Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Edelsteine“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 5 (1886), Seite 312315
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Edelsteine. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 5, Seite 312–315. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Edelsteine (Version vom 21.12.2024)

[312] Edelsteine (hierzu Tafel „Edelsteine“), Mineralien (Steine), welche wegen schöner Farbe oder Farblosigkeit, Glanz, Durchsichtigkeit, bedeutender Härte, Politurfähigkeit Gegenstand des Schmuckes sind und in der Bijouterie verarbeitet werden. Die E. bestehen in der Mehrzahl aus ganz allgemein verbreiteten Stoffen, wie Thonerde, Kieselsäure, Magnesia, Kalk, Fluor, Bor und deren Verbindungen, und verdanken ihre Färbung meist nur geringen Beimengungen von Kupfer-, Eisen-, Chrom-, Nickelverbindungen; sie sind also in Hinsicht auf ihre Substanz meist völlig wertlos, und nur der Form, in welcher diese Substanz auftritt, verdanken sie ihre kostbaren Eigenschaften. Diamant ist Kohlenstoff so gut wie Holzkohle und der Graphit unsrer Bleistifte, und sein Wert beruht lediglich in der Kristallform. Man teilt die E. in eigentliche E. (gemmae) und in Halbedelsteine (lapides pretiosi), indem bei den erstern jene Eigenschaften in höherm, bei letztern in niederm Grad hervortreten oder vereinigt sind, ohne daß jedoch zwischen beiden Abteilungen eine strenge Grenze oder in der Unterscheidung eine völlige Übereinstimmung stattfände. Die Nomenklatur vieler E. stimmt bei den Juwelieren und Mineralogen nicht überein, insofern erstere oft ganz verschiedene E. bloß nach einem gemeinschaftlichen charakteristischen Merkmal mit demselben Namen bezeichnen. So wird von ihnen der Name Rubin für verschiedene Steine roter Farbe gebraucht, welche von den Mineralogen teils dem Korund, teils dem Spinell oder Topas zugezählt werden; unter orientalischem Chrysolith wird ein gelblichgrüner Saphir, unter sächsischem Chrysolith ein blaß weingelber Topas verstanden etc. Das Beiwort orientalisch, im Gegensatz zu occidentalisch, bezeichnet oft nicht sowohl das Vaterland als vielmehr einen besondern Grad der Schönheit eines Steins (weil allerdings die E. aus dem Orient in der Regel am schönsten sind). Zur allgemeinen Orientierung geben wir folgende Übersicht:

I. Ganzedelsteine.

1) Diamant, farblos, gelb, grün, blau, rot, braun, schwarz, aus Ostindien und Brasilien; Täuschung mit schwach geglühten Saphiren, Hyacinthen, Topasen.

2) Edle Korunde, an Härte und Wert dem Diamant am nächsten stehend, und zwar:

a) Rubin, rot, gelb, farblos, aus Birma und Ceylon; Täuschung mit rotem Spinell, Turmalin, Quarz, Granaten, Hyacinthen, rot geglühten Amethysten, Topasen;
b) orientalischer Smaragd, bläulichgrün, aus Ceylon, der seltenste aller E.;
c) orientalischer Chrysolith, gelblichgrün, aus Ceylon;
d) Saphir, blau, rot, grün, gelb, braun, farblos, opalisierend, aus Birma, Ceylon; Täuschung mit Cyanit, Cordierit;
[Beilage]

[Ξ]

EDELSTEINE.
1. Topas (Schneckenstein). – 2. Topas (Ural). – 3. Topas. – 4. Amethyst. – 5. Smaragd (Peru). – 6. Lasurstein (Baikalsee). – 7. Diamant. – 8. Türkis. – 9. Opal. – 10. Chrysopras. – 11. Almandin. – 12. Saphir. – 13. Rubin. – 14. Spinell. – 15. Hyacinth. – 16. Granat. – 17. Turmalin (New York). – 18. Turmalin (Ural). – 19. Chrysoberyll (Ural). – 20. Aquamarin (Ural). – 21. Heliotrop.
[Ξ]
Inhalt der Tafel ‚Edelsteine‘.




