelungsamt durch dreimaliges Drücken auf den Batterieknopf angezeigt. Kleine Klappenschränke von ähnlicher Einrichtung kommen auch bei solchen Teilnehmern zur Aufstellung, welche mehr als zwei Stellen innerhalb desselben Hauses an eine gemeinsame Sprechleitung anzuschließen wünschen.
Die Jahresvergütung für die Benutzung eines Fernsprechanschlusses, welche ursprünglich für jede bis zu 2 km von der Vermittelungsanstalt entfernte Sprechstelle 200 Mk. betrug, ist seit dem 1. Juli 1884 auf 150 Mk. für jede innerhalb des Ortsbestellbezirks belegene Sprechstelle herabgesetzt. Auch dem nicht angeschlossenen Publikum wird die Benutzung der Fernsprechanlagen durch die Einrichtung der öffentlichen
Fig. 9. | |
Klappenschrank. | |
Fernsprechstellen ermöglicht, welche jedermann gegen Entrichtung einer Gebühr von 50 Pfennig für 5 Minuten Sprechzeit zur Verfügung stehen. Neben den Stadt-Fernsprecheinrichtungen und unabhängig
Fig. 10. | |
Elektromagnetsystem eines Klappenschranks. | |
von denselben bestehen in großer Zahl besondere Telegraphenanlagen mit Fernsprechbetrieb, welche ohne Anschluß an ein Vermittelungsamt zum Austausch von Nachrichten zwischen verschiedenen Wohnungen oder Geschäftsstellen der Inhaber dienen. Für derartige Anlagen wird eine Jahresgebühr von 50 Mk. für jedes Kilometer Leitung und 50 Mk. für jede Sprechstelle erhoben. Die letztere Gebühr verdoppelt sich, wenn die verbundenen Sprechstellen zwei verschiedenen Besitzern gehören.
Seit 1882 ist die Reichstelegraphenverwaltung bestrebt, auch auf größere Entfernungen hin die Fernsprechnetze solcher Städte, welche in lebhaften Wechselbeziehungen stehen, untereinander zu verbinden. Gegenwärtig bestehen dergleichen Verbindungsanlagen [158] zwischen Berlin u. Potsdam, Berlin u. Magdeburg, Bremen u. Bremerhaven, Köln u. Bonn, Frankfurt a. M. und Mannheim, Leipzig und Dresden, Leipzig und Chemnitz und sind zwischen Berlin einerseits und Halle, Leipzig, Dresden und Breslau anderseits in der Ausführung begriffen. Auch in andern Ländern hat man begonnen, den direkten Fernsprechverkehr zwischen den Einwohnern verschiedener Städte anzubahnen; doch bietet die Telephonie auf größere Entfernungen immer noch erhebliche technische Schwierigkeiten. Laufen nämlich mehrere Fernsprechleitungen nebeneinander her, so hört man unter anderm durch Induktionswirkung in der einen Leitung, was in der andern gesprochen wird; ebenso machen sich die Ströme benachbarter Telegraphenleitungen durch Erzeugung eines knackenden Geräusches in den Telephonen bemerkbar. Diesem Übelstand hat man auf verschiedene Weise abzuhelfen gesucht. Man hat die Empfangsapparate unempfindlicher, die gebenden Apparate kräftiger gemacht, wodurch der Einfluß der störenden Nebengeräusche abgeschwächt wird; man hat Vorrichtungen angebracht, welche die auftretenden Induktionsströme durch solche von entgegengesetzter Richtung aufheben; man hat endlich die Störungsursachen, die plötzlichen Änderungen im Wachsen und Abnehmen der Ströme in den benachbarten Leitungen durch Einschaltung von Kondensatoren oder elektromagnetischen Widerständen zu beseitigen versucht. In letzterer Richtung ist besonders van Rysselberghe in Brüssel erfolgreich gewesen, dem 1884 die gleichzeitige Benutzung einer und derselben Leitung zum Sprechen und zur Morse-Telegraphie gelang. Unter Benutzung seines Verfahrens sind in Belgien mehrere Fernsprechnetze verschiedener Städte untereinander in Verbindung gebracht, ohne daß es nötig gewesen wäre, besondere Leitungen für diesen Betrieb herzustellen. Auch die Reichs-Telegraphenverwaltung steht im Begriff, ausgedehnte Versuche mit dem Rysselbergheschen Verfahren anzustellen.
Die Fernsprechleitungen werden innerhalb der Städte in der Regel über die Dächer geführt. Als Stützpunkte dienen Stangen aus gewalzten schmiedeeisernen Röhren, die mit Querträgern aus Flacheisen versehen sind, auf denen 2–24 Isolatoren befestigt werden; man rechnet dabei in der Regel auf je 4 nebeneinander stehende Isolatoren eine Stange. Die Leitungen bestehen aus 2,2 mm starkem verzinkten Gußstahldraht. Da zur Befestigung der Rohrständer meist bewohnte Gebäude benutzt werden müssen, so hat man außer dem in jedem Apparatgehäuse vorhandenen Blitzableiter auf freier Strecke zahlreiche Blitzableitungsseile an den eisernen Stangen und metallische Verbindung der letztern untereinander durch besondere Blitzleitungen angebracht. Dem Übelstand des Tönens der Leitungen wird durch Dämpfervorrichtungen an den Befestigungspunkten und passende Regulierung der Drahtspannung vorgebeugt. In der letzten Zeit sind vielfach Kabelleitungen für Fernsprechzwecke zur Anwendung gelangt und teils an den Stützpunkten der oberirdischen Fernsprechlinien aufgehängt (Luftkabel), teils in Röhren unter dem Straßenpflaster eingezogen oder unmittelbar in die Erde gelegt worden. Vgl. Grawinkel, Lehrbuch der Telephonie und Mikrophonie (2. Aufl., Berl. 1884); Wietlisbach, Technik des Fernsprechwesens (Wien 1886); Meili, Das Telephonrecht (Leipz. 1885).
