Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Einheitszeit“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Einheitszeit“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 19 (Supplement, 1892), Seite 206207
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: [[{{{Wikisource}}}]]
Wikipedia-Logo
Wikipedia: Zonenzeit
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Einheitszeit. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 19, Seite 206–207. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Einheitszeit (Version vom 03.01.2025)

[206] Einheitszeit. In der 1890 stattgehabten Generalversammlung des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen wurde (s. Bd. 18, S. 226 f.) auf Antrag der Verwaltung der ungarischen Staatsbahnen beschlossen, eine einheitliche Zonenzeit (das sogen. Stundenzonensystem) mit Beginn der Sommerfahrplanperiode (1. Juni) des Jahres 1891 für den innern Eisenbahndienst einzuführen und die allgemeine Einführung gedachter Zonenzeit auch im bürgerlichen Leben als empfehlenswert zu bezeichnen. Nach diesem Beschluß waren die lediglich für die Eisenbahnbediensteten (nicht für das Publikum) bestimmten Fahrpläne dergestalt aufzustellen, daß der überwiegende Teil der Vereinsverwaltungen, nämlich alle deutschen und österreichisch-ungarischen Eisenbahnen, die Zeit des 15. Meridians östl. v. Gr. (2. Zone, von der europäischen Fahrplankonferenz mitteleuropäische Zeit genannt), die belgischen und niederländischen Eisenbahnen die Greenwicher Zeit (1. Zone) und die rumänische und Warschau-Wiener Eisenbahnverwaltung die Zeit des 30. Meridians östl. v. Gr. (3. Zone, osteuropäische Zeit) anzunehmen haben. Die Zeiten dieser drei Zonen weichen unter sich um je 1, bez. 2 volle Stunden ab. Der Zeitunterschied der 2. Zone (mitteleuropäische Zeit) beträgt gegen die bisher für Preußen gültige Berliner Zeit 6 Minuten, gegen die Münchener Zeit 14, die Stuttgarter 23, die Ludwigshafener und Karlsruher Zeit rund 26 Minuten. Die Reichseisenbahnen in Elsaß-Lothringen, die preußischen Staatsbahnen und die übrigen norddeutschen Eisenbahnen haben dem Vereinsbeschluß entsprechend mit 1. Juni 1891 die mitteleuropäische Zeit (abgekürzt M. E. Z.) für ihren innern Dienst eingeführt. In Süddeutschland, wo sowohl für den innern und äußern Eisenbahndienst als für den allgemeinen bürgerlichen Verkehr die Ortszeit von Karlsruhe (für Baden), von Stuttgart (für Württemberg) und von München (für [207] Bayern östlich des Rheins), bez. Ludwigshafen (für die bayrische Pfalz) Geltung hatte, wird die mitteleuropäische Zeit vom 1. April 1892 ab sowohl für den innern als für den äußern Eisenbahn- und Telegraphendienst statt der Ortszeit zur Anwendung gebracht. In Österreich-Ungarn, wo die Prager, bez. Budapester Zeit als E. für Eisenbahn, Telegraphie und das ganze bürgerliche Leben Geltung hatten, ist vom 1. Okt. 1891 ab, mit Beginn des Winterfahrplans, die mitteleuropäische Zeit ebenfalls für den innern wie für den äußern Eisenbahndienst und auch für den Post- und Telegraphenverkehr eingeführt. Desgleichen ist die mitteleuropäische Zeit mit diesem Tage für den innern Eisenbahndienst der luxemburgischen Prinz Heinrich-Bahn und der serbischen Staatsbahnen sowie die osteuropäische Zeit auf den rumänischen und bulgarischen Staatsbahnen zur Einführung gekommen. Die niederländischen Eisenbahnen, bei welchen für den innern und äußern Dienst die Amsterdamer Zeit Geltung hat, beabsichtigen dem Vernehmen nach die Einführung der mitteleuropäischen Zeit für den innern und äußern Dienst zum 1. Juni 1892. Die belgischen Bahnen haben den Vereinsbeschluß bisher nur teilweise durch Regelung ihrer Dienstfahrpläne für die auf deutschem Gebiet belegenen Strecken nach mitteleuropäischer Zeit ausgeführt. Auch in Belgien wird die Einführung der mitteleuropäischen Zeit nicht nur für den innern und äußern Eisenbahndienst, sondern auch für das bürgerliche Leben erstrebt. In Preußen ist man über die theoretischen Bedenken hiergegen, deren Hauptvertreter der gegenwärtige Direktor der Berliner Sternwarte, Förster, ist, noch nicht hinweggekommen, obwohl das Nebeneinanderbestehen verschiedener Zeitrechnungen für das Verkehrswesen (im Reichstelegraphenwesen Berliner Zeit, im innern Eisenbahndienst mitteleuropäische Zeit und im äußern Eisenbahndienst wie im bürgerlichen Leben Ortszeit) mit mannigfachen Nachteilen verknüpft ist, obwohl ferner hervorragende Praktiker, darunter in erster Linie der Feldmarschall Graf Moltke, in überzeugendster Weise für die Notwendigkeit und Durchführbarkeit einer einheitlichen Zeitrechnung für ganz Deutschland, auch im bürgerlichen Leben, eingetreten sind, und obwohl endlich durchaus günstige Erfahrungen mit der gleichen Einrichtung aus Ländern vorliegen, in welchen dieselbe bereits seit geraumer Zeit besteht, nämlich Amerika, England, Schweden, Dänemark und Schweiz.