Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Diomēdes“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 4 (1886), Seite 993
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Diomēdes. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 4, Seite 993. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Diom%C4%93des (Version vom 10.05.2023)

[993] Diomēdes, Name zweier Heroen der Griechen: 1) Sohn des Ares und der Kyrene, König der wilden und kriegerischen Bistonen in Thrakien, berüchtigt durch seine Pferde: Podargos, Xanthos, Lampon und Dinos, welche von ihm mit dem Fleisch der an die Küste verschlagenen Fremden gefüttert wurden. Herakles raubte dieselben auf Befehl des Eurystheus und warf ihnen den D. selbst als Futter vor. Eurystheus weihte sie der Hera oder ließ sie frei laufen, und ihre Nachzucht soll bis zur Zeit Alexanders d. Gr. gewährt haben.

2) Sohn des Tydeus und der Deipyle, ein Ätolier, nach dem Tod seines Großvaters Adrastos Teilnehmer am Epigonenzug gegen Theben, dann einer der gefeiertsten Helden vor Troja, wohin er mit 80 Schiffen gekommen war. Aphrodite, den Äneas schützend, und selbst Ares werden von ihm verwundet, und dem Hektar wird er mehrmals gefährlich. Mit Odysseus geht er auf Kundschaft aus, tötet den trojanischen Spion Dolon, überfällt den König der Thraker, Rhesos, und entführt seine Rosse. Bei den Leichenspielen des Patroklos trägt er einen Preis davon. Athene liebt ihn, der oft allein im allgemeinen Verzagen noch Rat weiß. Die nachhomerische Sage läßt ihn noch das Palladion in Troja rauben; als ihn sein Gehilfe Odysseus auf dem Rückweg ins Lager meuchlings ermorden wollte, fesselte er denselben. Bei seiner Landung in Attika verlor er das Palladion, und sein Weib Aigialea, unterdessen auf Antrieb der Aphrodite zur Ehebrecherin geworden, erzwang mit Waffengewalt seine Flucht. D. ging zuerst nach Ätolien, wo er seinen Großvater, den vertriebenen König Oineus, wieder einsetzte, stand sodann, nach Italien verschlagen, dem König Daunus in Apulien gegen die Messapier bei und erhielt dessen Tochter Euippe zur Gemahlin nebst der Herrschaft über die apulische Ebene (Campi Diomedis), wo mehrere Städte, z. B. Benevent, Argyripa (Argos Hippion), Brundusium etc., von ihm angelegt wurden. Er starb in Daunia oder zu Argos, wohin er zurückgekehrt war; nach andrer Angabe verschwand er auf einer der nach ihm benannten, im Adriatischen Meer gelegenen Diomedeischen Inseln (s. Tremiti), wo auch sein Grabmal sein sollte, und wo nach der Sage seine trauernden Gefährten in fleischfressende Raubvögel (Diomedeische Vögel) verwandelt wurden. Infolge dieser Sage hat Linné den Albatros Diomedea genannt, was dann wiederum Anlaß gab, eine Inselgruppe zwischen dem Prinz von Wales-Kap und dem Ostkap (der Nordgrenze der jährlichen Wanderung dieses Vogels) Diomedesinseln zu nennen. Man verehrte D. als Heros in vielen Städten Italiens, besonders in Argyripa, Metapontum und über Ancona hinaus bis an die Pomündung, wo vermutlich der Dienst einer rosselenkenden, seeherrschenden Gottheit den griechischen und gräzisierenden Sagen von D. und seinem Palladion entgegenkam. In Argos wurde an dem Feste der Athene mit dem Palladion der Schild des D. in feierlichem Zug einhergetragen und sein Bild im Inachos gewaschen; er war in Griechenland überhaupt ein mit Athene eng verknüpftes Wesen. Der Freund des Horaz, Julus Antonius, besang D.’ Rückkehr von Troja in zwölf Büchern (Diomedea). Spätere verwechseln die beiden D. Auf mehreren Gemmen des Altertums erscheint D. nackt mit dem Palladion in der Hand, so einmal auch auf einem schönen Relief im Palazzo Spada zu Rom.

Diomēdes, lat. Grammatiker, verfaßte in der zweiten Hälfte des 4. Jahrh. n. Chr. eine „Ars grammatica“ in drei Büchern nach denselben Quellen wie sein Zeitgenosse Charisius, mit dem er vielfach wörtlich übereinstimmt. Besondern Wert hat das dritte Buch durch seine aus Sueton geschöpften litterarhistorischen Notizen. Beste Ausgabe von Keil („Grammatici latini“, Bd. 1, Leipz. 1857).