MKL1888:Birnbaum
[972] Birnbaum (Pirophŏrum Med.), Gruppe der Pflanzengattung Pirus (s. d.), nach Linné eine Art dieser Gattung, P. communis, von welcher die zahlreichen Kulturvarietäten abgeleitet wurden. Unser sogen. wilder B. (P. Achras Gärtn.), welcher nicht selten in unsern Wäldern, mehr noch in Süddeutschland und besonders in Südeuropa vorkommt, stammt wahrscheinlich aus China und ist bei uns nur verwildert. Von ihm stammen die meisten und zwar gerade die bessern Birnen ab, obwohl auch noch P. elaeagnifolia Pall., vom kaukasischen Isthmus, aus Kleinasien und Armenien, und P. persica Pers., aus Syrien, Arabien und Persien, durch Kultur und mehr noch durch zufällige Kreuzung zur Vermehrung unsrer Birnsorten beigetragen haben. Man kann durch direkte Versuche darthun, daß alle Formen des sogen. wilden Birnbaums durch Aussaat unsrer bessern Birnen entstehen. Man zählt gegenwärtig schon über 700 in Gestalt und Güte verschiedene Birnsorten und unterscheidet nach Lucas Sommerbirnen, die ihre vollkommene Reife am Baum erlangen und vor Ende Oktober vollständig fleischreif sind; Herbstbirnen, welche von Anfang September bis Mitte November zeitigen und meist einige Wochen lagern müssen, ehe sie völlige Fleischreife erreichen; Winterbirnen, die gewöhnlich zwei Monate und länger lagern müssen und erst von Mitte November an, im Dezember, Januar etc. fleischreif werden. Diese Gruppen werden nach der Form der Birnen weiter eingeteilt in platte, rundliche (meist kreiselförmige), längliche (Längsdurchmesser bis ¼ größer als der Querdurchmesser) und lange (Längsdurchmesser mehr als ¼ größer als der Querdurchmesser). Die so erhaltenen zwölf Klassen werden in Ordnungen geteilt, indem man grundfarbige (mit grüner, weißer, gelber Schale ohne beträchtliche Röte und ohne stärkern Rostüberzug), gefärbte (mindestens zu 1/3 auf der Sonnenseite deutlich und konstant rot) und rostfarbige Birnen (ganz oder größtenteils mit Rost bedeckt) unterscheidet. Dazu gibt es noch drei Unterordnungen: mit regelmäßigem, sternförmigem Kelch, mit aufgerichtetem, blätterigem und mit unvollkommenem, hornartigem oder fehlendem Kelch. Das natürliche System von Lucas enthält die in folgender Übersicht verzeichneten 15 Familien:
S = Sommerbirne, H = Herbstbirne, W = Winterbirne. D zum Dörren, C zur Obstweinbereitung geeignete Sorten. * bedeutet Tafelobst, † Wirtschaftsobst; Verdoppelung der Zeichen gibt höhern, ein ! ganz besondern Wert an.
1) Butterbirnen mit völlig schmelzendem Fleisch, von wahrer Birnform und regelmäßigem Bau, meist länger als breit, selten gleich breit und lang, aber nie am Stiel stark abgeplattet: Pfirsichbirne S**, Amantis Butterbirne S**†, Madame Treyon S**!, Leckerbissen von Angers H**!, weiße Herbstbutterbirne H**!†, Colomas Herbstbutterbirne H**†, Comperette H**†, Herbstsilvester H**!†, Gellerts Butterbirne H**!†, Liegels Winterbutterbirne W**!†, Winterdechantsbirne W**!†, Diels Butterbirne W**!†, Dechantsbirne von Alençon W**!†, die Arenberg W**!†.
2) Halbbutterbirnen, den vorigen gleich, nur mit halb schmelzendem Fleisch: runde Mundnetzbirne, Sommerbergamotte S**†, grüne Sommer-Magdalene S**, Madame Verté W**!.
3) Bergamotten mit völlig schmelzendem Fleisch, platt oder rundlich, namentlich am Stiel abgeplattet: Madame Favre S**!, Esperens Herrenbirne S**††, rotgraue Dechantsbirne H**!†, Olivier du Serres W**!, Zephirin Gregoire W**!†.
4) Halbbergamotten, von der Form der vorigen, mit nur halb schmelzendem Fleisch: Juli-Dechantsbirne S**.
5) Grüne Langbirnen mit schmelzendem und halb schmelzendem Fleisch, länglich und lang, grün, nicht oder wenig berostet, auch bei völliger Reife grün oder grünlichgelb: grüne Tafelbirne S**†, Sparbirne S**†, punktierter Sommerdorn H**††, Pastorenbirne H*††, neue Poiteau H**†, Graf Canal W**!, Saint-Germain W**!†.
