Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Bolus“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 3 (1886), Seite 174175
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Bolus. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 3, Seite 174–175. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Bolus (Version vom 22.03.2024)

[174] Bolus (Bol, lemnische Erde, Sphragid), früherer Name von Thonen, die zu medizinischen Zwecken und als braune und rote Farben benutzt wurden. Ihre Anwendung bei verschiedenen Krankheiten reicht bis ins Altertum hinauf. Besonders stand die lemnische Erde als Heilmittel in hohem Ruf, während die von Sinope mehr als Malerfarbe im Gebrauch war. Erstere kam schon im Altertum wie noch gegenwärtig mit aufgedrücktem Siegel in den Handel (Siegelerde, Sphragid, Terra sigillata). Seit 1508 war die lichtbraune Siegelerde von Striegau, später die bläulichgraue sächsische Siegel- oder Wundererde von Stolpen wie schon vorher eine weiße von Malta im Gebrauch. Hiernach werden unter dem Namen B. Thone von wesentlich verschiedener Beschaffenheit und Zusammensetzung begriffen. Die Mineralogie beschränkt den Namen auf die mehr oder weniger fettig anzufühlenden, schwach fettglänzenden, auf dem Strich glänzendern, in muschelige, scharfkantige Stücke brechenden Thone, welche, ins Wasser geworfen, unter Zerknistern in eckige Stücke und endlich in eine feinerdige, plastische Masse zerfallen. Ihre Farbe ist isabellgelb bis kastanienbraun und wird zumeist durch Brennen rot, bei Mangangehalt braun (cyprische Umbra). Ihre Härte ist 1–2, ihr spez. Gew. 2,2–2,5. Ihrer chemischen Zusammensetzung nach bestehen sie aus 41–42 Proz. Kieselerde, 20–25 Proz. Thonerde, 24–25 Proz. Wasser, 0–12 Proz. Eisenoxyd, auch Manganoxyd (cyprischer B.) nebst kleinen Mengen von Kali, Magnesia und Kalkerde. Am häufigsten finden sie sich in Klüften und eingesprengt im Basalt, in basaltischer Wacke, basaltischem Tuff und im Phonolith; so zu Striegau, Steinhau und Goldberg in Schlesien, bei Göttingen, im Habichtswald in Kurhessen, bei Seidenberg im Königreich Sachsen, in der Rhön, in Böhmen, am Kaiserstuhl, besonders auch bei Siena (Terra di Siena, kastanienbraun) in Toscana, ebenso in ältern Trappgesteinen zu Sinope und auf Cypern. Weit seltener [175] ist das Vorkommen im Serpentin (Frankenstein in Schlesien), im Glimmerschiefer (Schweden, Cykladen), in Klüften des Kalksteins (Waltershausen), im Keupermergel (Württemberg), auf Eisenlagerstätten (Neuenburg in Württemberg) und in andern Erzgängen (Freiberg). Der weiße B. (B. alba) ist gräulichweiß, oft weiter nichts als feinerer oder gröberer Thon, diente früher als austrocknendes und blutstillendes Mittel, jetzt noch als Kitt bei Destillation von Säuren. Der braune B. (braune Erde von Siena) wird namentlich in der Freskomalerei und für braune Kupferstiche benutzt. Der rote B. von Sinope und aus Nordafrika (Sinopis) wurde von den Alten viel zum Bemalen der Täfelchen, womit die Wände belegt wurden, benutzt und zeigt sich noch in Pompeji in seiner vollen Farbenpracht. Der rote B. (B. rubra) dient als Anstrichfarbe und wird besonders aus Nürnberg bezogen. Der armenische oder morgenländische B., die feinste Sorte des vorigen, ist höchst feinerdig und fettig. Oft hat seine rote Farbe einen Stich ins Gelbe. In Frankreich reinigt man ihn oft schon in den Gruben, formt ihn in kleine, runde Scheiben und drückt ein Zeichen darauf. Schon die Alten wendeten das Leukophoron als Bindemittel für das Gold, wenn es auf Holz aufgetragen wurde, an, und so tragen ihn noch jetzt die Vergolder als Untergrund auf das Holz. Ebenso wird er zur Grundierung des Gold- und Silberpapiers gebraucht. Aus Armenien selbst kommt dieser B. nicht mehr, wie in ältern Zeiten, nach Europa; wohl aber geht er von da stark nach Indien, wo er noch medizinische Anwendung findet. Der gelbe B. (B. lutea) wird von den Vergoldern dem armenischen B. vorgezogen. Die Holländer holen ihn aus Berry, brennen ihn, wodurch er schön rot wird, und verkaufen ihn als Englisch- oder Berliner Rot. Außerdem dient er als Kitt, zur Anfertigung von Formen für Metallguß, zu Gefäßen und Pfeifenköpfen und geschlämmt als Poliermittel für Glas, Metalle u. Steine sowie früher in der Medizin als absorbierendes Mittel.

Bolus (neulat.), Bissen, Arzneiform für Menschen und Tiere, pillenartig, aber größer und weicher als die Pille, wird auf einmal verschlungen.