Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Elektromotoren“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 5 (1886), Seite 541
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Elektromotoren. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 5, Seite 541. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Elektromotoren (Version vom 19.04.2021)

[541] Elektromotoren (griech., Elektrizitätserreger), die Körper, welche bei gegenseitiger Berührung Elektrizität erregen; auch alle Vorrichtungen, durch welche ein elektrischer Strom erregt wird, nämlich galvanische Elemente und Batterien, Thermosäulen, magnetelektrische und dynamoelektrische Maschinen. E. nennt man bisweilen auch die elektrischen Bewegungsmaschinen (analog Gasmotor etc.).


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 246249
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[246] Elektromotoren, Maschinen, welche, mit elektrischem Strom gespeist, mechanische Arbeit leisten. Von der Zeit ab, wo man mechanische Energie in elektrische mittels elektrischer Maschinen umzusetzen gelernt hatte, bedurfte es lediglich nur noch eines äußern Anstoßes, um umgekehrt elektrische Energie in mechanische überzuführen. Die notwendigsten Bestandteile zu dieser Umsetzung waren im Prinzip bereits durch die Konstruktion der elektrischen Maschinen gegeben; man brauchte nur umgekehrt Strom in die elektrische Maschine zu senden, so begann die elektrische Maschine sich zu drehen und konnte zum Antrieb irgend welcher Vorrichtungen, also als Arbeitsmaschine (als Elektromotor), benutzt werden. Immerhin aber war die Umkehrung nur unmittelbar bei den Gleichstrommaschinen und etwa bei den neuen Mehrphasenstrommaschinen möglich; bei Wechselstrommaschinen dagegen nur unter gewissen Bedingungen, oder wenn an der Maschine noch besondere Vorrichtungen angebracht waren (s. unten). Durch die bloße Umkehrung war die Konstruktion von E. [247] auch bei den Gleichstrommotoren nur im Prinzip gelöst. Eine fernere Ausbildung mußte ihr Hauptaugenmerk darauf richten, die Motoren ihrer Aufgabe gemäß passend einzurichten. Anders sind die Anforderungen, welche man an eine stromgebende Maschine stellt, anders jene, welche die mechanische Arbeitsleistung bezwecken. Und wenn z. B. auch eine und dieselbe Gleichstrommaschine ebensogut als Maschine wie als Motor arbeitet und es auch eine ganze Reihe von Fällen gibt, wo einfach gewöhnliche Gleichstrom-Lichtmaschinen als Motoren verwendet werden können, so gibt es doch noch manche Punkte, welche besonders bei den Motoren von höchster Bedeutung sind. Zunächst soll ein Motor möglichst wenig Bedienung und Beaufsichtigung erfordern. Diese Bedingung tritt bei elektrischen Maschinen lange nicht so in den Vordergrund, da Bedienungspersonal schon an und für sich stets vorhanden sein muß. Zu Erfüllung dieser Bedingung müssen z. B. bei Gleichstrommotoren die Bürsten am Kommutator auch ohne Verstellung bei jeder Belastung möglichst ohne Funkenbildung arbeiten, was durch ein besonders kräftiges magnetisches Feld erreicht wird. Sie müssen ferner kompakt und solide gebaut sein, wenig Platz einnehmen und gegen äußere Einwirkungen (Feuchtigkeit, Staub etc.) möglichst unempfindlich sein. Anderseits wird in vielen Fällen eine geringe Tourenzahl gefordert, da die meisten der anzutreibenden Arbeitsmaschinen bei einer solchen arbeiten. Teilweise werden, wie z. B. bei elektrischen Bahnen, sehr vielfache Forderungen, wie geringes Gewicht, hohe Leistung, geringe Rauminanspruchnahme, leichte Zugänglichkeit zu den einzelnen Teilen, geringe Tourenzahl und hohe Zugkraft beim Anfahren zugleich gefordert; andre Betriebe verlangen eine unveränderliche Geschwindigkeit trotz variabler Belastung u. a. Kurzum, der Motor muß seinen jeweiligen Zwecken angepaßt sein, und diese sind zu verschieden und vielfältig, als daß man eine nur für Lichtzwecke bestimmte Maschine allenthalben als Motor verwenden könnte.

