Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Buntpapier“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 3 (1886), Seite 641642
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Buntpapier. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 3, Seite 641–642. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Buntpapier (Version vom 30.07.2021)

[641] Buntpapier,[WS 1] entweder in der Masse natürlich (durch farbige Hadern) oder künstlich gefärbtes oder weißes Papier, dem ein farbiger Überzug gegeben ist. Nach allgemeinem Sprachgebrauch versteht man unter B. nur die letzte Gattung: das auf einer oder beiden Seiten gefärbte, bedruckte, gepreßte etc. Papier. Die Herstellung geschieht entweder durch Handarbeit oder mittels Maschinen. Die Farben werden mit der Bürste (Schwamm, Pinsel) auf kleine Bogen aufgetragen oder die Bogen durch Auflegen auf eine Farbenmischung gefärbt; danach werden die Bogen auf dem Hängekreuz getrocknet und geglättet, resp. weiter verarbeitet (bedruckt, gepreßt, gefirnißt etc.). Man unterscheidet einfarbige oder schlichte Buntpapiere, die entweder auf einer oder auf beiden (Blumenpapiere) Seiten bedruckt sind, und mehrfarbige. Zu den einfarbigen Papieren gehören: Taft- (Glanz-), Atlas-, Gold- und Silber-, Perlmutter-, Samtpapiere, zu den mehrfarbigen: Iris- (mit ineinander laufenden Streifen), Marmor-, Granit-, Holz-, Kristallisationspapiere. Das Bedrucken der Buntpapiere geschieht vermittelst Modeln wie beim Kattundruck; das Muster ist in Holz geschnitten, feinere Linien oder sich wiederholende Figuren sind aus gebogenem Messingdraht eingesetzt. Bei mehrfarbigem Druck sind so viele Modeln wie Farben nötig; die Genauigkeit des Rapports wird durch Paßspitzen (auf den Modeln angebrachte Metallstifte, welche auf dem Bogen immer an gleicher Stelle leicht eingedrückt werden) reguliert. Das Pressen der Buntpapiere geschieht durch eine gravierte Messingwalze (Patrize) und eine Bleiplatte oder Papierwalze, auch wohl Matrize und Gegenmatrize auf warmem oder kaltem Weg.

Im 17. und 18. Jahrh. war das Verfahren zur Herstellung der Buntpapiere im großen und ganzen dasselbe wie heute; auch damals wurde es vielfach von Frauen betrieben. Nur die Buntpapiere vom Anfang des 17. Jahrh. scheinen zum Teil mit einzelnen Metallstempeln (wahrscheinlich Buchbinderstempeln) bedruckt zu sein. Um Stempel zu sparen, sind die Rankenmuster mit derselben sich wiederholenden Platte gedruckt, die eingestreuten Figuren, Tiere, Embleme etc., um möglichste Mannigfaltigkeit zu erzeugen, mit besondern Stempeln. Auch Schablonen scheint man verwendet zu haben. Die „türkischen“ Papiere, eine besonders beliebte, zum Auskleben von Schränken, Schubladen etc. vielgebrauchte Art, wurden durch Auflegen der Papiere auf einen zähen Farbenbrei hergestellt; beim Abnehmen der Bogen zog sich die Farbe und bildete so geflammte Muster. Die Herstellung der Buntpapiere galt als eine freie Kunst; sie war nicht zünftig, jedermann konnte sie ausüben. Daher finden wir, daß namentlich die Kattundrucker, zum Teil mit den beim Kattundruck abgenutzten Holzmodeln, Buntpapiere anfertigten (Kattunpapiere), aber auch die Buchbinder, da die Herstellung nicht schwierig war, sich ihren Bedarf teilweise selbst hergestellt haben. Verbreitet war im 18. Jahrh. die Herstellung der Buntpapiere auf den Jahrmärkten durch Frauen, welche den ganzen Apparat zur Stelle brachten und unter lautem Geschrei farbige Papiere herstellten und verkauften. Die ältesten bedruckten Buntpapiere stammen aus dem Anfang des 17. Jahrh. Die Musterung besteht aus streng symmetrischem Rankenwerk, in welchem gelegentlich Figuren oder Embleme angebracht sind. Das Muster ist meist für den ganzen Bogen so komponiert, daß nur eine große Platte zum Druck erforderlich war. Daneben kommen die oben erwähnten Rankenmuster in Wiederholung