MKL1888:Feldbefestigungen

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Feldbefestigungen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 18 (Supplement, 1891), Seite 267269
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Feldbefestigungen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 18, Seite 267–269. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Feldbefestigungen (Version vom 11.03.2024)

[267] Feldbefestigungen.[WS 1] Nach allgemeiner Einführung der modernen Schnellfeuerwaffen mit ihrer in so hohem Grade gesteigerten Tragweite, Trefffähigkeit und Durchschlagskraft wird es sich in dem nächsten großen Kriege, in welchem auf jeder Seite Millionen mehr oder weniger ausgebildeter Soldaten kämpfen werden, sehr oft um den Angriff fester Stellungen handeln, die entweder bereits im Frieden vorbereitet sind (Festungen), oder bei Beginn eines Feldzugs, bez. im Verlauf desselben errichtet werden. Die letztern Arten bezeichnet man im allgemeinen als provisorische und Feldbefestigungen; da man aber in neuerer Zeit im Felde nicht nur Erde und Holz, sondern auch Stein und Eisen verwendet, ist die Grenze schwer zu bestimmen, wo die provisorische Befestigung aufhört und wo die Feldbefestigung anfängt, so daß man zweckmäßiger nur von F. und verstärkten F. spricht, welch letztere im Stellungskrieg sehr oft je nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden personellen und materiellen Mittel nach und nach aus erstern entstehen.

Was zunächst die im Felde zu verwendenden Deckungen aus Erde, Holz, Steinen oder Eisen anbetrifft, so widerstehen die bislang als ausreichend erachteten Brustwehrstärken nicht mehr den modernen Schußwaffen. Von dem neuen deutschen Infanteriegewehr werden auf nähere Entfernungen Erdmassen von 100 cm, Tannenhölzer von 40 cm, ja einen Stein starke Ziegelmauern und 10–11 mm starke Stahlplatten glatt durchschlagen; auf größere Entfernungen (z. B. 500 m) nimmt die Durchschlagskraft allerdings wesentlich ab. Daß unter solchen Umständen die Ausführung widerstandsfähiger F. sehr erschwert wird, liegt auf der Hand; man wird sich daher in Zukunft mehr, als bisher geschehen, zunächst auf Deckung gegen Sicht und gegen aus größern Entfernungen wirkende Schußwaffen zu beschränken und die weitere Verstärkung ins Auge zu fassen haben, sobald die nötigen Kräfte zur Verfügung stehen.

Wenn nach frühern Anschauungen die Anwendung der F. den Offensivgeist der Armeen lähmen sollte, geht man jetzt vielfach von der Ansicht aus, daß nicht nur in der Defensive, sondern auch in der Offensive F. in der Regel von großem Nutzen sein werden. Selbst in der deutschen Armee, welche im allgemeinen von jeher das Schanzen für überflüssig, ja schädlich erachtete, sind zur Zeit andre Strömungen bemerkbar. So ist z. B. in den betreffenden neuesten Vorschriften bemerkt, daß rechtzeitig am richtigen Platze hergestellte künstliche Deckungen der Truppe und ihrer Führung wichtige, zuweilen unentbehrliche Dienste leisten (selbst beim Angriff zur Festhaltung und Verstärkung gewonnener Abschnitte), aber unter der Bedingung, daß sie nur den Absichten der Führung [268] dienen, nicht umgekehrt dazu gelangen, sie zu beherrschen. Dies geschieht aber, wenn die Arbeit begonnen wird, bevor die Absicht zweifellos feststeht. Verfrühte Verstärkung des Geländes ist also geradezu schädlich und hemmt die Bewegungsfreiheit. Es bedarf seitens des Führers taktischer Schulung, um zu wissen, wo und wann, nicht bloß wie man das Schanzzeug anwendet.

Es ist anzunehmen, daß in Zukunft die großen Gelegenheitsschlachten, welche im Feldzug 1870/71 eine so große Rolle spielten (z. B. Wörth, Spichern, Colombey-Nouilly, Mars la Tour), möglichst vermieden werden, und daß der Angreifer sich bestreben wird, seine Zwecke mit geringern Opfern zu erreichen. Die sich zum Entscheidungskampf rüstenden Armeen werden daher nicht unterlassen, diejenigen Punkte des voraussichtlichen Schlachtfeldes, welche sowohl beim Vor- als beim Zurückgehen von besonderer taktischer Wichtigkeit sein können, rechtzeitig zu verstärken; ein Warten, bis die Absicht zweifellos feststeht, könnte leicht verhängnisvoll werden, da, wie schon oben bemerkt, widerstandsfähige Befestigungen zu ihrer Ausführung eine erheblich längere Zeit als früher in Anspruch nehmen, und da die Maßnahmen des einen Gegners sehr oft doch von denen des andern abhängen, von zweifellosen, lange vorher zu treffenden Anordnungen also keine Rede sein kann. In der Defensive muß man also das ausgewählte Schlachtfeld entsprechend dem wahrscheinlichsten, bez. möglichen Verlauf des Kampfes befestigen, wobei den Führern überlassen bleiben muß, diese Befestigungen nur dann zu besetzen, wenn dies im Interesse der Verteidigung liegen sollte. Daß durch derartige Befestigungen die Bewegungsfreiheit möglichst wenig beschränkt werden darf, ist eine von einsichtigen Offizieren schon seit langen Jahren scharf betonte Forderung.