[269] Fernsprecher. Die ungeahnte Ausdehnung des neuen Verkehrsmittels stellte die staatlichen wie privaten Verwaltungen vor die Aufgaben: 1) durch Verbesserung der Umschaltevorrichtungen auf den großen Vermittelungsanstalten Schnelligkeit in der Bedienung und Arbeitsersparnis zu erzielen und 2) durch Vervollkommnung der Sprechapparate und des Linienbaumaterials das gesprochene Wort deutlicher, dann aber auch auf weitere Entfernungen zu übermitteln, als dies bei den bis in die neueste Zeit üblich gewesenen Konstruktionsmethoden möglich gewesen war. Der unter 1) gestellten Anforderung wird durch den sogen. Vielfachumschalter (multiple switchboard) entsprochen, welcher auf dem Grundgedanken beruht, daß jedem auf der Vermittelungsanstalt thätigen Beamten die Leitungen aller an die Vermittelungsanstalt angeschlossenen Teilnehmer von seinem Platze aus zugänglich sein müssen, und daß jeder Beamte alle bei der Herstellung und Aufhebung der Verbindung zweier Teilnehmer vorkommenden Verrichtungen selbständig ausführen kann, ohne sich von seinem Platze zu entfernen. Das von der deutschen Verwaltung angenommene Vielfachsystem ist das zuerst von Scribner angegebene. Es besteht darin, daß sämtliche Teilnehmerleitungen dauernd mit je einer in einem Leitungsstöpsel endigenden Schnur verbunden sind. In jeder Vermittelungsanstalt sind also ebensoviel Stöpselschnüre wie Leitungen vorhanden. Durch Emporheben des Leitungsstöpsels aus der Ruhelage wird der Sprech-, bez. Hörapparat des Beamten automatisch in die betreffende Leitung eingeschaltet, so daß es nach erfolgter Verständigung mit dem anrufenden Teilnehmer nur noch der Feststellung, ob die verlangte Anschlußleitung frei ist, sowie unter anderm des Einsetzens des Stöpsels in den Klinkenumschalter jener Leitung bedarf. Der Vorteil dieses neuen Systems springt sofort in die Augen: der Beamte der Vermittelungsanstalt hat stets nur mit einem Leitungsstöpsel zu hantieren. Zu 2) Vervollkommnung der Sprechapparate ist hervorzuheben, daß für den Verkehr in den Stadt-Fernsprecheinrichtungen sowie für den Fernverkehr ausschließlich Mikrophone als Geber eingeführt sind. Als Empfänger dient nach wie vor der gewöhnliche F. Unter der großen Zahl der neuerdings erfundenen Mikrophone haben sich die sogen. Kohlenpulvermikrophone sowie einige Abarten des Aderschen Mikrophons Eingang verschafft. Die erstern sind namentlich in Amerika verbreitet, wogegen in Europa das Adersche Mikrophon das Feld behauptet. Das in Deutschland gebräuchliche Mikrophon unterscheidet sich von dem Aderschen Geber nur dadurch, daß die Sprechplatte zur Erleichterung des Gebrauchs senkrecht, statt wie früher wagerecht, gestellt ist. Diese Anordnung bedingte besondere Vorrichtungen, um die Schwingungen der Sprechplatte, bez. der Kohlenstäbe in geeigneter Weise zu dämpfen. Zu diesem Zwecke kam zunächst die Filzdämpfung, neuerdings die Federdämpfung in Gebrauch.
Die Mikrophone gestatten ein erheblich leiseres Sprechen als der gewöhnliche F. und sind die eigentlichen Apparate für den Fernsprechverkehr auf weite Entfernungen, der erst durch ihre Erfindung und durch die Verwendung von Phosphorbronze- u. Siliciumbronzedraht an Stelle des Eisen- und Stahldrahts für Fernsprechleitungen möglich geworden ist (s. weiter unten unter „Bautechnik“, S. 271). Die längsten Fernsprechverbindungen sind: Paris-Marseille (1000 km), New York-Washington (450 km), Hamburg-Breslau (650 km), Berlin-Breslau (350 km), Paris-Brüssel (320 km), Porto-Lissabon [270] (312 km), Buenos Ayres-Montevideo (312 km), Berlin-Hamburg (300 km), Wien-Budapest (270 km). Nachdem es gelungen war, mit Hilfe des Mikrophons und des Bronzedrahts die Fesseln zu sprengen, in denen der F. in Bezug auf seine Verwendbarkeit für größere Entfernungen noch gelegen hatte, richtete die deutsche Verwaltung in rascher Aufeinanderfolge Verbindungen zwischen der Hauptstadt und bedeutendern Provinzialstädten (Hannover, Leipzig, Dresden, Stettin u. a. m.) sowie neue Anlagen in verschiedenen Industriebezirken ein.
Ende des Jahres | Fernsprechnetze | Sprechstellen | Leitung Kilom. |
1881 | 7 | 1489 | 3152 |
1882 | 21 | 3707 | 6896 |
1883 | 33 | 5859 | 10707 |
1884 | 48 | 8460 | 15552 |
1885 | 100 | 14170 | 23429 |
1886 | 122 | 19151 | 33220 |
1887 | 155 | 25211 | 40122 |
1888 | 174 | 32920 | 47388 |
1889 | 198 | 42221 | 59932 |
1890 | 223 | 50508 | 79787 |
Auf Berlin allein kamen davon 1890: 13,800 Sprechstellen mit 29,962 km Leitung, also mehr, als z. B. ganz Frankreich (s. unten) zusammen.