6) Flaschenbirnen mit schmelzendem und halb schmelzendem Fleisch, länglich und lang, grünlichgelb oder gelb, mit zimtfarbigem oder rotgrauem Rost: Marie Luise H**!†, van Mons Butterbirne H**!†, Boscs Flaschenbirne H**!†, van Marums Flaschenbirne H*††.
7) Apothekerbirnen mit schmelzendem oder halb schmelzendem Fleisch, von unregelmäßiger, beuliger oder höckeriger Form, von gleichem oder ungleichem Längen- und Breitendurchmesser: Clapps Liebling S**!, Butterbirne von Ghelin H**!, Vereins-Dechantsbirne H**†, Napoleons Butterbirne H**!†, Hardenponts Leckerbissen H**!, Nikitaer Apothekerbirne H*††, Grumkower Butterbirne H**†, General Totleben H**†, Fortunée W**!†, Winter-Apothekerbirne W*††!, Hardenponts Winterbutterbirne W**!†.
8) Russeletten, kleine oder mittelgroße Birnen mit schmelzendem oder halb schmelzendem, zimtartig gewürztem Fleisch, länglich, ganz oder doch auf der Sonnenseite braunrot, meist mit Rost versehen: gute Graue S**!††, Forellenbirne H**!†.
9) Muskatellerbirnen, kleine und mittelgroße Sommer- oder frühe Herbstbirnen, meist länglich, mit Bisamgeschmack.
10) Schmalzbirnen, mittelgroße und große, noch zu den Tafelbirnen zu zählende Früchte mit schmelzendem oder halb schmelzendem Fleisch, lang oder länglich und nicht in den ersten neun Klassen inbegriffen: römische Schmalzbirne S**††!, van Marums[WS 1] Schmalzbirne H*††, zimtfarbige Schmalzbirne *††.
11) Gewürzbirnen, kleinere, längliche und rundliche Birnen von derselben innern Beschaffenheit wie die Schmalzbirnen sowie von etwas größern Früchten, nur die rundlichen und platten, nicht die länglichen, die vielmehr zu den Schmalzbirnen gehören.
12) Längliche Kochbirnen mit hartem oder rübenartigem, nur selten halb schmelzendem Fleisch, nicht zum Rohgenuß geeignet, nicht herb, sondern fade oder fadsüß, mit größerm Längen- als Breitendurchmesser: Senfbirne H††!, Kamper Venus W††!, Veldenzer Birne W††!, Queenbirne W††!, schöne Angevine W††.
13) Rundliche Kochbirnen, von gleicher Qualität wie die vorigen, beide Durchmesser gleich oder der der Höhe kleiner als der der Breite: Kuhfuß S††!, Schneiderbirne S††D, Wittenberger Glockenbirne H††C, Schnackenburger Winterbirne W††, Wildling von Hery W*††.
14) Längliche Weinbirnen, nicht zum Rohgenuß geeignet, mit brüchigem, rübenartigem oder selbst halb schmelzendem Fleisch, entschieden herbem, adstringierendem Geschmack, länglich: späte Grünbirne S*††D, Knausbirne S††, gelbe Wadelbirne S††!, Träubles Birne H††C.
15) Rundliche Weinbirnen, von derselben innern Beschaffenheit wie die vorigen, aber rundlich: Rummelter Birne H††!C, Champagner Bratbirne H††!C, welsche Bratbirne H††C, Pomeranzenbirne vom Zabergau H††!C, Wolfsbirne, Quittenbirne [973] H††!C, Weilersche Mostbirne H††!C, Wildling von Einsiedel H††!C, Betzelsbirne W††!C, großer Katzenkopf W††!. Zu den letzten Familien gehören auch die zum Dörren (D) und zur Obstweinbereitung (C) geeigneten Birnsorten.