Fig. 1. Topas vom Schneckenstein in Sachsen, weingelb mit Quarz in Topasfelsdruse.
 „   2. Topas von Alabaschka im Ural, bläulich mit Quarz und Albit.
 „   3. Topas von Ouro Preto in Brasilien, braun in Quarz.
 „   4. Amethyst vom Erzgebirge, auf Quarz, mit Überzug von Eisenerz auf den freien Kristallflächen.
 „   5. Smaragd von Santa Fé de Bogotá, mit Kalkspat auf Thonschiefer.
 „   6. Lasurstein von Badachschan (Zentralasien), mit eingesprengtem Pyrit.
 „   7. Diamant, eingewachsener Kristall, vom Vaalfluß in Kapland.
 „   8. Türkis aus Persien. Schnur in schwarzem Thonschiefer.
 „   9. Opal von Czerwenitza in Ungarn, Trümer in zersetztem Trachyt.
 „  10. Chrysopras von Frankenstein in Schlesien.
 „  11. Almandin von Capo de Gates in Spanien, mit schwarzem Glimmer, Steinmark, Quarz und Dichroit.
 „  12. Saphir aus Ceylon, loser Kristall aus Flußsand.
 „  13. Rubin aus Ceylon, loser Kristall aus Flußsand.
 „  14. Spinell aus Ceylon, loser Kristall aus Flußsand.
 „  15. Hyacinth (Zirkon) aus Ceylon, loser Kristall aus Flußsand.
 „  16. Granat von Ala in Piemont, mit Ripidolith auf Granatfels.
 „  17. Turmalin von New York, schwarz, auf angewittertem Feldspat.
 „  18. Turmalin vom Ural, rot mit Quarz.
 „  19. Chrysoberyll (Alexandrit) von Jekaterinburg im Ural, auf schwarzem Glimmerschiefer.
 „  20. Aquamarin (Beryll) von Mursinka im Ural, mit Rauchquarz auf Feldspat.
 „  21. Heliotrop aus Ostindien.




[313]
e) orientalischer Amethyst (Amethystsaphir, Violettrubin), fast veilchenblau, aus Birma, Ceylon;
f) orientalischer Aquamarin, hell grünlichblau, aus Ceylon und dem Ural; Täuschung mit grünlichen und bläulichen Topasen;
g) orientalischer Hyacinth, morgenrot, aus Birma, Ceylon;
h) orientalischer Topas (Topassaphir, gelber Saphir), gelb, ebendaher;
i) Leukosaphir (weißer Saphir), weiß, ebendaher;
k) Asterin (Sternsaphir, opalisierender Saphir, Sternstein), rot, blau, gelb, ebendaher;
l) orientalischer Girasol (Saphir- oder Rubinkatzenauge, Sonnenstein), gelblich, grünlich, rötlich, bläulich.

3) Aquamarin (edler Beryll), meergrün, apfelgrün, honiggelb, aus Salzburg, Tirol, Mähren, Rußland, Ostindien, Nordamerika, Brasilien.

4) Smaragd, lebhaft bläulichgrün, Varietät des vorigen, aus Neugranada; Täuschung mit Hiddenit, Flußspat, grünem Turmalin, Malachit, Apatit.

5) Chrysoberyll (Chrysopal), grünlichweiß, grün, bläulich, gelb, aus Ceylon, Borneo, Brasilien, Mähren.

6) Spinell, farblos, weißlich, rot, gelb, blau, grün, schwarz, in allen Weltteilen; Täuschung mit geglühten Topasen und gebrannten Amethysten.

7) Topas, farblos, grün, blau, gelb, rot, in allen Weltteilen.

8) Türkis, himmelblau, zuweilen milchblau, aus Persien; Täuschung mit Zahntürkis.

9) Turmalin, farblos, weißlichgelb, braun, schwarz, rot, blau, grün, oft bunt, aus Ceylon, Sibirien, Brasilien, Österreich.

10) Granat:

a) Almandin oder orientalischer Granat, rot, violett, veilchenblau, aus Europa, Asien, Afrika;
b) Pyrop oder occidentalischer Granat, dunkelrot, aus Böhmen;
c) Kaneelstein, honiggelb, rotgelb, morgenrot, aus Ceylon, Tirol.