Die Gesamtzahl aller an einem Tage innerhalb der Stadt-Fernsprecheinrichtungen des deutschen Reichspostgebiets ausgeführten Gespräche beträgt rund 1,5 Mill. Nicht eingerechnet sind dabei diejenigen Gespräche, die auf Anlagen zur Verbindung verschiedener Stadt-Fernsprecheinrichtungen gewechselt worden sind. Derartige Anlagen waren Ende 1890 in einer Zahl von 243 mit einer Gesamtausdehnung von 14,089 km Leitung und mit einer Durchschnittsbelastung von täglich 30,000 Gesprächen vorhanden. Die wichtigsten, bez. ausgedehntesten Verbindungsanlagen dieser Art sind:
Berlin-Hamburg | mit | 297 | km | Leitung |
Berlin-Braunschweig-Hannover | „ | 324 | „ | „ |
Berlin-Magdeburg | „ | 166 | „ | „ |
Berlin-Stettin | „ | 177 | „ | „ |
Berlin-Leipzig | „ | 178 | „ | „ |
Berlin-Breslau | „ | 350 | „ | „ |
Berlin-Dresden | „ | 235 | „ | „ |
Berlin-Kottbus-Görlitz | „ | 227 | „ | „ |
Breslau-Beuthen (Oberschlesien) | „ | 182 | „ | „ |
Köln-Düren-Aachen | „ | 71 | „ | „ |
Frankfurt a. M.-Mannheim | „ | 94 | „ | „ |
Hamburg-Lübeck | „ | 67 | „ | „ |
Hamburg-Bremen | „ | 118 | „ | „ |
Kiel-Flensburg | „ | 83 | „ | „ |
Fernsprechanlagen in Industriebezirken waren Ende 1890: 7 Anlagen mit 2589 Sprechstellen, 7076 Anschluß- und 3620 km Verbindungsleitungen vorhanden, von denen die wichtigsten sind: 1) der oberschlesische Industriebezirk mit Beuthen, Königshütte, Gleiwitz, Tarnowitz, Kattowitz; 2) der rheinische Seidenbezirk mit Krefeld, München-Gladbach, Rheydt etc. in Verbindung mit der Fernsprechanlage Barmen-Elberfeld-Langenberg und Neviges; 3) der niederrheinisch-westfälische Industriebezirk mit Duisburg, Oberhausen, Mülheim a. d. Ruhr, Essen, Bochum, Dortmund, Hagen; 4) der bergische Industriebezirk mit Lennep, Remscheid, Solingen etc.; 5) der Industriebezirk der sächsischen und preußischen Oberlausitz mit Bautzen, Löbau, Spremberg, Zittau, Görlitz, Lauban, Reichenbach etc. Die Zahl der Telegraphen-Anstalten auf dem platten Lande, die mit Fernsprechbetrieb ausgerüstet sind, ist von 5152 im J. 1889 auf 5730 im J. 1890 gestiegen.
Über den Stand des Fernsprechwesens im Ausland ist es, namentlich wo dasselbe in Händen von Privatgesellschaften ruht, äußerst schwierig, genaue Angaben zu erhalten. Soweit solche unbedingt zuverlässigen Quellen entnommen sind, sind sie in der nachstehenden Tabelle zusammengestellt. Die Gebühren verstehen sich, wo nichts andres vermerkt ist, für eine Entfernung bis zu 2 km von der Vermittelungsanstalt.
[271] In Deutschland ist der F. in der ausgedehntesten Weise für die Bedürfnisse des Publikums nutzbar gemacht worden und findet eine vielseitigere Verwendung als in irgend einem andern Lande der Welt. So hat die deutsche Verwaltung, um auch den Bewohnern der kleinern Städte und des platten Landes, welchen keine lokale Fernsprecheinrichtung zur Verfügung steht, die Möglichkeit des unmittelbaren Sprechverkehrs zu gewähren, seit 1889 die dem Fernsprechbetrieb dienenden Telegraphenleitungen für den unmittelbaren Verkehr des Publikums freigegeben und geht mit der Absicht um, diese Maßnahme auch auf die Telegraphenleitungen für den Morsebetrieb durch Ausrüstung der Telegraphenanstalten mit Fernsprechern auszudehnen. Hiernach wird also jedermann in der Lage sein, mit irgend einer andern Person in einem benachbarten Orte zu sprechen, vorausgesetzt, daß beide Orte Telegraphenanstalten haben; es braucht nur ein bezüglicher Wunsch der Telegraphenanstalt mitgeteilt zu werden. Alles übrige besorgen die Verkehrsanstalten, ohne daß den Beteiligten für Botengänge, Herbeiholen der Personen etc. irgend welche Kosten erwachsen. Die Gebühr für ein dergestalt bewerkstelligtes Gespräch, welches 5 Minuten dauern darf und innerhalb der Dienstzimmer abgewickelt wird, beträgt 1 Mk.
Ferner übernimmt es die Reichspost- und -Telegraphenverwaltung, auf kürzere Entfernungen Fernsprechanlagen zur unmittelbaren telegraphischen Verbindung von Geschäftsstuben, Wohnungen etc. untereinander ohne Berührung einer Reichstelegraphenanstalt (sogen. besondere Telegraphen-Anlagen) herzustellen und an Privatpersonen zu deren eignem und ausschließlichem Gebrauch mietweise zu überlassen. Derartige Anlagen sollen zur telephonischen Vermittelung von Nachrichten zwischen verschiedenen Wohnungen und Geschäftsstellen einer und derselben Person oder Erwerbsgesellschaft, oder zwischen verschiedenen Personen und Geschäften dienen und werden sowohl in Ortschaften als auf dem platten Lande hergestellt. Für die Benutzung einer derartigen Anlage mit zwei Fernsprechstellen und einer Verbindungsleitung bis zu 1 km Länge sind jährlich 75 Mk. zu entrichten, für jedes weitere Kilometer 30 Mk. Zuschlag. Dafür wird die Anlage in allen ihren Teilen auf Kosten der Verwaltung hergestellt und fortdauernd in betriebsfähigem Zustand gehalten.