Gleichstrommotoren sind lediglich Gleichstrommaschinen, in welche der elektrische Strom eingeleitet wird und die dann Arbeit leisten. Bei Gleichstrom läßt sich also eine und dieselbe Maschine als stromerzeugende Maschine oder als Motor verwenden. Immerhin ist das Bestreben nicht zu verkennen, einem Motor eine seiner speziellen Aufgabe angemessene Gestaltung zu geben. Es ist ein ander Ding, Licht zu geben, als mechanische Arbeit zu leisten. Letztere z. B. verlangt eine mäßige Tourenzahl der Antriebsmaschine, und so ist man denn auch bei der Konstruktion von Motoren vorwiegend daraufhin ausgegangen, langsam laufende zu erzielen. Ferner sind in vielen Fällen Motoren von 1/20 bis 1 Pferdekraft am meisten gesucht, während man Lichtmaschinen von dieser geringen Stärke nie bauen wird, da sie zu klein sind, um in Anlagen Verwendung zu finden.

Wechselstrommotoren sind elektrische Maschinen, welche, mit Wechselstrom gespeist, motorische Arbeit zu leisten im stande sind. Vorausgeschickt sei, daß die Leistung motorischer Arbeit mittels gewöhnlichen Wechselstroms ein Problem ist, welches wohl nie für alle praktisch möglichen Fälle gelöst werden wird. Es sind allerdings eine Unzahl verschiedener Methoden angegeben worden, welche diesen Zweck erreichen sollen, allein bis heute gibt es nur zwei Arten von Wechselstrommotoren, welche bis zu einem gewissen Grade und bedingungsweise praktisch brauchbar sind, und zwar 1) die Wechselstrommaschine als Motor und 2) den synchronen Motor der Firma Ganz u. Komp.; allein die Wechselstrommaschine hat den fundamentalen Mangel, daß sie, mit Wechselstrom gespeist, erst dann als Motor arbeitet, wenn sie auf eine bestimmte Geschwindigkeit gebracht worden ist, und der Motor von Ganz u. Komp. hat darin eine tiefgreifende Beschränkung, daß er, wiewohl er von selbst anläuft, beim Anlaufen keine Zugkraft entwickelt, bis er eine bestimmte Geschwindigkeit erreicht hat, und daß er nicht mit hoher Spannung betrieben werden kann.

Die Wechselstrommaschine als Motor zu betreiben erfordert zunächst, daß die Elekromagnete mittels gleichgerichteten Stromes erregt werden, ferner muß die Maschine auf eine solche Geschwindigkeit gebracht werden, daß die Ankerspulen des Motors gleichzeitig (synchron) wie die Ankerspulen der stromgebenden Wechselstrommaschine vor den Elektromagnetpolen vorübergehen. Schaltet man schon früher ein, so werden gegebenen Falles in einem Augenblick zwar die Ankerspulen von den Magnetpolen in der gewünschten Richtung angezogen werden; ehe sich jedoch die Ankerspulen bis zu einer solchen Stellung hinsichtlich der Magnetpole bewegt haben, daß eine Umkehrung der Stromrichtung den Ankerspulen zur Weiterbewegung notwendig wird, tritt schon bei der Erzeugermaschine der Wechsel in der Richtung des Stromes ein, und die Motorspulen, die eben noch nach einer bestimmten Richtung angezogen wurden, werden wieder abgestoßen; der Motor kommt zum Stehen. Der Wechselstrom kann also bei einer Wechselstrommaschine nur dann eine Bewegung aufrecht erhalten, wenn die Ankerspulen des Motors wie des Generators gleichzeitig vor den Magnetpolen vorbeigehen, dann allein trifft der Wechsel in der Stromrichtung den Motoranker immer gerade in jenem Moment, wo er eines Stromwechsels bedarf. Ist diese Geschwindigkeit einmal erreicht und wird in diesem Moment die Maschine eingeschaltet, so läuft sie als Motor mit der gleichen Geschwindigkeit weiter, ohne daß plötzliche Belastungen sie aus ihrem Tempo zu bringen vermöchten. Tritt jedoch eine plötzliche Überlastung ein und läßt der Motor infolgedessen nur äußerst wenig in seiner Umdrehungszahl nach, so kommt er sofort zum Stillstand. Zwei Dinge sind somit zum Betrieb von Wechselstrommaschinen als Motoren dringend notwendig: 1) Gleichstrom für die Magnete und 2) eine Maschine, welche sie zunächst auf die synchrone Geschwindigkeit bringt. Beide Erfordernisse sind z. B. bei einer Wechselstromgleichstromzentrale (s. Elektrische Zentralstationen) mit Akkumulatoren vorhanden; die Akkumulatoren geben Gleichstrom für die Magneterregung, außerdem bringen sie vermittelst der Gleichstrommaschine, die zunächst als Motor läuft, die Wechselstrommaschine auf die synchrone Geschwindigkeit.