Die Zusammensetzung einiger Birnsorten zeigt folgende Tabelle:
Birnsorten | Wasser | Trockensubstanz | Unlösliche Substanz | Im Saft gelöste Substanz | Zucker | Pektin, Eiweiß, Salze | Freie Säure |
Dechantsbirne | 76,02 | 23,98 | 8,51 | 15,47 | 9,23 | 5,69 | 0,55 |
Grumkower Birne | 79,47 | 20,53 | 6,79 | 13,74 | 9,68 | 3,24 | 0,82 |
Sommerdorn | – | – | – | – | 9,38 | – | 0,05 |
Forellenbirne | 83,95 | 16,05 | 3,38 | 12,67 | 8,09 | 4,53 | 0,12 |
Wildling von Einsiedel | 77,55 | 22,45 | 8,88 | 13,57 | 10,88 | 1,83 | 0,86 |
Echte Bratbirne | 79,30 | 20,70 | 7,37 | 13,37 | 8,60 | 3,94 | 0,83 |
Wolfsbirne | 80,12 | 19,88 | 6,28 | 13,60 | 9,16 | 3,69 | 0,83 |
Bogenäckerin | 82,31 | 17,69 | 4,24 | 13,45 | 9,86 | 2,98 | 0,61 |
Hariegelbirne | 81,45 | 18,55 | 6,82 | 11,73 | 8,50 | 2,72 | 0,51 |
Im Durchschnitt | 80,02 | 19,98 | 6,53 | 13,43 | 9,26 | 3,01 | 0,58 |
Birnen sind im allgemeinen zuckerreicher als Äpfel und daher etwas nahrhafter, aber sie enthalten ca. 4 Proz. mehr unverdauliche Stoffe und werden deshalb bei schwacher Verdauung weniger gut vertragen, wirken auch leicht verstopfend. Die sogen. Steine in den Birnen haben eine ähnliche Zusammensetzung wie die Holzsubstanz. Die Aufbewahrung der Birnen ist schwieriger als die der Äpfel, weil die Birne viel weniger haltbar ist; ein kühler, luftiger Raum sagt ihnen mehr zu als völliger Luftabschluß, bei welchem sie leicht in Gärung übergehen. Man dörrt Birnen wie Äpfel, doch erfolgt die vollständige Austrocknung bei jenen viel langsamer, und das französische Verfahren erfordert besonders viel Arbeit und Mühe. In obstreichen Gegenden legt man Birnen in Fässer ein, indem man sie mit Dill oder Fenchel und wenig Anis sorgfältig schichtet, mit denselben Gewürzen 2–3 cm hoch bedeckt, einen mit Steinen beschwerten Deckel auflegt und nun Wasser aufgießt, bis es 2–3 cm hoch über dem Deckel steht. Der Wasserstand muß immer gleichhoch bleiben, und beim Herausnehmen der Birnen muß man den Luftzutritt möglichst vermeiden. Solche Sülzebirnen schmecken sehr gut und halten sich bis zum Frühjahr. Größere Mengen Birnen werden zu Birnenkraut und Obstwein verarbeitet, in manchen Gegenden auch zu Essig. Das Holz des Birnbaums, namentlich das des wilden, ist rötlich, hart, sehr politurfähig und bildet ein geschätztes Nutzholz, welches besonders zu Schnitzereien, musikalischen Instrumenten, Druckformen und Modellen benutzt wird. Das Holz von veredelten Stämmen ist in jeder Beziehung schlechter. Der B. bildet den Gegenstand ausgedehnter Kulturen, er verlangt einen tiefgrundigen, mehr lockern, lehmigen, warmen Boden und in den feinern Sorten eine geschützte Lage und sorgfältige Behandlung. Man kultiviert ihn als Hochstamm durch Veredelung auf Wildlinge, die aus Kernen gewöhnlicher Birnsorten erzogen sind. Eine große Anzahl der feinern Sorten muß als Formenbaum erzogen werden, weil in unserm Klima auf andre Weise vollkommene Früchte nicht zu erzielen sind. Man veredelt diese Formenbäume auf Quittenunterlage und bedeckt im Winter den Boden um den Stamm herum mit Laub oder kurzem Dünger. Für weniger gute, trockne Böden benutzt man Weißdorn als Unterlage und erhält dabei zwar zahlreiches, aber weniger feines Obst. Manche Sorten gedeihen nicht auf Quitte, und dann setzt man auf letztere zuerst eine kräftig wachsende Sorte und auf diese im nächsten Jahr die beabsichtigte. Gewisse Sorten (kleine Sommermuskateller, Leipziger Rettichbirne, römische Schmalzbirne, Flachsbirne, Salzburger, gute Graue, großer Katzenkopf, große Sommerzitronenbirne) eignen sich auch zur Anpflanzung in freien Lagen, an Straßen, auf Feldern und Triften.