1) Zu gunsten der Bewohner kleinerer Landorte, welche bei Unglücksfällen etc. auf Hilfe aus benachbarten Orten angewiesen sind, ist auch außerhalb der Telegraphendienststunden, insbesondere während der Nacht, ein besonderer Unfallmeldedienst eingerichtet. Derselbe bezweckt, namentlich bei Feuersbrünsten, den gefährdeten Ortschaften schleunigst Hilfe zu beschaffen. Die technischen Einrichtungen bestehen hauptsächlich in der Aufstellung besonderer Weckvorrichtungen, welche neben dem F. eingeschaltet sind. Die beteiligten Gemeinden haben für die erste technische Anlage einen einmaligen Beitrag von 50 Mk. zu leisten; zur Zeit sind 700 Unfallmeldestellen eingerichtet. 2) Ebenso sind die Fernsprechnetze in den Städten für den Feuermeldedienst nutzbar gemacht, zumal durch dieselben (anders als bei den automatischen Feuermeldern) den Feuerwachen von der bestunterrichteten Stelle aus Ort und Ausdehnung des Feuers mitgeteilt werden kann, ohne daß den Teilnehmern an der Fernsprecheinrichtung besondere Kosten erwachsen. Soweit die erforderlichen Verrichtungen den ohnehin während der Nacht anwesenden Beamten mitübertragen werden können, ist bei der betreffenden Dienststelle ein mit den Fernsprechleitungen verbundener Wecker aufgestellt. Wo dies nicht thunlich ist, sind bei den Vermittelungsanstalten selbstthätige Schaltungen angeordnet, durch welche die unmittelbaren Verbindungen zwischen dem Hilfe rufenden Teilnehmer und der Feuerwehr hergestellt werden können. 3) Die Stadt-Fernsprechnetze sind durch eine Reihe von Einrichtungen, welche von dem Ingenieur Mayrhofer ersonnen sind, für einen Zeitdienst verwendbar gemacht worden, welcher, sobald eine genügende Anzahl von Teilnehmern sich gefunden hat, ins Leben treten kann. Von gewissen Zentralpunkten aus, an denen die Uhren auf Grund der Zeitmessungen der Sternwarte richtig erhalten werden, werden täglich in einem geeigneten Zeitpunkt (morgens 5 Uhr), wo der Fernsprechbetrieb gänzlich ruht, alle Leitungen zu den Abonnenten durch die regulierende Zentraluhr selbstthätig mit einem Signalgeber verbunden. Gleichzeitig verbinden sich die bei den Abonnenten aufgestellten Uhren für die Dauer einiger Minuten ebenfalls selbstthätig mit der Fernsprechleitung. Während dieser Verbindung empfangen sie einen elektrischen Strom, welcher, von dem Signalgeber der Zentraluhr ausgehend, alle die einzelnen Uhren jedesmal auf die Minute richtig stellt. Nachdem dies geschehen, erfolgt wiederum selbstthätig die Lösung aller Verbindungen. 4) Der F. für den Dienst der Taucher ist von John Staar, einem Beamten der französischen Gesellschaft l’Unique Téléphone, konstruiert worden. Der Geber ist an der Taucherkappe gegenüber dem Munde des Tauchers, der Empfänger an einer Art Mütze befestigt, welche gegenüber dem einen Ohre angebracht ist. Die isolierten Leitungsdrähte gehen längs der Luftröhre bis zur Batterie des Fernsprechers, welche sich auf der Oberfläche befindet. Geber und Empfänger sind ganz klein, so daß sie an jeder Taucherkappe angebracht werden können; die Batterie befindet sich in einer Büchse von 20 cm Seitenlänge. 5) Die Verwendung des Fernsprechers bei Eisenbahnunfällen hat zur Voraussetzung, daß die Stationen an der Linie mit Fernsprechern ausgerüstet sind. Auf dem Zuge wird eine tragbare Fernsprechstelle mitgeführt, die aus einem Druckknopf zur Abgabe der Anrufsignale, einem Mikrophon, einem F., einem empfindlichen Läutewerk, einem Umschalter (um je nach Bedürfnis den F. oder das Läutewerk einzuschalten) und aus einer Batterie von zehn kleinen Leclanché-Elementen besteht. Soll die in einem Kasten untergebrachte Sprechstelle in Wirksamkeit treten, so werden an zwei an den Kasten befindlichen Klammern zwei längere Kupferdrähte befestigt, deren einer in einem kupfernen Haken, der andre in einer passend eingerichteten Kontaktvorrichtung endet; letztere wird an einer als Erdleitung dienenden Schiene befestigt, der Kupferhaken wird an die längs des Bahnkörpers verlaufende Sprechleitung gehängt. Die Batterie ist genügend stark, um auf eine Entfernung von 20 km ein Läutewerk ansprechen zu lassen; die einfache Einrichtung entspricht also vollständig ihrem Zwecke, sofern die Entfernung zwischen je zwei Stationen 40 km nicht übersteigt.
In der Bautechnik der Fernsprechleitungen, in welcher Beziehung mangels jeder Erfahrung von vornherein nur empirisch verfahren werden konnte, hat sich in den letzten Jahren ein vollständiger Umschwung vollzogen. An die Stelle des Eisen- und Gußstahldrahts ist Draht aus Siliciumbronze getreten, [272] eine Legierung aus Kupfer, Zinn, Blei und geringen Mengen Eisen mit einem Zusatz von Silicium. Dieser Bronzedraht besitzt eine bedeutend größere absolute Festigkeit als Eisen- und ein größeres Leitungsvermögen als Gußstahldraht, und dieser letztere Umstand hat es ermöglicht, das gesprochene Wort auf viel weitere Entfernungen fortzupflanzen, er hat ferner gestattet, dünnern Leitungsdraht zu verwenden, und das hat wieder bewirkt, daß die Querträger wie Isolatoren in geringern Abmessungen hergestellt werden konnten. Infolge dieser Verminderung des Eisengewichts der Leitungen können nun auch an einem Gestänge gegen früher viel mehr Leitungen angebracht werden. Für Neuanlagen werden seit 1890 Bronzedrähte von folgenden Stärken verwendet: Draht von 3 mm Durchmesser für die größern Verbindungen von 150 km Länge und darüber, von 2 mm für alle andern Verbindungsanlagen und von 1,5 mm für die Anschlußleitungen in den Stadt-Fernsprecheinrichtungen und in den Bezirks-Fernsprechanlagen. An den einfachen, als Stützpunkte dienenden, gewöhnlich auf den Dächern der Häuser aufgestellten Rohrständern mit Querträgern zu 6 Isolatoren können nun bis zu 30 Leitungen (bis jetzt 12–16), an Doppelgestängen bei Querträgern zu 20 Isolatoren bis zu 200 Leitungen (bis jetzt nur 40–60) und an Dreigestängen bei Querträgern zu 30 Isolatoren bis zu 300 Leitungen (bis jetzt etwa nur 126) angebracht werden.