Handelt es sich z. B. um die Befestigung eines von Ortschaften, Gehöften, Gehölzen und Wasserläufen durchschnittenen hügeligen Geländes, so wird es darauf ankommen, zunächst die eine gute Feuerwirkung gestattenden Höhenzüge zur Hauptverteidigungsstellung und zwar durch Einschneiden der Geschütze sowie durch Anlage von ausgedehnten Schützengräben (möglichst in 2–3 Reihen übereinander) zur hartnäckigsten Verteidigung vorzubereiten, und dieser Stellung, sei es durch Befestigung von kleinen Dörfern, Gehöften und Gehölzen, sei es durch Anlage von besondern, möglichst sturmfrei herzustellenden, nach allen Seiten hin Front machenden Erdwerken, feste Stützpunkte zu geben. Diese Stützpunkte müssen deren Besatzung befähigen, sich beim heftigen Vorstoßen des Gegners länger zu halten als die der benachbarten Schützengräben und letztere selbst derartig beherrschen, daß ein Festsetzen des eingedrungenen Feindes in denselben verhindert, auch das rechtzeitige Eingreifen heranrückender Reserven ermöglicht werden kann.

Während man früher diese Stützpunkte in regelmäßigen Formen gestaltete (Lünette, Flesche, Halbredoute), bestrebt man sich neuerdings, sowohl den Grundriß als die Profilierung derart anzuordnen, daß sich das Werk dem Gelände anpaßt und sich gleichzeitig möglichst wenig vom Horizont abhebt. Man wählt daher gern eine langgestreckte, in den Ecken abgerundete Form mit niedrigen Traversen zur Sicherung der auf den Flanken stehenden Verteidiger gegen Seitenfeuer. Gestatten es die Verhältnisse, so ist die Bildung von Gruppenbefestigungen, wie solche neuerdings für große Waffenplätze vielfach zur Ausführung gebracht, bez. geplant sind (vgl. Festungen und Festungskrieg), auch für die Befestigung von Schlachtfeldern von großem Vorteil. Solche aus einzelnen befestigten Gehöften, Gehölzen, Schanzen, Schützen-, Deckungs- und Verbindungsgräben zu bildende Gruppen sind dann einem geschlossenen Truppenteil (Bataillon oder Regiment) zur Besetzung und Verteidigung zu überweisen, wobei die Besatzung jedes festen Stützpunktes (Kompanie) den bestimmten Befehl erhalten muß, sich nicht darum zu kümmern, was draußen geschieht, ob die benachbarten Stellungen (sie mögen befestigt sein oder nicht) behauptet oder aufgegeben werden, ob der Feind das ganze Gefechtsfeld überflutet und den Stützpunkt zur Insel macht; nur höherer Befehl rechtfertigt das Aufgeben eines solchen Postens. In der Behauptung der Stützpunkte liegt (wie lehrreiche Beispiele in der Schlacht von Noisseville 31. Aug. 1870 beweisen) vor allem die Möglichkeit des Wiedergewinnens der notgedrungen aufgegebenen Stellungen, bez. des ganzen Schlachtfeldes.

Von der früher so beliebten Herstellung von ausgedehnten Fronthindernissen wird man, da durch dieselben einerseits die Bewegungsfreiheit, anderseits die Waffenwirkung bei den in der Regel niedrigen Erhebungen der Feuerlinien sehr beeinträchtigt wird, meistens Abstand zu nehmen haben, und dies erscheint heute um so gerechtfertigter, als die modernen Infanteriegewehre auf nähere Entfernungen in geradezu vernichtender Weise wirken. Ein besonderes Gewicht ist bei Einrichtung solcher Stellungen auf möglichst gute Flankendeckung zu legen, da jeder Angreifer sich, wie es z. B. am 18. Aug. 1870 bei St.-Privat der Fall war, bestreben wird, dem in fester Stellung stehenden Feinde die Flanke abzugewinnen, falls ein Frontalangriff zu große Opfer erfordern sollte.