Der Wechselstrommotor von Ganz u. Komp., Budapest, konstruiert durch die bekannten Ingenieure Zipernowskij, Déri und Blathy, wird lediglich durch Wechselstrom gespeist. Die Ankerwelle trägt einen Stromwender, auf welchem zwei Bürsten gleiten, die mit der Magnetwickelung verbunden sind. Der Anker erhält direkt Wechselstrom. Das Prinzip ist folgendes: Wird Wechselstrom eingeleitet, so erhalten Anker- und Magnetspulen in einem bestimmten Augenblick eine solche Polarität, daß etwa der Anker in einer bestimmten Richtung angezogen wird. Diese Anziehung dauert noch an, wenn [248] auch ein Wechsel in der Richtung des Stromes eintritt, da dann sowohl im Anker wie in den Magnetspulen die Stromrichtung umgekehrt wird, die magnetischen Verhältnisse also dieselben bleiben. Dies geht so lange, bis die Ankerspulen gerade einem Magnetpol gegenüberstehen, von da ab würde nun eine Anziehung nach der entgegengesetzten Seite erfolgen, die begonnene Bewegung also gehemmt werden, wenn nicht jedesmal in diesem Augenblick in den Magnetspulen durch den Stromwender der Strom gewendet würde. Daher erfolgt trotzdem eine Anziehung und Bewegung des Ankers immer in der gleichen Richtung, und die Bewegung nimmt zu, bis die Ankerspulen des Motors gleichzeitig mit jenen der Maschine vor den Magnetpolen vorbeigehen. In diesem Falle erhalten auch die Magnete stets Strom gleicher Richtung, denn in dem Augenblick, wo der Strom wechseln will, gehen die Bürsten von dem einen Stromwendersegment auf das andre über. Von diesem Zeitpunkt ab arbeitet der Motor mit Kraft. Das Angehen dieser Motoren geht unter lebhafter Funkenbildung am Stromwender vor sich. Da ferner zwei aufeinander folgende Segmente des Stromwenders die ganze Spannung führen, so darf man die Spannung nicht hoch wählen, da sie sonst zwischen den Segmenten direkt überginge. Der Ganzsche Wechselstrommotor ist also nur für niedere Spannung brauchbar. Bei hoher Spannung müßte man erst mittels eines Transformators die hohe Spannung auf niedere umsetzen.

Fig. 1. Fig. 2.
Fig. 1 u. 2. Erzeugung eines rotierenden magnetischen Feldes.