11) Opal, milchblau, lebhaft irisierend, aus Ungarn; Hydrophan (Weltauge), wasserfreier Opal, farblos, weißlich, wird im Wasser dem Opal ähnlich, aus Ungarn.

12) Zirkon (Hyacinth), farblos, gelb, braun, rot, blau, grün, an vielen Fundorten, besonders Ceylon; Täuschung mit gebranntem Topas, Idokras, Granat, besonders mit Vesuvian und Kaneelstein.

13) Chrysolith, oliven-, spargel-, grasgrün, in allen Weltteilen; Täuschung mit Apatit, Epidot oder Diopsid.

14) Cordierit (Dichroit), farblos, grau, weißlich, blau, braun, im durchfallenden Licht verschiedenfarbig schillernd, aus Ceylon; Täuschung mit blauem Quarz.

15) Hiddenit, dem Smaragd in der Farbe am ähnlichsten, doch mehr gelbgrün, aus Nordamerika.

II. Halbedelsteine.

1) Bergkristall und zwar:

a) gelber Citrin, böhmischer, sächsischer, indischer Topas;
b) brauner, rubinroter, irisfarbener Rauchtopas;
c) schwarzbrauner, schwärzlichblauer oder schwarzer Morion;
d) Rheinkiesel, Rheindiamanten, Zabeltitzer Diamanten;
e) schottischer Kiesel, schottischer Topas, schottischer Rubin;
f) Marmaroser Diamanten oder Drogoniden.

2) Veilchen- oder pflaumenblauer Amethyst aus der Türkei, aus Ceylon, Indien, Rußland, Brasilien, Österreich.

3) Goldflimmernder, rötlicher, rotbrauner Aventurin aus dem Ural und Altai, meist imitiert.

4) Achat.

5) Chalcedon oder roter Karneol aus Uruguay.

6) Grüner Chrysopras aus Schlesien.

7) Onyx.

8) Grüner, gelb und rot gefleckter oder punktierter Heliotrop aus Indien, der Bucharei, Tatarei, Sibirien, Australien.

9) Jaspis.

10) In vielen Nüancen schillerndes, grüngräuliches Katzenauge aus Ceylon.

11) Milch-, rötlich-, gelblichweißer Kascholong oder Kalmückenachat aus der Bucharei, aus Sibirien, Kärnten, Mähren.

12) Lauchgrüner Nephrit (Nierenstein, Jade).

13) Cyanit.

14) Lapislazuli (Lasurstein), blau, aus Rußland, aus der Tatarei, aus China, Chile.

15) Farbloser oder heller Adular (Mondstein, Sonnenstein) aus Sibirien, Ceylon, Grönland, einer der teuersten Halbedelsteine.

16) Grüner Amazonenstein aus Brasilien, Grönland, Mijask.

17) Aventurinfeldspat (fälschlich Sonnenstein genannt), weiß, rot, mit zahllosen schimmernden Punkten, aus Schweden, Norwegen, Rußland, Ceylon.

18) Labrador, grau, grünlich, gelblich, rötlich, bläulich, zum Teil mit herrlicher Farbenwandlung, aus Sibirien, Labrador.

19) Lava, braun, grau bis schwarz, rötlich, gelblich, weißlich, von verschiedenen Vulkanen. Dazu gehört Obsidian (Lavaglas, Glasachat, isländischer Achat), schwarz, perlgrau (edler Obsidian), bouteillengrün (böhmischer Chrysolith), grünlichgelb (Schillerobsidian), aus Sibirien.

20) Flußspat, besonders schön gefärbt.

21) Malachit, grün, mit wechselnden Zeichnungen, aus Rußland.