Schon bei den Alten war die Birne eine hochgeachtete Frucht. Plinius zählt 35 Sorten auf, von denen viele den Namen ihrer Heimat führten, woraus erhellt, daß die Römer den größten Teil derselben aus Griechenland, Ägypten, Karthago, Syrien, Alexandria und Numantia erhalten hatten. Die Bergamotten kamen zuerst zu den Zeiten der Kreuzzüge aus Persien nach Europa. Seit Ende des vorigen Jahrhunderts, wo der Obstbau in mehreren Ländern Europas, in Deutschland besonders durch Christs, Sicklers und Diels Bemühungen, einen neuen Aufschwung nahm, sind viele neue, schöne Sorten aus Kernen gezogen worden, wie dies noch immer häufig geschieht. Vgl. Lucas,[WS 2] Auswahl wertvoller Birnsorten (nach Baltets „Les bonnes poires“, Reutlingen 1863); Derselbe, Die besten Tafelbirnen (Stuttg. 1871).
Birnbaum, Kreisstadt im preuß. Regierungsbezirk Posen, links an der Warthe, mit einem Schloß, einer evangelischen und kath. Kirche, Amtsgericht, Maschinen- und Zigarrenfabrikation, Ziegelbrennerei und (1880) 3153 deutschen Einwohnern (711 Katholiken und 403 Juden).
Birnbaum, 1) Johann Michael Franz, Rechtsgelehrter, geb. 19. Sept. 1792 zu Bamberg, studierte seit 1811 in Erlangen und dann in Landshut Jurisprudenz. 1817 als Professor der Rechte an die Universität Löwen berufen, begründete er mit mehreren seiner Amtsgenossen die Zeitschrift „Bibliothèque du jurisconsulte“, die später mit der zu Paris erscheinenden „Thémis“ vereinigt wurde. Nach dem Ausbruch der Revolution wurde er durch einen Beschluß der provisorischen Regierung 1830 entlassen. Er ging nach Bonn, hielt an der dortigen Hochschule Vorlesungen, ward 1833 Professor in Freiburg, 1835 in Utrecht, 1840 Professor der Rechte und 1847 Kanzler an der Universität Gießen, wo er 14. Dez. 1877 starb. Unter seinen Schriften erwähnen wir: „Deduktion der Rechte des Herzogs von Looz-Corswarem auf das Fürstentum Rheina-Wolbeck“ (Aachen 1830); „Die rechtliche Natur der Zehnten“ (Bonn 1831), „Commentatio de Hugonis Grotii in definiendo jure naturali vera mente“ (das. 1835). Seine Biographie schrieb Gareis (Gießen 1878).
2) Karl Joseph Eugen, Sohn des vorigen, Lehrer der Landwirtschaft, geb. 18. Mai 1829 zu Löwen in Belgien, studierte 1848–50 zu Gießen, war dann drei Jahre als Landwirt thätig, widmete sich 1853–56 dem theoretischen Studium der Landwirtschaft in Gießen und Jena und habilitierte sich als Privatdozent zu Gießen. Von da ab bis 1860 war er zugleich bei Frankfurt a. M. als Oberverwalter und Leiter einer Anstalt für Erziehung landwirtschaftlicher Arbeiter thätig und begründete dann eine Privatlehranstalt für Landwirte in Gießen. 1866 übernahm er die landwirtschaftliche Lehranstalt Plagwitz-Leipzig und erlangte 1869 die Professur an der Universität, an welcher er nach Aufhebung des Privatinstituts verblieb. 1871–73 war er Mitglied des deutschen Reichstags und gehörte der nationalliberalen Partei an. Er schrieb: „Lehrbuch der Landwirtschaft“ (Frankf. a. M. 1858–63, 3 Bde.); „Fr. Gottl. Schulze als Reformator der Landwirtschaft“ [974] (das. 1860); „Die Universitäten und die isolierten landwirtschaftlichen Lehranstalten“ (Gießen 1862); „Wie und wann soll man düngen?“ (Mainz 1863); „Die Kalidüngung in ihren Vorteilen und Gefahren“ (Berl. 1868); „Denkschrift über das Genossenschaftswesen in der Landwirtschaft“ (das. 1870); „Landwirtschaftliche Taxationslehre“ (Berl. 1877); „Katechismus der landwirtschaftlichen Buchführung“ (Leipz. 1879); „Wichtige Tagesfragen“, Vorträge (Berl. 1880). Er bearbeitete auch J. v. Kirchbachs „Handbuch für angehende Landwirte“ (9. Aufl., Berl. 1880), redigierte Thiels „Landwirtschaftliches Konversationslexikon“ (Leipz. 1876–81, 7 Bde.) und gab 1870–74 die Monatsschrift „Georgika“, zuletzt „Deutsche Monatsschrift für Landwirtschaft und einschlagende Wissenschaften“ heraus.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: van Morums
- ↑ Eduard Lucas