Vor der Hauptverteidigungsfronte noch ravelinartige feste Posten anzuordnen, erscheint bedenklich, obgleich man sich im deutsch-französischen Kriege noch vielfach in mangelhaft befestigten, weit vorgeschobenen Posten schlug (z. B. le Bourget vor Paris). Man wird derartige vorgeschobene Posten nur zur Sicherung der Vorposten in ihren feindwärts gelegenen Fronten leicht befestigen, die Kehlen dagegen öffnen, um dem Angreifer die Festsetzung in diesen Posten zu erschweren; rückt der Feind mit starken Kräften vor, so müssen derartige Posten in der Regel sofort aufgegeben werden. Hält man aber ein solches Verfahren für unzulässig, so beweist das nur, daß die Hauptverteidigungsstellung nicht richtig gewählt ist und dieselbe mehr den Charakter einer Reservestellung besitzt, deren Befestigung zwar manchmal erwünscht, aber nicht immer erforderlich erscheint. Daß für die Sicherung der Verbindungen in der gewählten Stellung durch Herstellung von Kolonnenwegen, zahlreichen Brücken über die Flußläufe, Telegraphenanlagen, Beobachtungsposten, Beleuchtungsvorrichtungen u. dgl. in ausgiebigster Weise Sorge zu tragen ist, bedarf keiner weitern Ausführung.

Da ein Angriff auf eine gut gewählte und stark verschanzte Stellung bei hellem Tage über das freie Feld hinweg die schwersten Opfer erfordern, ja sehr oft unmöglich sein wird (Gravelotte, St. Privat, Plewna), so dürften in Zukunft nächtliche Unternehmungen eine weit größere Rolle spielen als in den letzten Kriegen, welche freilich außerordentliche Anforderungen an die Führung sowie die Disziplin der Truppen erheischen. Genaue Kenntnis der feindlichen Stellung und der zu derselben führenden Wege, bestimmte Befehlsgebung, eingehende Belehrung der [269] Truppen, größte Ruhe, Zuteilung zahlreicher Pioniere mit sogen. Sturmgerät, unter Umständen auch mit elektrischen Scheinwerfern (welche selbstverständlich erst dann in Thätigkeit zu treten haben, wenn der Verteidiger den Angreifer entdeckt hat), sind Grundbedingungen des Erfolgs. Wenn auch die feindlichen Stellungen nicht beim ersten Anlauf genommen werden sollten, so wird doch sehr oft das Festsetzen in nahe vor der Hauptverteidigungslinie belegenen, taktisch wichtigen Punkten gelingen, und es wird dann darauf ankommen, diese Punkte zur hartnäckigsten Verteidigung vorzubereiten sowie ausgedehnte Schützengräben auszuheben, von welchen aus bei Tagesanbruch das Feuergefecht eröffnet werden kann, unterstützt von den rückwärtigen, gleichfalls einzuschneidenden Batterien. Wenn künstlicher Rauch entwickelt wird, so lassen sich derartige Befestigungen unter gewissen Verhältnissen auch bei hellem Tage ausführen, bez. verstärken. Bei weiterm Vorschreiten des Angriffs werden die eroberten Stellungen in der Regel gleichfalls zur Verteidigung vorzubereiten sein, so daß der ganze Kampf in vielfachen Beziehungen mit einem beschleunigen Angriff auf Festungswerke in Vergleich gezogen werden kann.

In neuester Zeit haben die der Feldbefestigung zu Gebote stehenden Mittel einen wesentlichen Zuwachs durch die mit leichten Schnellfeuerkanonen armierten Schumann-Grusonschen fahrbaren Panzerlafetten erhalten, welche seitens der deutschen Armee bereits bei verschiedenen Stellungsbefestigungen (Küstrin, Spandau, Korpsmanöver des 10. Armeekorps, Lötzen) erprobt worden sind. Nachdem die im September 1890 vom Grusonwerk angestellten Fahr- und Schießversuche mit derartigen Lafetten ergeben haben, daß die Transportfähigkeit derselben den in Zukunft bei der Verteidigung und dem Angriff allgemein zur Verwendung kommenden Festungskanonen, Haubitzen und Mörsern mittlern Kalibers gleich zu schätzen, so ist anzunehmen, daß Verteidiger wie Angreifer wenigstens bei an den Landesgrenzen geplanten Schlachten und bei günstigen Bodenverhältnissen von dieser neuen Schutzwaffe einen mehr oder weniger ausgedehnten Gebrauch machen werden.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vgl. Feldbefestigung im Hauptteil (Band 6).