Die seit 1882 seitens der deutschen Telegraphenverwaltung angestellten Versuche mit Fernsprechkabeln sind 1888 abgeschlossen worden. Man hat sich für die Verwendung von Erdkabeln und Luftkabeln entschieden, die gewöhnlich unter der Bezeichnung Bleikabel zusammengefaßt werden. Die Erdkabel werden aus 28 isolierten Leitungen hergestellt, welche in 7 Gruppen zu je 4 Leitungen angeordnet sind. Jede Leitung besteht aus einem 1 mm starken Kupferdraht, erhält eine Isolierschicht aus dreifacher Bewickelung mit imprägniertem Baumwollgarn und wird demnächst mit Stanniol umhüllt. Der äußere Durchmesser jeder Ader, über der Stanniolhülle gemessen, beträgt 2,8 mm. Je 4 solcher Leitungen werden um einen blanken Kupferdraht von 1 mm Stärke zu einer Litze vereinigt, und 6 solcher Litzen werden um die siebente, als Kern dienende Litze zu einem Seile zusammengedreht. Das Seil wird mit imprägniertem Bande bewickelt und dann mit einem doppelten Bleimantel von je 1,2 mm Stärke umpreßt. Auf den äußern Bleimantel kommt eine Umwickelung mit imprägniertem Bande, dann wird das Ganze mit 19 verzinkten Façoneisendrähten umgeben, welche einen trapezförmigen Querschnitt von etwa 4,7 mm zu 4,3 mm und 1,7 mm haben. Der äußere Durchmesser des Kabels beträgt etwa 32 mm und das Gewicht für das Meter ungefähr 4 kg. Die Luftkabel werden in der Regel mit 27 Leitungsadern verwendet. Jede Leitung besteht aus einem 0,8 mm starken Kupferdraht, isoliert durch eine doppelte Bewickelung mit imprägniertem Hanfgarn und mit Stanniol umhüllt. Sämtliche 27 Leitungen sind zusammen mit 3 je 1,2 mm starken Kupferdrähten, welche als Erdleitung dienen, verseilt. Die Lage dieser Erddrähte ist derart, daß eine möglichst innige Berührung derselben mit den Stanniolhüllen der einzelnen Adern hergestellt wird. Zu diesem Zwecke werden zunächst 3 Leitungsadern mit den 3 Erddrähten in der Weise verseilt, daß erst die zwischen je 2 anstoßenden Adern bleibende Rinne durch einen Kupferdraht ausgefüllt wird. Der hierdurch gebildete Kern wird zunächst mit 9, dann mit den übrigen 15 Leitungsadern umgeben. Das Ganze wird hierauf mit imprägniertem Garn umwickelt, mit 2 Bleimänteln von wenigstens je 0,9 mm Wandstärke umhüllt und schließlich noch mit einer mit Zinkweiß behandelten Bandlage versehen. Die Aufhängung der Luftkabel an den Stützpunkten erfolgt mit Hilfe einer besondern Traglitze, die aus 7 verzinkten Stahldrähten von je 2,3 mm Stärke besteht. Die Traglitze hat eine Bruchfestigkeit von wenigstens 120 kg für das Quadratmillimeter Querschnitt oder für jeden Draht von rund 500 kg.
Die beispiellose Ausdehnung des Fernsprechwesens läßt, namentlich in den größern Städten, die unterirdische Führung der Fernsprechleitungen als den einzigen Ausweg zu, den immer steigenden Anforderungen des Publikums gerecht zu werden. In Berlin ist 1890 zunächst der Anfang mit der Herstellung eines unterirdischen Leitungsnetzes gemacht worden. Zur Aufnahme der Erdkabel ist innerhalb der städtischen Straßenzüge ein Netz von gußeisernen Röhren hergestellt worden, dessen Länge vorerst auf 41,200 m bemessen ist. Die Weite der Röhren schwankt zwischen 20 und 40 cm mit einer Aufnahmefähigkeit von 20–90 Kabeln. Außerdem werden an besonders schwierigen Straßenkreuzungen etwa 100 m schmiedeeiserne Kasten in den Straßenkörper eingebettet und 165 m gemauerter Kanal hergestellt. Die zur Verwendung kommenden Kabel sind mit Eisendrähten bewehrt und enthalten 28 durch getränktes Baumwollgespinst isolierte, zum Schutze gegen gegenseitige Lautübertragung mit Stanniolstreifen umwickelte Kupferleitungen von 1 mm Stärke. Die Länge der zunächst ausgelegten Kabel beträgt 147,968 m und die Länge der Leitungen somit 4,143,104 m. Zur leichtern Einziehung der Kabel in die Röhren sowie zur Untersuchung der Leitungen sind im Laufe des Röhrenzugs etwa 400 gemauerte Einsteigbrunnen (Kabel-Untersuchungsbrunnen) hergestellt worden, während zur Verbindung der unterirdischen Leitungen mit den oberirdisch bewirkten Einführungen der Drähte in die Sprechstellen der Teilnehmer 46 Kabelaufführungsstellen dienen. Die Kosten der Herstellung des unterirdischen Leitungsnetzes haben rund 1,5 Mill. Mk. betragen. Mit dieser Anlage ist das Berliner Fernsprechnetz, das größte der Welt, derart vervollkommt, daß auf absehbare Zeit seine ungehinderte Entwickelung sichergestellt ist. Auch in andern großen Städten des Reichspostgebiets, in denen sich das Bedürfnis dazu herausstellt, werden Röhrenstränge für Fernsprechkabel gelegt werden.
