Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Eukleides“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 5 (1886), Seite 904905
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Eukleides. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 5, Seite 904–905. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Eukleides (Version vom 11.04.2021)

[904] Eukleides (Euklīd), 1) erster Archon in Athen 403 v. Chr. nach der Vertreibung der Dreißig Tyrannen, unter dem die Wiederherstellung der Solonischen Verfassung unter allgemeiner Revision der Gesetze stattfand, wobei das ionische (Eukleidische) Alphabet an der Stelle des alten in Staatsschriften eingeführt ward.

2) Griech. Philosoph, Stifter der megarischen Schule, aus Megara, nach sehr unbegründeten Angaben aus Gela in Sizilien gebürtig, lebte zur Zeit des Peloponnesischen Kriegs. Anfangs ein Anhänger der eleatischen Philosophie, schloß er sich später an Sokrates an; da den Megarensern der Besuch Athens bei Todesstrafe verboten war, schlich er sich nachts in Weiberkleidern in die Stadt, um jenen zu hören, war auch bei dessen Tod gegenwärtig und nahm sodann die zerstreuten Schüler desselben in Megara bei sich auf. Er begründete die Richtung der megarischen Philosophie, in deren Grundsätzen sich der Einfluß der eleatischen Lehre darin kundgibt, daß sie den Satz aufstellte, das Seiende sei Eins, während der Einfluß des Sokrates darin hervortritt, daß sie hinzufügt, das Eins sei das Gute. Besonders pflegte er die dialektische Seite der eleatischen Philosophie, so daß ihm Sokrates bemerkt haben soll, er könne wohl Sophisten, aber nicht Menschen gewinnen. Seine Schule wurde deshalb die eristische, später die dialektische genannt. Seine Logik verwarf alle Schlüsse aus Induktion und ließ bloß reine Vernunftschlüsse zu. Auch den Beweis aus Analogie erkannte er nicht an, weil, wenn Ähnlichkeit stattfinde, diese erst erwiesen werden müsse, bei Unähnlichkeit aber nichts dadurch zu gewinnen sei. Von den Schriften des E. hat sich nichts erhalten. Vgl. Mallet, Histoire de l’école de Mégare (Par. 1845); Henne, École de Mégare (das. 1843).

3) E., der Vater der Geometrie, von dessen Lebensumständen wenig bekannt ist, war nach einigen aus Ägypten, nach des Syrers Abulpharagius Angabe aber aus Tyros gebürtig und lebte um 300 v. Chr. in Alexandria am Hof des Ptolemäos Lagi. Von den uns erhaltenen Schriften des E. sind am bekanntesten die „Stoicheia“, d. h. Elemente der reinen Mathematik, in 15 Büchern, von denen die beiden letztern indes wahrscheinlich den Alexandriner Hypsikles um 160 v. Chr. zum Verfasser haben. Dieses Werk hat alle frühern mathematischen Elementarwerke der Griechen verdrängt. Schon im 12. Jahrh. wurde es teilweise aus dem Arabischen ins Lateinische übertragen. Die erste Ausgabe gab Grynäus (Basel 1533), andre lieferten Camerer und Hauber (Berl. 1824–25, 2 Bde.), Neide (Halle 1825), die beste August (Berl. 1826–29, 2 Bde.); deutsche Übersetzungen Lorenz (Halle 1781, 6. Aufl. 1840; die 6 ersten Bücher nebst dem 11. und 12. Buch nach der Übersetzung von Lorenz neu hrsg. von Hartwig, das. 1860) und Hoffmann (Mainz 1829). Eine zweite noch vorhandene Schrift, „Data“, welche von neuern Mathematikern nicht minder hoch geschätzt wird, enthält 95 geometrische Theoremata als Einleitung in die geometrische Analysis, herausgegeben von Wurm (Berl. 1825). Die Schrift „Phaenomena“ behandelt den Auf- und Untergang der Gestirne, herausgegeben von Hunt (Oxf. 1707). Außer den genannten Schriften werden dem E. namentlich noch „Anfangsgründe der Optik“ und „Anfangsgründe der Katoptrik“ beigelegt; doch schreibt man sie wohl mit mehr Recht dem Theon von Alexandria zu. Die hierher gehörigen „Anfangsgründe der Musik“ gab Pena heraus (Par. 1557). Eine Schrift „De divisionibus“ ist bloß in einer aus dem Arabischen stammenden lateinischen Übersetzung vorhanden, doch vielleicht echt; sie handelt über die Einteilung der Flächen. Eine Schrift über die Kegelschnitte ist verloren. Bruchstücke sind [905] vorhanden aus einem Werk „De levi et ponderoso“ in lateinischer Sprache. Verloren gegangen sind drei Bücher „Porismen“, deren Inhalt sich aber aus den Angaben des Pappus mit großer Wahrscheinlichkeit ergibt; vgl. Chasles, Les trois livres de Porismes d’Euclide, etc. (Par. 1860). Ein Gedicht in der griechischen Anthologie scheint nicht von E. verfaßt, sondern an ihn gerichtet zu sein. Ausgaben der Werke des E. besorgten Gregory (Oxf. 1703), Peyrard (Par. 1814–18, 3 Bde.) und Heiberg und Menge (Leipz. 1883 ff.). Vgl. Cantor, E. und sein Jahrhundert (im Supplement zu Schlömilchs „Zeitschrift der Mathematik und Physik“, Bd. 12, 1868); Heiberg, Litterargeschichtliche Studien (Leipz. 1882); Dodgson, Euclid and his modern rivals (Lond. 1879).