Alle E. unterliegen einer Bearbeitung, wodurch sie eine Form erhalten, in welcher ihre wertvollsten Eigenschaften am schönsten hervortreten. Früher begnügte man sich, die natürlichen Flächen der Steine zu glätten, und erst allmählich erkannte man, welche Effekte durch künstlich hergestellte Flächen erzielt werden können. Die Kunst der Edelsteinschleiferei in diesem Sinn ist jedenfalls nicht alt; man nennt als Erfinder gewöhnlich Ludwig van Berquen und als das Jahr der Erfindung 1456. Seitdem hat man auf Grund genauerer mineralogischer Kenntnisse, unter Berücksichtigung des innern Gefüges der Kristalle, der nach verschiedenen Richtungen ungleichen Spaltbarkeit, Härte und Elastizitätsverhältnisse, erhebliche Fortschritte gemacht. Durch Spalten, Zersägen, Zerbrechen gibt man dem Stein im wesentlichen schon die gewünschte Form und vollendet dann die Arbeit durch Schleifen und Polieren. Die größten Schwierigkeiten bereitet der Diamant. Nachdem sein Blätterdurchgang erkannt ist, wird er in einer Kittlage befestigt und mit feinem Meißel und Hammer nach einer vorher mit einem andern Diamant ausgeführten Vorzeichnung gespalten (Kloven). Man befestigt ihn dann mit Kitt in der Dogge oder Hülse, so daß nur die Stelle frei bleibt, an welcher eine Facette angeschliffen werden soll, und steckt die Hülse in ein schweres eisernes Gestell, welches den Stein, oft noch unter dem Druck der Hand oder von Gewichten, gegen die rotierende Schleifscheibe drückt. Diese Scheiben bestehen aus schwach gekörntem Gußeisen oder weichem Stahl, rotieren in horizontaler Ebene und sind mit Diamantpulver und Öl beschickt, weil der Diamant wegen seiner außerordentlichen Härte nur von seinem eignen Pulver angegriffen wird. Sobald eine Facette vollendet ist, muß der Stein wieder umgelegt werden, und dies wiederholt sich, bis er endlich die bestimmte Form erhalten hat. Man schleift so winzig kleine Rosetten mit je 16 Flächen, daß 2000 auf ein Karat gehen. Die übrigen E. können ohne vorhergehende Spaltung mit Diamantpulver, oft schon mit Schmirgel leicht in jede beliebige Form gebracht werden. Während aber der Diamant beim Schleifen gleich mit poliert wird, erfordern die andern E. hierzu noch eine besondere Bearbeitung. Steine mit eigentümlichem Lichtschimmer, wie Opal, erhalten keine Facetten, sondern nur eine runde Wölbung (en cabochon). Häufig wird die Farbe der E. durch vorsichtiges Erhitzen verändert, und besonders die [314]

Fig. 1. Fig. 2.
Quadriert. Quadriert.
Fig. 4.     Fig. 5.
 
Fig. 3.
Oval. Oval.
Fig. 6. Fig. 7.
Quadriert.
 
 
 
Rund. Fig. 1–7.
Brillanten.
Rund.
Fig. 8. Fig. 9.
Fig. 8 und 9. Rosetten.
Fig. 10. Fig. 12. Fig. 14.
Fig. 11. Fig. 13. Fig. 15.
Tafelstein. Dickstein. Dickstein.
Fig. 16. Fig. 17. Fig. 18.
Fig. 19.
Fig. 20. Fig. 21.
Fig. 16–19.
Treppenschnitt.
Fig. 20 u. 21. Doppelte Facetten.

Halbedelsteine werden gefärbt, indem man sie mit verschiedenen Chemikalien behandelt (vgl. Achat).