Es sind dreierlei Systeme zu unterscheiden: 1) die Staatsverwaltungen nehmen auf Grund bestehender Gesetze die Regalität des Fernsprechwesens in Anspruch und versagen Privaten die Anlegung von Fernsprecheinrichtungen; 2) die Staatsverwaltungen erklären das Fernsprechwesen zwar für ein Regal, erteilen aber Privaten die Erlaubnis zur Anlegung von Fernsprecheinrichtungen gegen Abgabe eines bestimmten Teils der Einnahmen und unter dem Vorbehalt, entweder jederzeit oder nach Ablauf einer gewissen Frist die hergestellten Fernsprechleitungen und die zugehörigen Apparateinrichtungen gegen eine Entschädigung einzulösen, die durch gemeinschaftliches Übereinkommen oder nach Schätzung durch Sachverständige bestimmt wird, daneben aber behalten sie sich das Recht vor, gleichfalls neben dem Privatbetrieb staatliche Fernsprechanlagen in Betrieb zu setzen; und endlich 3) die Staatsgewalten überlassen Einrichtung und Betrieb der Fernsprecheinrichtungen ausschließlich der [273] Privatindustrie. Der reine Staatsbetrieb, der ursprünglich nur von Deutschland und der Schweiz eingerichtet worden war, herrscht zur Zeit (1890) außer in den beiden genannten Ländern in Luxemburg, Neuseeland, im Senegalgebiet, in Siam und Südaustralien; Privat- und Staatsanlagen bestehen nebeneinander in Belgien, Britisch-Indien, Frankreich, in den französischen Besitzungen in China, in Großbritannien, Norwegen, Österreich, Rußland und Spanien; ausschließlich Privatbetrieb herrscht zur Zeit noch in Brasilien, Dänemark, Italien, den Niederlanden, Niederländisch-Indien, Nordamerika, Schweden u. Ungarn. Allein die dem Betrieb seitens der Privatgesellschaften anhaftenden Übelstände: daß Neuanlagen nicht nach höhern Gesichtspunkten, auch in nicht rentabeln Gegenden, sondern nur mit Rücksicht auf das Ertragsinteresse eingerichtet werden, haben dazu geführt, daß in den meisten Ländern die Erwerbung der bestehenden Fernsprechnetze und der Betrieb derselben durch den Staat ins Auge gefaßt ist. Auf dem Wege zur vollständigen Verstaatlichung befinden sich zur Zeit: Belgien, Frankreich, Italien, Österreich, Rußland und Spanien.
Eine gleiche Unsicherheit hat sich in der Festsetzung der Gebühren für den Gebrauch des neuen Verkehrsmittels gezeigt. In der Hauptsache kann man drei Systeme unterscheiden: 1) die Interessenten einer Ortschaft oder Gegend vereinigen sich zu einer Körperschaft; sie errichten, unterhalten und benutzen das Fernsprechnetz auf ihre Kosten. In vielen Städten Schwedens sind auf diese Weise Fernsprechanlagen entstanden. Die Kosten sind im Anfang verhältnismäßig gering, dagegen bietet die Verteilung derselben unter die verschiedenen Interessierten dann Schwierigkeiten, wenn neue Teilnehmer hinzutreten. 2) Die Teilnehmer tragen die Kosten der ersten Einrichtung der Linie und der Apparate und bezahlen außerdem eine jährliche Gebühr für den Dienst und den Unterhalt des Vermittelungsamts. Dieses System (unter andern in Frankreich in Anwendung) ist für die Verwaltung vorteilhaft, aber es verzögert die rasche Ausdehnung der Fernsprechnetze, denn viele Geschäftsleute sind wohl bereit, sich für ein oder zwei Jahre zu verpflichten, sie schrecken aber vor einer am Anfang zu machenden beträchtlichen Ausgabe zurück, welche verloren wäre, wenn sie über kurz oder lang genötigt wären, den F. aufzugeben. 3) Das verbreitetste System ist dasjenige, welches auf dem reinen und einfachen Abonnement beruht. Die Verwaltung richtet die Fernsprechstelle des Teilnehmers ein, und der letztere bezahlt eine bestimmte Summe als Entschädigung. Dieses System erleichtert die Teilnahme am Fernsprechnetz, indem es nur periodische, relativ geringe Zahlungen auferlegt und erlaubt, ohne Schaden auszutreten; es begünstigt die Ausdehnung der Netze und damit die Verallgemeinerung der ganzen Einrichtung. In Deutschland ist von Haus aus ein einheitlicher Satz aufgestellt worden, in den gesamten übrigen Ländern sind die Taxen sehr verschieden festgesetzt, und nur zögernd treten Staats- wie Privatverwaltungen der Aufstellung eines gleichmäßigen festen Satzes näher. Es liegt dies daran, daß man zur Zeit die Lebensdauer der Fernsprechnetze noch zu wenig kennt und nur weiß, daß die Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten schwieriger und kostspieliger sind als beim Telegraphen. Die Fernsprechdrähte sind dem Einfluß des Rauches der Kamine und der Fabrikschlote mehr ausgesetzt als die Telegraphendrähte, und der Rost macht manchmal sehr schnelle Fortschritte. Ferner sind auch die Fernsprechapparate einer raschern Zerstörung ausgesetzt, da sie sich in den Händen des Publikums befinden, das sich oft nur wenig für ihre Erhaltung interessiert. Ein weiterer ungünstiger Faktor liegt in der Wahrscheinlichkeit, daß die vorhandenen Apparate verbessert werden. Die F. sind noch nicht auf der Stufe von Normaltypen angelangt, wie dies bei den Telegraphenapparaten der Fall ist. Eine Erfindung jagt die andre, und wenn man glaubt, ein vollkommenes System gefunden zu haben, kündet sich ein neuer Fortschritt an und verweist Tausende von eben noch brauchbaren Instrumenten in die Rumpelkammer. Diese Umstände sind maßgebend für die Beurteilung der gegenwärtig bestehenden Gebühren. Dieselben erscheinen in einzelnen Ländern (z. B. Großbritannien, Frankreich, Rußland, Vereinigte Staaten von Nordamerika, Österreich) im Mittel zu hoch, aber es würde äußerst schwierig sein, sie schon jetzt endgültig festzustellen. Welchen Rechenfehler würde man begehen, wenn man die Taxen nach einer mittlern Dauer der Fernsprechnetze von 25 Jahren berechnen wollte, und wenn sich dann herausstellte, daß ein vollständiger Umbau (wie er sich thatsächlich durch die unterirdische Führung der Leitungen im J. 1890 in Berlin vollzogen hat) schon nach 15 Jahren notwendig ist. Man müßte alsdann die Gebühren wieder erhöhen, was, namentlich bei Staatsverwaltungen, immer seine Bedenken hat.