mit besonders eingedruckten Stempeln vor, [642] welche allmählich häufiger werden. Später druckte man die Muster gern auf gesprenkelte Papiere. Die Muster erscheinen durchweg in Gold; als „Augsburger Papier“ waren die Goldmuster auf rotem Grund bekannt. Auch die Gold- und Silberpapiere versah man mit Pressung. Seit Einführung des Kattundruckes benutzte man mehr und mehr die dazu erforderlichen Druckmodeln auch zur Herstellung der Buntpapiere; das „Kattunpapier“ verdrängte allmählich alle andern Sorten. Eine Reihe Werkstätten aus dem 17. und 18. Jahrh. sind uns auf den Papieren selbst erhalten, Hauptort der Fabrikation war Augsburg. Ferner wurde B. in Nürnberg, Halle, Magdeburg, Saarbrücken, Aschaffenburg, Worms, Frankfurt, Nördlingen etc. hergestellt. Auch in Frankreich und England wurde B. in Menge erzeugt. Der Gebrauch der bedruckten Buntpapiere war namentlich im 18. Jahrh. ein sehr ausgedehnter: neben den Zwecken der Buchbinderei und Kartonarbeiten wurde es hauptsächlich zu Aktendeckeln verwendet. Als an Stelle des farbigen der blaue Aktenumschlag trat, überhaupt der Sinn für farbigen Schmuck erlosch, verfiel die Fabrikation mehr und mehr; im 19. Jahrh. fertigte man B. nur noch für besondere Zwecke, namentlich für Zuckertüten etc. Die Kartonagefabrikation bediente sich mehr und mehr der bunten, glänzenden Gelatinepapiere. Erst infolge der allgemeinen Hebung des Geschmacks und der Nachfrage nach B. als Vorsatzpapier für Buchbinder fertigte man in Deutschland und Frankreich wiederum künstlerisch verzierte Buntpapiere. Namentlich ist Aschaffenburg Hauptsitz dieser Industrie. Dort ging man bei der Musterung der Buntpapier von den Stoffmustern aus, die man einfach für B. umsetzte. In neuester Zeit ist das B. von Ostasien (China und hauptsächlich Japan) in Europa stark in Aufnahme gekommen. Das Papier jener Länder ist durchweg Pflanzenpapier. Das Färben geschieht meist in der Masse (durch Eintauchen), das Mustern mittels Holzmodeln oder Schablonen. In China fertigt man das Papier in und um Peking. Das B. ist für viele Zwecke beliebt, wo wir es nicht anwenden; z. B. Briefbogen und Briefkouverte sind mit farbigen Darstellungen bedruckt. Das sogen. Reispapier, welches zur Herstellung der Papierblumen in gefärbtem Zustand Verwendung findet, ist gar kein Papier, sondern in Blättern abgeschältes Pflanzenmark. Japan hat eine ausgedehnte Industrie und überaus großen Verbrauch; das B. vertritt hier unter anderm vollständig unser Leder. Auch hier sind alle möglichen Papiere bedruckt: Briefbogen, Schreibpapier, Einwickelpapier, und zwar mit ornamentalen Mustern sowohl als mit Darstellungen. Um das Papier haltbarer zu machen, wird es gekreppt: zu Taschentüchern, Tischdecken etc. Eine besondere Anwendung findet das Goldpapier in der Weberei: bei allen Brokatstoffen ist der Schuß Goldpapier, auch bei den feinsten Seidenbrokaten; das Goldpapier wird um einen Baumwoll- oder Garnfaden gewickelt und mit diesem gezwirnt. Das Lederpapier, aus dem man Regenmäntel, Taschen, Etuis, Regenschirme, Hüte, Tapeten etc. macht, wird folgendermaßen hergestellt: Das Pflanzenpapier wird mit einer Mischung aus Kleister und Kienruß bestrichen, getrocknet, gekreppt und geölt, und nun wird mit Holzmodeln das Muster eingepreßt. Dann erst wird es in einer Kleisterlösung mit Farbenzusatz gefärbt, mit Lack sorgfältig getränkt und getrocknet. Die Muster werden vor dem Lackieren zum Teil vergoldet. Vgl. Exner, Die Tapeten- und Buntpapierindustrie (Weim. 1869); Karmarsch u. Heeren, Technologisches Wörterbuch, unter „B.“; „Ledertapeten und Buntpapiere“ (Katalog der dritten Sonderausstellung des Kunstgewerbemuseums zu Berlin 1883). S. auch Litteratur unter „Papier“.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Eine Ergänzung zu diesem Artikel befindet sich im Korrespondenzblatt zum neunten Band.