Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Achāt“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 8283
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Achāt. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 82–83. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Ach%C4%81t (Version vom 21.04.2023)

[82] Achāt (von dem Fluß Achates [Drillo] auf Sizilien herzuleiten), die allgemeine Bezeichnung für gestreifte Kieselablagerungen, deren einzelne Streifen verschiedene Farbe und Dichtigkeit zeigen. Der A. besteht vorzüglich aus verschiedenen Varietäten von Chalcedon, also aus mikrokristallinischer Kieselsäure, und die einzelnen Lagen zeigen bald gröbere, bald feinere Struktur und sind oft äußerst dünn, so daß ein paar Hundert auf 1 mm kommen. Ganz amorphe (wasserhaltige) Kieselsäure kommt in den Achaten jedenfalls sehr selten vor. Die verschiedene Farbe rührt gewöhnlich von Eisen- und Manganverbindungen her, doch sind die Onyxe (schwarz und weiße Lagen) und Sardonyxe (rot und weiße Lagen) meist künstlich gefärbt. Zwischen und über dem Chalcedon finden sich meist drusige Amethystlagen. Der meiste A. kommt aus sogen. Achatmandeln, die namentlich im Melaphyrgestein gefunden werden. Im eigentlichen Melaphyrmandelstein sind jedoch die Mandelräume keineswegs mit A., sondern wie in andern Mandelsteinen vorzüglich mit Kalkspat, Grünerde etc. ausgefüllt. Achatmandeln finden sich gewöhnlich vereinzelt, und nur an gewissen Punkten ist eine Anhäufung derartiger Gebilde zu beobachten. In größerer Menge finden sich dieselben namentlich im Melaphyr bei Oberstein a. d. Nahe, wo früher der meiste A. gegraben wurde. Seit etwa 50 Jahren verarbeitet man jedoch fast nur sogen. „brasilische Achate“ aus Uruguay. Dort scheint das Vorkommen ein ähnliches zu sein wie an der Nahe; die meisten, oft riesigen Mandeln kommen jedoch von dort als abgeschliffene Geschiebe. Unversehrt entspricht die Form der [83] Achatmandeln meistens durchaus ihrer Bezeichnung; äußerlich sind sie gewöhnlich mit kieseliger Grünerde bekleidet, dann folgen die verschiedenen Chalcedonlagen und im Innern drusiger Amethyst. Sehr häufig umschließt die Mandel einen hohlen Drusenraum, worin noch Kalkspat, Zeolithe und andre Mineralien zur Abscheidung gekommen sind. Bei Oberstein schmiegen sich alle Chalcedonlagen der äußern Mandelform an, in den brasilischen Mandeln findet sich im Innern meist eine Schicht planparalleler, horizontaler Lagen. Nicht selten werden beim Durchschleifen die Kanäle bloßgelegt, durch welche die innere Masse oder vielmehr die Flüssigkeit, welche sie gelöst enthielt, in den Mandelraum eingedrungen ist. Dieser ist also zuerst gebildet, und von außen nach innen fortschreitend sind die einzelnen Lagen aus wässeriger Lösung abgeschieden, wobei das abgeschiedene Mineral nicht selten der nachdringenden Flüssigkeit den Weg verstopfte und also im Innern ein Hohlraum übrigblieb. Vom Monte Tondo bei Vicenza kannte schon Plinius die Chalcedonkugeln, durch deren durchscheinende Wände man im Innern Flüssigkeit wahrnimmt. Als äußere Zufuhrkanäle muß man feine Gesteinsspalten annehmen, und der scharfe Rand an den Mandeln deutet wohl unzweifelhaft auf solche Wege hin. Zuweilen bildet der A. auch die gangartige Ausfüllung von Spalten in Melaphyr, Porphyr oder anderm Gestein. So findet sich ein vielstreifiger Bandachat gangförmig bei Schlottwitz in Sachsen; an einer Stelle ist die ältere Achatmasse dieses Ganges durch Querspaltung zertrümmert, und die Bruchstücke sind später durch Amethyst wieder verkittet (Trümmerachat). Andre Benennungen, wie Festungs-, Korallen-, Wolkenachat etc., beziehen sich auf den zufälligen Verlauf der Zeichnungen; der Moosachat (Mockastein) enthält schwarze Mangandendriten; der Regenbogenachat zeigt als Interferenzwirkung der dünnen Lagen Newtonsche Farbenringe. S. Tafel „Mineralien“ Fig. 12 u. 20.