Man unterscheidet an jedem geschliffenen Stein die Zone des größten Durchmessers, die Rundiste, in welcher der Stein gefaßt wird. Was über diesem Rand liegt, heißt Oberteil (Krone, Pavillon), was unter demselben liegt, Unterteil (Külasse). Die Hauptformen sind folgende: 1) Beim Brillanten nimmt der Oberteil 1/3, der Unterteil 2/3 der ganzen Höhe des Steins ein und ist ersterer von einer zwei- oder dreifachen Reihe von Facetten (zwei- oder dreifaches Gut) eingeschlossen. Fig. 1–3 Brillant in quadrierter, 4 u. 5 in ovaler, 6 u. 7 in runder Gestalt. Die obere, der Rundiste parallele Fläche (Tafel) hat 4/9 vom Durchmesser der Rundiste, die untere Fläche 1/5 vom Durchmesser der Tafel. Bedingt die Brillantform zu großen Materialverlust, so schleift man 2) eine Rosette (Rose, Rautenstein), welche sich über einer runden oder elliptischen Grundfläche pyramidenförmig mit meist dreiseitigen Facetten erhebt (Fig. 8 u. 9). Aus sehr flachen Steinen schleift man 3) den Tafelstein (Fig. 10 u. 11) mit plattem Ober- und Unterteil und wenigen niedrigen Randfacetten. 4) Der Dickstein (indischer Schnitt, Fig. 12 u. 13) hat im wesentlichen die Form des Brillanten. Bisweilen sind die Kanten, welche von der Rundiste nach der Tafel führen, abgestumpft, so daß der Stein oben acht Facetten erhält (Fig. 14 u. 15). 5) Bei dem Treppenschnitt laufen die Facetten gegen die Tafel und die Kalotte des Steins hin immer abnehmend in Stufen zu (Fig. 16–19). Bei dem Schnitt mit doppelten Facetten (Fig. 20 u. 21) zeigt der Oberteil zwei Reihen dreiseitiger Facetten. Jede Reihe besteht aus zweierlei Facetten, die nebeneinander liegen und die Spitze nach aufwärts oder abwärts richten. Auf dem Unterteil befindet sich der Treppenschnitt. Außer diesen Formen gibt es noch eine Reihe zusammengesetzter Gestalten, die je nach der Natur des Edelsteins bevorzugt werden. Die Art, wie die geschnittenen Steine in Schmucksachen eingesetzt werden, nennt man die Fassung. Ganz fehlerfreie, durchsichtige E. faßt man à jour, wobei der Stein nur an der Rundiste befestigt wird und Oberteil und Unterteil frei bleiben. Wo auf sichere Befestigung nichts ankommt, ist diejenige Art der Fassung à jour am besten, wo der Stein frei schwebend nur durch einzelne Krallen gehalten wird (in Krappeln gefaßt ist). Zum Fassen der weißen, wasserhellen Steine ist Silber und noch mehr Platin vorteilhafter als Gold. Die Fassung im Kasten, bei welcher der Unterteil ganz eingehüllt wird, gewährt den Vorteil, mit minder vollkommenen Steinen durch Färbung des Kästchens, Unterlegen von Zinn-, Gold- oder Silberfolie größere Effekte zu erzielen und kleine Riffe, Trübungen etc. zu verdecken. Oft umgibt man größere Steine in der Fassung mit kleinern (Karmoisieren), um Farbe oder Glanz des Hauptsteins zu erhöhen. Die Kostbarkeit der E. hat allerlei Täuschungen veranlaßt; besonders hat man wertvolle E. mit minder wertvollen vereinigt und diese Dubletten so gefaßt, daß nur der kostbarere Stein beim Beschauen in Betracht kam. Man unterscheidet echte Dubletten, wenn Ober- und Unterteil aus echten Edelsteinen bestehen; halbechte, wenn der Oberteil echt, der mit Mastix angeklebte Unterteil aber Quarz oder Glas ist; unechte, bei welchen der Oberteil Bergkristall oder Glasfluß, der Unterteil gefärbtes Glas ist; Hohldubletten, bei welchen der Bergkristall des Oberteils halbkugelförmig ausgehöhlt, mit gefärbter Flüssigkeit gefüllt und durch ein Kristallblättchen [315] verkittet ist. Zur Erkennung der Dubletten bietet das Lichtbrechungsvermögen ein treffliches Mittel. Man bringt nämlich einen echten Edelstein in Olivenöl und setzt dazu in kleinen Portionen nach und nach so viel Kassiaöl oder Sassafrasöl, bis der Stein nicht mehr wahrnehmbar ist, was dann eintritt, wenn die Flüssigkeit dasselbe Lichtbrechungsvermögen hat wie der Stein. Dies ist für verschiedene E. verschieden, und man muß deshalb für jede Art eine besondere