Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Elen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 5 (1886), Seite 546547
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Elen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 5, Seite 546–547. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Elen (Version vom 30.05.2021)

[546] Elen (Elch, Elenhirsch, Elentier, Alces H. Sm.), Säugetiergattung aus der Ordnung der Huftiere und der Familie der Hirsche (Cervina) mit der einzigen Art. A. palmatus Gray (Cervus alces L.). Dies ist bis 2,9 m lang, 1,9 m hoch, mit etwa 10 cm langem Schwanz, bis 500 kg schwer, mit verhältnismäßig kurzem, dickem Leib, kurzem, starkem Hals, großem, langgestrecktem Kopf mit langer, dicker, aufgetriebener Schnauze, kleinen, matten Augen, unbedeutenden Thränengruben, großen Ohren und beim Bock mit einem Geweih (s. Figur), welches aus einer großen, einfachen, sehr ausgebreiteten, dreieckigen, platten, schaufelförmigen, gefurchten Krone besteht, die am Rand mit zahlreichen Zacken besetzt ist und von kurzen, dicken, gerundeten Stangen auf kurzen Rosenstöcken getragen wird. Die Beine sind sehr hoch und stark, die Hufe schmal, tief gespalten, mit einer Bindehaut versehen; die Afterklauen berühren leicht den Boden. Die Behaarung ist lang, dicht, straff, rötlichbraun, an der Nackenmähne, die sich auf Hals und Vorderbrust fortsetzt, und an den Kopfseiten glänzend dunkel schwarzbraun, an den Beinen weißlich aschgrau. Das E. lebt in morastigen Wäldern rudelweise von den Rinden, Knospen und Blättern der Bäume, namentlich von Weidenschößlingen, und ist daher der Waldkultur schädlich, während es Feld- und Baumfrüchte nicht nimmt. Es trottet sehr schnell und mit unglaublicher Ausdauer, geht gern ins Wasser, ist weit weniger scheu als Edelwild, nimmt verwundet den Jäger ohne weiteres an und weiß sich auch der Wölfe zu erwehren. Die Brunstzeit fällt in den Ostseeländern in den August. Das Weibchen setzt im April oder Mai das erste Mal nur ein, später immer zwei Kälber, welche es fast bis zur nächsten Brunstzeit besaugen. In Europa findet sich das E. in den baltischen Niederungen, in Litauen, Kur- und Livland, Schweden, Norwegen und an einigen Stellen Großrußlands. Im ostpreußischen [547] Forst Ibenhorst bei Tilsit befindet sich noch unter strengster Schonung ein Bestand von ca. 80 Stück und in einigen andern Oberförstereien des Regierungsbezirks Königsberg zusammen noch 60 Stück. In Asien bewohnt es viel zahlreicher alle ausgedehnten Wälder des Nordens bis an den Amur. Das nordamerikanische Moosetier (Orignal der Franzosen, A. americanus), dessen Artselbständigkeit mindestens zweifelhaft ist, hat tief eingeschnittene Geweihschaufeln mit gesonderten Augensprossen, eine schwach behaarte Kehlwamme, dunkleres Haar, und seine Geweihe sind weit stärker und schwerer als die unsrer Elche. Es findet sich in Kanada, Alaska, New Brunswick und an der Fundybai und wird dort eifrig gejagt, indem man es ins Wasser treibt und vom Boot aus erschlägt. Das Fleisch des Elens, besonders

Kopf des Elens.

von jüngern Tieren, ist schmackhaft, steht aber dem des Rotwildes nach; die knorpeligen Stangen, Ohren und Zungen gelten bei den nördlichen Völkern als Leckerbissen, und die Haut gibt ein festes, weiches Leder. Gustav Adolf trug bei Lützen einen Koller von Elenhaut. Die Knochen sind fest und weiß, lassen sich wie Elfenbein verarbeiten und vergilben nicht. Auch das Geweih ist für verschiedene technische Zwecke brauchbar. Die Klauen dienten früher als Heilmittel gegen Epilepsie, und Halsbänder davon wurden Kindern als Amulette gegen jenes Übel umgehängt. Das E. war in alter Zeit in Deutschland weitverbreitet und häufig. Cäsar spricht von seinem Vorkommen im Hercynischen Wald; in der Zeit zwischen 238 und 244 n. Chr. wurden zehn Tiere nach Rom gebracht, und Aurelian ließ sich mehrere in seinem Triumphzug voranführen. Im Mittelalter wird das Tier oft erwähnt, auch im Nibelungenlied neben dem Schelch (Riesenhirsch), Wisent und Auerochsen, die sämtlich im Wasgenwald vorkamen. Unter Otto d. Gr. wird das E. als Elo oder Schelo in einer Urkunde erwähnt, ebenso noch unter Konrad II. 1025. Olaus Magnus gab die ersten nähern Nachrichten über das E. Nach Kantzow lebte es 1530 auf den pommerschen Heiden; in Sachsen wurde das letzte E. 1746 erlegt, und in Schlesien, vielleicht auch in Pommern, hielt es sich noch 30 Jahre länger. In Ostpreußen war es damals noch weitverbreitet, aber nach dem Siebenjährigen Krieg erging schon ein Gebot zur Schonung des Elchwildstandes. Vgl. Brandt, Beiträge zur Naturgeschichte des Elens (Petersb. 1870); Altum, Die Geweihbildung beim Elchhirsch (Berl. 1875).