Mehrphasenstrom- (Drehstrom-) Motoren sind Maschinen, welche, mit Mehrphasen- (Dreh-)strom gespeist, elektrische Energie in mechanische umsetzen. Das Prinzip, auf welchem sie beruhen, ist folgendes: Schon Arago hatte beobachtet, daß, wenn eine horizontale Kupferscheibe um eine vertikale Achse, über deren Mitte sich eine Magnetnadel in horizontaler Ebene frei drehen kann, in rasche Umdrehungen versetzt wird, die Magnetnadel alsbald in der gleichen Richtung zu rotieren beginnt. Es werden nämlich in der Kupferscheibe bei ihrer Rotation vor den Polen der Magnetnadel Ströme induziert, die vermöge ihrer elektrodynamischen Gegenwirkung die Nadel anziehen und mitreißen. Die Drehstrommotoren bilden die einfache Umkehrung; es rotiert der Magnetismus und induziert in einem passend eingerichteten Anker Ströme, welche letztern zwingen, der Rotation des Magnetismus zu folgen. Die Rotation des Magnetismus (und dies ist der zweite Unterschied) wird jedoch nicht dadurch erzielt, daß man einen Magneten mechanisch in Drehung versetzt, nein, man erzeugt diese Rotation auf elektrischem Wege mit Hilfe des Mehrphasenstroms und erhält somit mittels dieses Stromes eine Bewegung des Ankers, welche motorische Arbeit zu leisten im stande ist. Die wesentlichste Eigenschaft des Mehrphasenstroms ist also jene, ein Rotieren des Magnetismus (ein rotierendes magnetisches Feld) zu erzeugen. Der Vorgang ist wie folgt: Ein Eisenring (s. Fig. 1) sei mit drei Wickelungen (genau wie der Anker der Mehrphasenstrommaschine) bedeckt, von welchen jede ein Drittel des Ringumfanges einnimmt. Die Anfänge der drei Wickelungen sind untereinander verbunden und die drei Enden an die drei Leitungen (1, 2, 3) einer Mehrphasenstrommaschine angelegt. Dadurch erhalten die drei Wickelungen des Ringes Ströme, deren Phasen um 120° verschoben sind, d. h., während eine Wickelung gerade ein Maximum der Stromintensität durchfließt, wird die zweite Wickelung erst, nachdem sich der Anker der Mehrphasenstrommaschine um 120° weiter gedreht hat, ein Maximum der Stromintensität besitzen u. s. f., und diese Abnahme der Stromstärke in der einen und die Zunahme derselben in der zweiten Wickelung geht so allmählich vor sich, daß der durch die Ströme im Eisen des Ringes erregte Magnetismus mit seinem Maximum ganz allmählich von der einen Spule nach der zweiten und dann natürlich auch nach der dritten übergeht; die magnetische Achse des infolge der drei stromdurchflossenen Wickelungen im Ringeisen erregten Magnetismus rotiert in einer bestimmten Richtung und mit einer Schnelligkeit, welche der Rotation des Ankers der Mehrphasenstrommaschine entspricht. Ist nun im Innern des Ringes eine Kupferscheibe S um die Achse c drehbar, so wird sie infolge des rotierenden Magnetismus mitgerissen. Die Schaltung der Ringwickelungen kann selbstverständlich auch wie in Fig. 2 gestaltet sein. Versuche haben ergeben, daß man als Anker nicht eine Kupferscheibe benutzen soll, sondern einen Eisenkern mit einer Anzahl in sich kurz geschlossener Windungen.

Das wesentlichste der Mehrphasenstrommotoren ist das rotierende magnetische Feld. Zuerst wurde es angegeben von Ferraris, und zwar erzielte er es durch zwei um 90° verschobene Wechselströme; letztere erzeugte er dadurch, daß er einen gewöhnlichen einphasigen Wechselstrom in zwei Zweige zerlegte, von welchen der eine einen großen Widerstand und geringe Selbstinduktion, der zweite einen geringen Widerstand und eine hohe Selbstinduktion besitzt. Die Selbstinduktion verursacht, daß der Strom in dem letztern Zweig gegen jenen im erstern Zweig um eine gewisse Phase verschoben ist. Praktische Brauchbarkeit hat indes der nach diesem Prinzip konstruierte Motor mit rotierendem magnetischen Feld nicht erlangt. Tesla ist einen Schritt weiter gegangen und erzeugte gleich in der Maschine selbst zwei um 90° verschobene, voneinander unabhängige Wechselströme und erzielte dadurch zuerst praktisch einigermaßen brauchbare Motoren. Einen fernern Fortschritt müssen wir darin erblicken, daß man drei um 120° verschobene Wechselströme nahm und zu ihrer Fortleitung nur drei Leitungen benötigte. Im allgemeinen ist die Leistung motorischer Arbeit mit Mehrphasenstrom um so günstiger, je mehr einzelne gegeneinander verschobene Wechselströme ihn bilden. Da man nun einerseits für die Fortleitung jedes einzelnen Wechselstromes zum mindesten eine Leitung benötigt, so würde die Zahl derselben (wollte [249] man dieser Thatsache ohne Grenzen Rechnung tragen) doch über das praktische Maß steigen, und so ist man mit Rücksicht auf die Praxis bei drei Strömen und drei Leitungen stehen geblieben. Neuerdings aber ist es durch eine besondere Schaltung der Wickelungen des Motors gelungen, selbst mit nur drei phasenverschobenen Wechselströmen und demgemäß auch nur drei Zuleitungen 6, 12 und mehr phasenverschobene Wechselströme im Motor selbst zur Verfügung zu haben; jedoch ist näheres noch nicht an die Öffentlichkeit gelangt, wiewohl diese Errungenschaft von ganz hervorragendem Interesse für die weitere Ausbildung der Mehrphasenstrommotoren sein wird. Eine praktische Verwendung haben diese Motoren vor allem bei der bekannten Lauffener Kraftübertragung gewonnen (s. Elektrische Kraftübertragung).