Probeflüssigkeit bereiten. In einer solchen bleibt dann jeder andre Stein sichtbar, ebenso auch bei echten Edelsteinen alle Sprünge und Risse. Legt man Dubletten in heißes Wasser, so erweicht der Kitt, und beide Teile fallen auseinander. Die gewöhnlichste Verfälschung besteht im Unterschieben von Glasflüssen oder sogen. unechten (künstlichen) Edelsteinen (Amausen), welche man den echten jetzt höchst täuschend nachzumachen vermag. Die Nachahmung mancher E. durch gefärbte Glasflüsse hat besonders in Deutschland und Frankreich einen hohen Grad von Vollkommenheit erreicht, und die Fabrikation solcher künstlicher E. macht einen wichtigen Zweig der Technik aus. Die Grundmasse derselben bildet der Mainzer Fluß oder Straß, ein sehr glänzendes, bleireiches Glas, welches viel weicher, aber schwerer als die natürlichen E. ist. Dies Glas wird durch verschiedene Chemikalien gefärbt; so nimmt man z. B. auf 1000 Teile Straß zu Topas 40 Teile Antimonglas, 1 Teil Goldpurpur oder 1 Teil Eisenoxyd; zu Smaragd 8 Teile Kupferoxyd und 0,2 Teile Chromoxyd; zu Saphir 15 Teile Kobaltoxyd; zu Amethyst 8 Teile Mangansuperoxyd, 5 Teile Kobaltoxyd, 0,2 Teile Goldpurpur etc. Durch anhaltendes Schmelzen von 8 Teilen Straß mit 1 Teil Topasmasse erhält man Rubin. Der reine Straß bildet das Material zu den künstlichen Diamanten. Sehr verschieden von diesen Fabrikaten sind die Produkte, welche man dem Bestreben verdankt, echte E. künstlich herzustellen. Korund ist sehr reine kristallisierte Thonerde; wenn es nun gelingt, reine Thonerde, die leicht dargestellt werden kann, kristallisieren zu lassen, so hat man einen Korund, der dem natürlichen ganz gleichwertig ist. Man kann dabei die Thonerde mit denselben Metalloxyden färben, welchen die gefärbten Varietäten des Korunds ihre Farbe verdanken, und erhält dann Rubin, Smaragd, Saphir. In dieser Richtung sind einige Resultate gewonnen worden. Erhitzt man Fluoraluminium, welches aus Thonerde leicht zu gewinnen ist, im Kohlentiegel in Borsäuredampf, so entweicht Fluorbor, und Thonerde bleibt kristallisiert als Korund oder, wenn ein wenig Chrom oder Kobalt zugegen ist, als Rubin, Saphir zurück. Schmelzt man die Bestandteile der echten E. in richtigen Verhältnissen und gemischt mit Borsäure im Porzellanofen in einem offenen Platingefäß, so lösen sie sich in der Borsäure, und indem nun das Lösungsmittel langsam verdampft, kristallisieren die E. wie lösliche Salze aus wässeriger Lösung. Durch Schmelzen von Thonerde und Mennige in einem feuerfesten Thontiegel kann man große Kristalle von Korund und unter Zusatz von chromsaurem Kali oder Kobaltoxyd auch Rubin, resp. Saphir erhalten. Bei diesem Prozeß bildet die Kieselsäure der Tiegelwandung Bleisilikat, und die Thonerde wird aus der Verbindung mit dem Bleioxyd ausgeschieden. Die erhaltenen Kristalle konnten in der Uhrmacherei benutzt und auch zu Schmucksteinen geschliffen werden. Auch der Diamant kann künstlich dargestellt werden (s. Diamant). Der Wert der E. richtet sich besonders nach der Schönheit und Seltenheit derselben, aber ebensosehr nach der Mode. Er hängt außerdem von der jeweiligen Menge ab, in welcher die Steine aufgefunden oder zum Verkauf gebracht werden, und im allgemeinen hat er sich in der Neuzeit merklich vermindert. Der Edelsteinhandel hat daher auch von seiner frühern Bedeutung viel verloren; Hauptsitz desselben ist Paris, während in der Edelsteinschleiferei Amsterdam den ersten Rang einnimmt. Vgl. Blum, Taschenbuch der Edelsteinkunde (2. Aufl., Stuttg. 1834); Barbot, Traité des pierres précieuses (Par. 1858); Kluge, Handbuch der Edelsteinkunde (Leipz. 1860); King, Natural history of precious stones and metals (Lond. 1870); Schrauf, Handbuch der Edelsteinkunde (Wien 1869); Rambosson, Les pierres précieuses (Par. 1868); Jannetaz u. Fontenay, Diamant et pierres précieuses (das. 1880); Streeter, Precious stones and gems, their history etc. (4. Aufl., Lond. 1884).