Die Frage, ob dieselben Taxen für große wie für kleine Netze festzusetzen seien, führt zu folgender Betrachtung: Die Einnahme der Verwaltung steigt mit der Zunahme der Teilnehmer, anderseits aber steigen die Kosten der Verwaltung in mehr als einer Richtung. Die Hindernisse, die sich der Führung der Drähte entgegenstellen, nehmen mit der Zahl der Leitungen zu; in gleichem Verhältnis mehren sich die Störungen und die Betriebsirrtümer, mit ihnen wächst die Zahl der Beschwerden, denen die Verwaltung das Ohr nicht verschließen kann. Die Zunahme der Leitungen führt zu unterirdischen Konstruktionen und der vermehrte Verkehr auf den Zentralstationen zur Verwendung von kostspieligen Nebenapparaten und zu erhöhter dienstlicher Leistung. Die Zahl der Gespräche vermehrt sich; wenn dieselbe beispielsweise in einem Netze von 100 Teilnehmern für jeden Teilnehmer 3 ist, so wird sie in einem Netze von 1000 Teilnehmern gewiß auf 60 steigen. Die Arbeit auf der Zentralstation steht dann im Verhältnis von 1 : 20. Da außerdem diese Arbeit auch viel schwieriger geworden ist, so wird wahrscheinlich eine Vermehrung des Personals im Verhältnis von 1 : 25 nötig geworden sein. Alles dies spricht dafür, daß es gerechtfertigt erscheint, wenn für die größern Netze eine höhere Teilnehmergebühr festgesetzt wird als für die kleinern. Die Privatgesellschaften können dies leicht thun, schwieriger ist es für die staatlichen Verwaltungen. Der Staat will die Unterschiede zwischen Stadt und Land, zwischen großen und kleinen Städten nach Möglichkeit ausgleichen. In der Post- und Telegraphenverwaltung deckt man mit dem Überschuß, den man in verkehrsreichen Gegenden erzielt, die Verluste, die man auf dem Lande erleidet. Unglücklicherweise erzeugt dieses Ausgleichsbestreben, was das Fernsprechwesen betrifft, gerade das Gegenteil: auf dem Lande, in den Dörfern und kleinen Städten leidet man unter einer verhältnismäßig hohen Taxe, die man in den großen Netzen, um Verluste zu vermeiden, zu fordern genötigt ist.
Eine rationelle Festsetzung der Gebühren erscheint nur möglich durch das System der Taxabstufung, d. h. die Gebühr soll im Verhältnis zu dem Gebrauch [274] stehen, den der Teilnehmer vom F. macht. Zwei Methoden dieses Systems sind in Übung: nach der ersten werden 2–5 (oder beliebig mehr) verschiedene Gebührensätze aufgestellt und die Teilnehmer willkürlich in die eine oder andre dieser Kategorien eingereiht; nach der andern Methode wird die Gebühr nach der Anzahl der geführten Gespräche erhoben. Die erste dieser Methoden kann kaum von Staatsverwaltungen angewendet werden, da es der Würde der letztern nicht entspricht, mit dem Publikum über die zu zahlende Vergütung zu feilschen; sie wird auch nur von Privatgesellschaften, z. B. in Nordamerika, geübt. Die zweite Methode ist die der Bezahlung für jedes Gespräch und erscheint als die gerechteste. Denn die Apparate nutzen sich ab mit dem Gebrauch, den der Teilnehmer von ihnen macht; die Arbeitsleistungen der Vermittelungsanstalt gleichwie die Kosten für das Personal stehen im Verhältnis zu der Zahl der ausgeführten Verbindungen; die Vorteile, die jeder Teilnehmer von seiner Sprechstelle zieht, stehen ebenso im direkten Verhältnis zu der Anzahl der Verbindungen die er fordert, wie zu den Gebühren, die er zu zahlen haben wird; kurz, zwischen allen Faktoren, die in Betracht kommen, wird ein entsprechendes Verhältnis hergestellt. Es würde dann gleichgültig sein, ob der Abonnent eine oder mehrere Sprechstellen hat, ob die Sprechstelle von der in erster Linie befugten Person oder von andern Personen mit benutzt wird, ob sie nur zeitweise benutzt wird, ob sie direkt mit dem Vermittelungsamt verbunden ist oder die Abzweigung von einer andern Station bildet etc. Ferner würde das neue Taxverfahren den vielen bisher erfolglos bekämpften Mißbräuchen des Fernsprechers ein Ende machen, da es dann vollkommen gleichgültig ist, welche Person die Sprechstelle benutzt. Das Registrieren jedes geführten Gesprächs, wie es z. B. in der Schweiz geschieht, würde allerdings die Arbeit auf den Vermittelungsämtern ungeheuer vermehren, und bei den Netzen, wo die Teilnehmer nach Tausenden zählen, nur schwer durchführbar sein; einen Ausweg bietet aber der automatische Gesprächszähler, der so eingerichtet sein muß, daß er die Aufzeichnung der erfolglos gebliebenen Anrufe vermeidet. Sobald ein derartiger Apparat hergestellt ist (und die Technik ist auf dem besten Wege dazu), wird die Frage der Gebührenerhebung für Teilnahme an den Fernsprechanlagen in ein neues Stadium treten. Durch die in England bereits erfolgte Einführung von Fernsprechautomaten, mittels welcher durch Einwerfung einer Münze eine Verbindung mit irgend einem Abonnenten hergestellt werden kann, ist die Frage wegen Bedienung und Benutzung öffentlicher Fernsprechstellen wesentlich vereinfacht. Vgl. Rothen, Étude sur la téléphonie (im „Journal télégraphique“, 1886). In Deutschland, wo seit 1884 (bis dahin 200 Mk.) eine einheitliche Taxe von 150 Mk. jährlich erhoben wird, ist seit einiger Zeit eine lebhafte Agitation für eine Ermäßigung der Gebühren im Gange. Die Erfahrungen, welche von der Staatsverwaltung bisher gemacht worden sind und welche sich erst auf wenige Jahre erstrecken, bieten noch keine genügend breite Grundlage, um mit einiger Sicherheit beurteilen zu können, ob für die angestrebte Gebührenermäßigung ein allgemeines Bedürfnis besteht, wie bei Gewährung einer solchen sich der Ausfall an Gebühren gestalten und wie sich der letztere zu den Kosten der Anlagen, der Unterhaltung und des Betriebs sowie zu dem Ausfall an Telegrammgebühren verhalten würde. Thatsache ist in Deutschland wie anderwärts, daß ein Teil der Fernsprechanlagen einen mäßigen Überschuß einbringt, während ein andrer Teil der Anlagen Zuschuß erfordert, der aus jenem gedeckt wird. Ein rationeller Zustand wird auch hier erst mit der Einführung des automatischen Gesprächsaufzeichners herbeigeführt werden.
