Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Delegation“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 4 (1886), Seite 640
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Delegation. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 4, Seite 640. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Delegation (Version vom 09.07.2021)

[640] Delegation (lat., im Rechtswesen „Überweisung“), eine Unterart der Novation, d. h. des Vertrags, welcher geschlossen wird, um eine bestehende Obligation aufzuheben und eine andre an die Stelle derselben zu setzen. Meist besteht die D. in dem Rechtsgeschäft, wodurch an die Stelle des alten Schuldners ein neuer Schuldner tritt, und zwar erfolgt dieses Eintreten im Auftrag des erstern und unter Zustimmung des Gläubigers. Der Umstand, daß der alte Schuldner mit zustimmen muß, unterscheidet die D. von der Expromission. Der erste Schuldner (Delegant, delegans) überweist seine Schuldverpflichtung an einen andern, dieser andre (Delegat, delegatus) tritt in des erstern Schuld und steht für die Erfüllung der Verpflichtung ein, und der Gläubiger (Delegatar, delegatarius) nimmt diese Veränderung an. Eine D. kann aber auch so vorkommen, daß an die Stelle des alten Gläubigers ein neuer Gläubiger tritt, indem der bisherige Gläubiger (delegans) seine Forderungen einem andern (delegatarius, Delegatar) überweist und der Schuldner (delegatus, Delegat) diesen nun als seinen Gläubiger anerkennt. Von der Zession unterscheidet sich diese D. wesentlich dadurch, daß in jener gar keine Novation enthalten ist, indem der Schuldner gegen seinen alten Gläubiger nicht frei wird, wie bei der D. Bei der D. wird eben das bisher bestehende Obligationsverhältnis gänzlich aufgelöst und durch den Eintritt des neuen Gläubigers oder Schuldners ein neues Schuldforderungsverhältnis zwischen dem Delegatar und dem Debitor, resp. creditor delegatus begründet. Auch versteht man unter D. Übertragung der Gerichtsbarkeit für einen einzelnen Fall oder für eine Klasse von Geschäften, daher die Ausdrücke delegierte Gerichtsbarkeit, delegierter Richter. Das moderne Staatsrecht und so insbesondere auch das deutsche Gerichtsverfassungsgesetz gehen von dem Grundsatz aus, daß niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf. Es kann also von einer D. eines Richters nur dann die Rede sein, wenn der nach Gesetz und Diensteinrichtung berufene Richter im gegebenen Fall seinen Funktionen nicht obliegen kann, z. B. wenn er mit Recht abgelehnt worden ist, so daß ein andrer Richter an seine Stelle treten muß.

Delegation (ital. Delegazione), im ehemaligen Kirchenstaat die Regierungsbehörde einer Provinz und letztere selbst. War der an der Spitze der Verwaltung stehende Delegat (Bevollmächtigte) ein Kardinal, so heißt er Legat und seine Provinz Legation. In Österreich-Ungarn heißen Delegationen die legislativen Körper, welche das dem österreichischen Reichsrat und dem ungarischen Reichstag zustehende Gesetzgebungsrecht hinsichtlich der gemeinsamen Angelegenheiten ausüben. Jede der beiden Delegationen besteht aus 60 Mitgliedern, von welchen ein Drittel vom Herrenhaus (Magnatentafel), zwei Drittel vom Abgeordnetenhaus (Repräsentantentafel) auf ein Jahr gewählt werden. Die Delegationen werden alljährlich abwechselnd nach Wien und Budapest einberufen. Die Beschlüsse, welche jede der beiden Delegationen in abgesonderter Sitzung faßt, werden gegenseitig schriftlich mitgeteilt; wenn ein dreimaliger Schriftwechsel nicht zur Einigung führt, so erfolgt die Entscheidung durch gemeinsame Abstimmung in gemeinschaftlicher Plenarsitzung.