MKL1888:Briefmarken
[421] Briefmarken[WS 1] (Freimarken, franz. Timbres-poste, engl. Postage-stamps), von den Postverwaltungen ausgegebene Wertzeichen, welche zur Frankierung der Postsendungen dienen. Ursprünglich wurden die B. nur zur Entrichtung der Postgebühr für gewöhnliche Briefe benutzt. Seitdem die B. auch zur Frankierung andrer Postsendungen sowie von Telegrammen Verwendung finden und zur größern Bequemlichkeit mit Wertstempel versehene Briefumschläge (Frankokouverts) und Postkarten hergestellt sind, ist zur Bezeichnung des Gesamtbegriffs der zur Gebührenentrichtung für Postsendungen und Telegramme dienenden Wertzeichen amtlich die zutreffendere Benennung Postwertzeichen angenommen worden. Der Erfinder der B. ist M. de Velayer, Maître des requêtes (Berichterstatter über Bittschriften, Staatsrat) unter Ludwig XIV., der 1653 das Privilegium erhielt, in Paris eine Art Stadtpost einzurichten. Zur Vorausbezahlung des Stadtpostportos von 1 Sou führte derselbe sogen. „billets de port payé“ ein, deren Entwertung vom Absender selbst durch handschriftliche Ausfüllung des Aufgabedatums in einem hierzu bestimmten Vordruck: „Port payé le … jour du mois … l’an 1653“ bewirkt wurde. Dieselben bestanden aber nur wenige Jahre (bis 1676). 1812 verausgabte in Schottland eine Schiffahrtsgesellschaft eine Art Brief- und Paketmarken, 1818 aber Sardinien mit B. bestempelte Kouverts in Farbendruck, die 1820 einer neuen Emission in farblosem Reliefdruck wichen. Auch sie waren nur bis 1836 in Kurs. Im J. 1823 wollte Curry Gabriel de Treffenberg in Schweden Postmarken einführen; sein Projekt war aber verfrüht. Nachdem Ende der 30er Jahre die Idee der B. in England von dem Publizisten Ch. Knight wieder aufgenommen war, blieb der Ruhm ihrer endgültigen Einführung Sir Rowland Hill (1840), der auch oft unzutreffenderweise als ihr Erfinder genannt wird. Seitdem verging kein Jahr, daß nicht andre Länder mit Einführung der B. gefolgt wären, so daß sie jetzt (mit wenig Ausnahmen) bei allen kultivierten Nationen im Gebrauch sind. Auf England folgten in der Ausgabe von B. 1843 Brasilien, 1845 Finnland, 1846 Nordamerika, 1848 Rußland, 1849 Frankreich, Belgien und Bayern, 1850 Preußen, Österreich, Sachsen u. s. f. Heute ist es Grundsatz, daß für alle im innern und internationalen Verkehr vorkommenden Postsendungen im Frankierungsfall die Beförderungsgebühren durch Postwertzeichen zu entrichten sind. Die B. tragen auf der Vorderseite teils das Wappen des Staats, Embleme oder Sinnbilder, teils das Brustbild des Landesherrn oder sonst verdienter Persönlichkeiten nebst der Wertangabe und sind auf der Rückseite mit Gummi überzogen, welches, angefeuchtet, zum Aufkleben derselben auf den Brief dient. Da die B. die Stelle baren Geldes vertreten und auch in außerpostalischem Verkehr vielfach als bequemes Ausgleichmittel bei kleinen Zahlungen benutzt werden, so leisten sie gleiche Dienste wie Papiergeld und sind auch wie dieses der Fälschung unterworfen (§ 275 des Reichsstrafgesetzbuches bedroht eine solche Fälschung mit Gefängnisstrafe nicht unter drei Monaten, unter Umständen mit Verlust der Ehrenrechte). Die Herstellung ist daher darauf berechnet, thunlichst vor Nachahmungen zu schützen, und erfolgt zu diesem Zweck meist in staatlichen Druckereien (in Deutschland bei der Reichsdruckerei) unter Anwendung geheimer Zubereitungsweisen für Papier und Farbe etc. durch Stahlstich. Nach Entwerfung des Markenbildes wird von einem Graveur je ein Original- oder Urstempel in Stahl gestochen; von diesem werden auf galvanoplastischem Weg die erforderlichen Vervielfältigungen genommen, die sodann zu Platten von mehreren Hundert Stück zum Hand- oder Schnellpressendruck zusammengestellt werden. Fast überall haben die B. im Lauf der Zeit vielfache Änderungen erfahren. So sind z. B. in Spanien seit 1850: 401 verschiedene Arten B. im Umlauf gewesen. Auf der ganzen Erde bestehen gegenwärtig über 5000 verschiedene Arten von Postwertzeichen, von denen allein auf Europa ungefähr 3000 entfallen. Diese Mannigfaltigkeit mag mit Anteil daran haben, daß die wohl nicht mehr als vorübergehende Laune zu betrachtende Liebhaberei des Briefmarkensammelns einen so erheblichen Aufschwung genommen hat und sich jetzt auf alle Gattungen von Postwertzeichen erstreckt. Als die bedeutendste Privatsammlung wird diejenige des Herzogs von Galliera in Paris bezeichnet, welcher für dieselbe die Summe von 1½ Mill. Frank aufgewendet haben soll. Eine zweite berühmte Privatsammlung besitzt Arthur v. Rothschild in Paris, einen Wert von 200,000 Fr. repräsentierend. Die bedeutendste öffentliche Sammlung von Postwertzeichen ist diejenige der deutschen Reichspostverwaltung im Berliner Postmuseum, die außer den gestempelten Briefumschlägen, [422] Kreuzbändern, Postkarten, Postanweisungen, Postaufträgen und sonstigen mit Postwertzeichen versehenen Formularen mehr als 5000 Marken enthält. 1859 entstanden in Paris die ersten Briefmarkengeschäfte. Seitdem hat der Briefmarkenhandel einen nicht unbedeutenden Handelsverkehr hervorgerufen, dessen Zentralsitze Leipzig, Wien, Hamburg, Brüssel, Paris und London sind; in Hamburg und Paris hat man sogar Briefmarkenbörsen. Für die Briefmarkenkunde (Philatelie, französische Bezeichnung „Timbrologie“) entstanden besondere Fachzeitschriften. Anfang 1885 zählte man in Deutschland und Österreich 7, in Frankreich 7, in England 10, in Nordamerika 15, in Spanien 2, in Italien, Schweden, Dänemark, Belgien, Holland je 1 periodisches Blatt; dazu zahlreiche Kataloge, Photographien, Albums (z. B. die von Zschiesche, Leipz. 1884; Klötzsch, 1884; Schaubeck, 1885) etc. Auch besondere Vereine für philatelische Zwecke existieren in London, Turin, Paris und Dresden. Vgl. Moschkau, Handbuch für Postmarkensammler (5. Aufl., Leipz. 1884); Derselbe, Die Wasserzeichen auf den B. nebst Geschichte der B. und des Sammelwesens (4. Aufl., Dresd. 1880); Perlep, Katalog der Stempelmarken aller Staaten (Leipz. 1880); Veredarius, Das Buch von der Weltpost (Berl. 1885).
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Siehe hierzu auch Briefmarke in Band 18