Verwendung. Durch Färbung und Zeichnung ausgezeichnete Achate wurden schon von den Alten zu geschnittenen Steinen verwendet. Gegenwärtig werden sie zwar minder geschätzt, doch verarbeitet man sie noch zu Reibschalen, Glättsteinen, Kameen, Ringsteinen, Agraffen, Armbändern, Rosenkränzen, Stockknöpfen, Messerstielen, Schussern (Klickern, jährlich in Oberstein 300,000 Stück) und zu vielen andern Kleinigkeiten. Hierbei macht man vielfach Gebrauch von der Möglichkeit, den A. zu färben. Dieselbe beruht auf der verschiedenen Natur der einzelnen Lagen des Steins, von denen die einen porös genug sind, um Flüssigkeiten aufzusaugen, die andern nicht. So werden gegenwärtig die meisten Onyxe künstlich bereitet. Der A. wird in verdünnter Honig- oder Zuckerlösung 2–3 Wochen erwärmt, dann aber in konzentrierter Schwefelsäure gekocht. Nachdem er abgetrocknet ist, wird er geschliffen, einen Tag in Öl gelegt und endlich mit Kleie abgewaschen. Die poröse Lage, in welcher der eingedrungene Honig durch die Schwefelsäure verkohlt worden ist, erscheint je nach der Porosität grau, braun oder schwarz, die undurchdringliche weiße, kristallinische Schicht noch heller und glänzender, und sind rote Streifen vorhanden, so zeigen sich auch diese in ihrer Färbung erhöht. Durch verschiedene Chemikalien lassen sich beliebige Farben erzeugen, sobald der A. überhaupt nur Flüssigkeiten aufsaugt. Vor der Verarbeitung wird der Stein oft gebrannt, um seine Farbe zu verändern, und dann noch 1–2 Wochen in Schwefel- oder Salpetersäure gelegt. Das Färben aber wird meist erst an den geschliffenen Steinen vorgenommen, obwohl die Farbe tief in die Steinmasse eindringt und auch auf dem Bruch mehr oder weniger deutlich hervortritt. Das Schleifen des Achats geschieht in den sogen. Achatmühlen auf großen Schleifsteinen von Vogesensandstein, welche am äußern Umfang teils ebene Bahnen, teils Hohl- und Rundkehlen haben, die von den Schleifern geschickt benutzt werden, um den Gegenständen verschiedene Formen zu geben. Da der Arbeiter alle Kraft anwenden muß, um das zu schleifende Achatstück an den Stein anzudrücken, so liegt er mit Brust und Leib auf einem niedern Schemel mit ausgestreckten und an starke Querleisten angestemmten Beinen. Das Vertiefen von Schalen, Mörsern, Tassen etc. geschieht auf kleinen Steinen von entsprechendem Durchmesser, das Polieren meist auf Walzen von hartem Holz, die mit feinem feuchten Tripel oder Bolus bestrichen werden. Zum Bohren des Achats bedient man sich schnell rotierender Stahlstifte mit Diamantstaub oder Diamantstückchen. In neuester Zeit wurden zum Schleifen auch besondere Maschinen benutzt.

A. wird in vielen Hauptstädten Europas, zu Jekaterinburg am Ural, in Schlesien, Baden, Sachsen, Böhmen, auch in China, Japan und Hinterindien zu Schmuckgegenständen etc. geschliffen, und in der Gegend von Idar und Oberstein bildet die Achatschleiferei eine fabrikmäßige Industrie, welche sich auf das Vorkommen des Achats in der dortigen Gegend stützt, und deren Anfänge bis ins Mittelalter zurückgehen. Zu Anfang des 17. Jahrh. war sie bereits zu ziemlicher Bedeutung herangewachsen; einen großen Aufschwung aber nahm sie in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh., wo man anfing, Achatwaren zuerst in Silber, dann in vergoldeten Tombak zu fassen. Diese Bijouterie fausse bildete sich namentlich in Oberstein aus und brachte später auch reine Metallwaren auf den Markt. Nach 1813 entdeckte man die Farbenveränderung der Steine durch Brennen, und 1819 brachte ein Idarer Handelsmann das von einem römischen Steinschneider erworbene Geheimnis des Schwarzfärbens in die Heimat. Seitdem entwickelte sich die Färberei des Achats sehr schnell und wurde eine der Hauptursachen des Aufblühens der Achatindustrie, welche nun auch fremdländische Steine, namentlich A. aus Uruguay, verarbeitete. Seit 1834 kam dies Material nach Idar, und nun entwickelte sich die Achatindustrie in bisher nicht gekannter Weise, besonders auch, da die reichlich aus Südamerika eintreffenden Onyxe das Aufblühen der Steinschneidekunst in Paris und Idar veranlaßten. Man fertigt hauptsächlich Kameen, jetzt auch Intaglien, zum Teil von hohem Kunstwert, und macht mit denselben große Geschäfte. Für Afrika werden aus streifigem A. Amulette (Oliven, Turmringe etc.) gearbeitet. Die Zahl der Achatschleifereien beträgt gegenwärtig 153, für welche 1400 Schleifer thätig sind. Vgl. Lange, Die Halbedelsteine aus der Familie der Quarze und die Geschichte der Achatindustrie (Kreuznach 1868); Nöggerath, Die Achatindustrie im oldenburgischen Fürstentum Birkenfeld (Berl. 1877).