MKL1888:Fahrlässigkeit

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Fahrlässigkeit“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 5 (1886), Seite 1020
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Fahrlässigkeit. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 5, Seite 1020. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Fahrl%C3%A4ssigkeit (Version vom 28.12.2022)

[1020] Fahrlässigkeit (Culpa), diejenige Handlungsweise, durch welche eine von dem Thäter nicht beabsichtigte Rechtsverletzung herbeigeführt wird, die von ihm bei einer unter den vorliegenden Umständen vorauszusetzenden oder ihm besonders obliegenden Aufmerksamkeit und Überlegung hätte vermieden werden können. Die regelmäßige Folge einer derartigen fahrlässigen Handlung ist die Verpflichtung des Fahrlässigen zum Ersatz des dadurch verursachten Schadens (s. Culpa). In manchen Fällen erscheint die Rechtsverletzung aus F. jedoch so stark, daß die bloße privatrechtliche Entschädigung des Verletzten als genügend zur Sühne des begangenen Unrechts nicht zu betrachten, vielmehr eine öffentliche Bestrafung des Fahrlässigen geboten ist. Die moderne Strafgesetzgebung läßt jedoch eine kriminelle Bestrafung der F. nur bei bestimmten Vergehen zu, indem sie in Ansehung derselben eine fahrlässige Übertretung der betreffenden Strafgesetze ausdrücklich für strafbar erklärt. Mit Recht ist in diesen Fällen das Strafmaß ein weit geringeres als bei der entschieden strafwürdigern Übertretung der Strafgesetze mit böswilliger Absicht. Als straferhöhendes Moment ist es im Gesetz bezeichnet, wenn der Thäter zu der Aufmerksamkeit, die er fahrlässigerweise aus den Augen setzte, vermöge seines Amtes, Berufs oder Gewerbes besonders verpflichtet war. Nach dem deutschen Reichsstrafgesetzbuch insbesondere sind es folgende Vergehen, welche auch aus F. begangen werden können: Meineid (§ 163), Tötung (§ 222), Körperverletzung (§ 230), Vollstreckung einer ungesetzlichen Strafe von seiten eines Beamten (§ 345), F. beim Entweichen eines Gefangenen (§ 121, 347), endlich die sogen. gemeingefährlichen Verbrechen, wie Brandstiftung, Gefährdung eines Eisenbahntransports u. dgl. (vgl. § 309, 314, 316, 318, 326 und 329). Bei den meisten Polizeivergehen wird mit Rücksicht auf den polizeilichen Charakter derartiger Strafbestimmungen die fahrlässige Übertretung ebensowohl wie die vorsätzliche Verletzung der Polizeigesetze bestraft. Vgl. Bruck, Zur Lehre von der strafrechtlichen F. (Bresl. 1885).