Die rechtliche Stellung des Fernsprechwesens. Von der Reichstelegraphenverwaltung ist von Anfang an der Standpunkt eingenommen worden, daß die Fernsprechanlagen gesetzlich als Telegraphenanstalten anzusehen seien. Sie beanspruchte demgemäß auf Grund des Artikels 48 der Verfassung für den Fernsprechbetrieb das Monopol und setzte voraus, daß der den öffentlichen Telegraphenanstalten durch die § 317 ff. des Reichsstrafgesetzbuchs gewährte Schutz seitens der Gerichte auch den Fernsprechanlagen zugestanden werden würde. Gegen diese Auffassung erhob sich mehrfach Widerspruch, aber die Verwaltung nahm den betreffenden Erörterungen gegenüber, welche einen rein theoretischen Charakter trugen, eine zuwartende Haltung ein, bis die von ihr in Anspruch genommenen Rechte in einem praktischen Falle der Verteidigung bedürfen würden. Dies ist geschehen, und durch reichsgerichtliches Erkenntnis vom 28. Febr. 1889 ist den Reichsfernsprechanlagen die Eigenschaft als öffentliche Telegraphenanstalten im Sinne des Gesetzes ausdrücklich zuerkannt. Dagegen ist die auf Grund dieser Entscheidung seitens der Reichspostverwaltung in Anspruch genommene Berechtigung: Ausführung und Betrieb von privaten Fernsprecheinrichtungen zu untersagen und zu verhindern, sobald durch dieselben entweder Grundstücke desselben Besitzers oder Grundstücke verschiedener Besitzer, wenn sie durch öffentliche Wege und Straßen getrennt sind, verbunden werden, in erster und zweiter Instanz nicht anerkannt worden. Die Einbringung eines Telegraphengesetzes (s. d.), welche im Februar 1891 erfolgte, wird die umstrittenen Rechtsverhältnisse der Fernsprech- und Telegraphenanlagen in wünschenswerter Weise auf sichern Boden stellen.
Länder | Anzahl der | Jahresgebühr | Bemerkungen | |||
Stadt-Fernsprechnetze | Sprechstellen | |||||
Mark | ||||||
Deutschland (1890) | 223 | 50508 | 150 | |||
Belgien (1888) | 14 | 4700 | 160–200 | je nach der Ausdehnung der Städte | ||
Dänemark (1888) | 6 | 1840 | 170 | Kopenhagen, innere Stadt | ||
196–224 | Kopenhagen, im Verkehr mit den Vorstädten | |||||
56–68 | in kleinern Städten | |||||
Frankreich (1890) | 40 | 12800 | 320 | Paris | außerdem bezahlen die Teilnehmer die Apparate und leisten einen Zuschuß zu den Herstellungskosten der Linie bis 12,50 Mk. für je 100 m | |
240 | Departements | |||||
160 | Luftleitungen | |||||
Großbritannien (1888) | 122 | 20450 | 200–400 | je nach Ausdehnung der Städte | ||
Italien (1888) | 28 | 9190 | 144–200 | |||
Luxemburg (1888) | 15 | 490 | 64 | in der Stadt Luxemburg | ||
80 | in den übrigen Orten | |||||
Niederlande (1888) | 9 | 2880 | 136–204 | je nach Ausdehnung der Städte | ||
Norwegen (1888) | 21 | 3930 | 45–90 | |||
Österreich (1889) | 28 | 4680 | 180–300 | |||
Portugal (1888) | 2 | 890 | ? | |||
Rußland (1888) | 36 | 7590 | 500 | bis 3 km | ||
Schweden (1888) | 137 | 12900 | 128–216 | je nach Ausdehnung der Städte | ||
Schweiz (1889) | 71 | 7700 | 96 | im ersten Kalenderjahr | wenn die Gespräche jährlich 800 übersteigen, für jedes Hundert 4 Mk. mehr | |
80 | im zweiten Kalenderjahr | |||||
64 | in den folgenden Jahren | |||||
Spanien (1890) | 29 | 6300 | 85–127 | nur in einer Stadt (Segovia) | ||
243 | innerhalb des Stadtweichbildes | |||||
486 | wenn die Stelle von sämtlichen Hausbewohnern benutzt wird | |||||
810 | in Bank- und Kaffeehäusern, Theatern etc. | |||||
Vereinigte Staaten von Amerika (1888) | 739 | 158720 | 300–600 | je nach Ausdehnung der Städte | ||
Australien | 5 | 1350 | 315–500 |
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Schaltvorichtung