Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Bienenzucht“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 2 (1885), Seite 907912
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Bienenzucht. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 2, Seite 907–912. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Bienenzucht (Version vom 10.04.2023)

[907] Bienenzucht, die praktische Anwendung der aus der theoretischen Kenntnis der Bienennatur (s. Bienen) gewonnenen Grund- und Lehrsätze auf die Behandlung dieses Insekts, um einen bestimmten Zweck mit ihm zu erreichen. Selten betreibt man die B. bloß zum Vergnügen oder zu bloß wissenschaftlichen Zwecken; Hauptzweck ist die Gewinnung des Honigs und des Wachses. Da die B. nur ein kleines Anlagekapital erfordert, so ist ihr Ertrag geradezu ein landwirtschaftlicher Fund, und die Staaten sollten alle Mittel aufbieten, sie zu immer höherer nationalökonomischer Bedeutung zu erheben.

Man unterscheidet zwei Hauptgattungen der B. Die Waldbienenzucht besteht darin, daß man noch stehende Waldbäume aushöhlt, die Höhlung mit einem Brett, in das man kleine Öffnungen zum Ein- und Ausgehen der Bienen einschneidet, verschließt und [908]

Fig. 2. Liegende Klotzbeute.
Fig. 1. Stehende Klotzbeute. Fig. 5. Walzenkorb.
Fig. 6. Walze.
Fig. 3. Stülpkorb. Fig. 8. Bauchstülper. Fig. 4. Trauben­stülper.
Fig. 15. Berlepsch’
Ständerbeute
(vgl. Fig. 16)
Fig. 9. Kegelstülper.
Fig. 7. Thorstock.

nun einen solchen ausgehöhlten Stamm (Beute) mit einem Bienenschwarm besetzt. Wenn im Herbste die Honigtracht zu Ende ist, kassiert man einen Teil der Völker und schneidet deren Honig und Wachs aus. In den Kulturstaaten betreibt man gegenwärtig nur Gartenbienenzucht, d. h. man hält und pflegt die Bienen in den Gärten der Häuser. Dabei unterscheidet man Standbienenzucht, bei welcher die Völker den ganzen Sommer über im Bienengarten stehen bleiben, und Wanderbienenzucht, bei welcher man die Völker, wenn es im Ort an Honigtracht fehlt, an solche Orte transportiert, wo ihnen die Natur den Tisch reichlich gedeckt hat.

In völliger Freiheit legen die Bienen ihr Nest (Bau) in hohlen Bäumen, Mauerlöchern und Felsspalten an, um es gegen widrige Witterungseinflüsse und feindliche Tiere zu schützen. Der Mensch baut ihnen besondere Behälter, welche man Bienenwohnungen, Bienenstöcke, kurzweg Stöcke nennt. Als Material zu den Bienenstöcken verwendet man Holz und Stroh. Die Form der Stöcke ist sehr verschieden; es lassen sich jedoch zwei Hauptformen unterscheiden: Ständer, bei denen die größte Ausdehnung der innern Höhlung in die Höhe, und Lagerstöcke, bei denen die größte Ausdehnung der Höhlung in die Länge geht. Die Größe der Wohnungen richtet sich hauptsächlich nach den Trachtverhältnissen der Gegend. Vielfache Erfahrungen haben gelehrt, daß der Raum, in dem ein Bienenvolk bauen, brüten und Honigvorräte ansammeln soll, etwa 50,000 ccm lichten Raum haben muß. Wohnungen, die sich in mehrere Teile zerlegen lassen, nennt man teilbar, und sie haben in der Regel vor unteilbaren den Vorzug. Ganz in der Gewalt hat der Züchter die Bienen nur dann, wenn er ihren Bau, ohne ihn zu zerstören oder nur irgendwie erheblich zu verletzen, aus der Wohnung herausnehmen und wieder in dieselbe oder in eine andre gleichgroße einstellen kann. Der Erfinder eines solchen Stockes mit beweglichen Waben (Mobilbau) ist der Pfarrer Dzierzon, weshalb man den Stock mit beweglichen Waben den Dzierzonstock nennt. Alle Stöcke mit unbeweglichen Waben (Immobilbau) erschweren die Behandlung und Untersuchung der Bienenvölker.

Der älteste Stock mit unbeweglichen Waben ist die Klotzbeute (Fig. 1 u. 2), ein dicker, ausgehöhlter Baumstamm von 1,8–2 m Länge; sie wird entweder als Ständer oder als Lager benutzt. Zu den unteilbaren strohernen Wohnungen mit Immobilbau gehören: der Stülpkorb (Fig. 3), der Traubenstülper (Fig. 4), der Walzenkorb (Fig. 5), die Walze (Fig. 6) und der Thorstock (Fig. 7). Unter den teilbaren Stöcken von Holz figurierte früher der aus viereckigen Holzkasten zusammengesetzte Ständer. Noch im Gebrauch ist der Ringkorb oder Ringstock, der aus einzelnen Strohkränzen oder Strohringen (à 10–14 cm Höhe) zusammengesetzt ist und entweder als Ringständer oder als Ringlager benutzt wird. Im Innern sind alle diese Wohnungen kreuzweise mit Stäbchen durchzogen, an welchen die Bienen die Waben befestigen. Bauchstülper (Fig. 8, Faßstock), Kegelstülper (Fig. 9, Zuckerhut), Würfelstülper, der Nuttsche Lüfterstock, der Lucassche Kugelstock etc. sind unpraktische Bienenwohnungen. Dzierzon nahm anfänglich

Fig. 10.

2,6 cm breite, 0,65 cm dicke und 26 cm lange Holzstäbe (Fig. 10), beklebte sie mit Wabenstreifen und hing sie in seine Kastenstöcke. Die Bienen bauten nun in der durch die Lehr- oder Richtstreifen vorgezeichneten Richtung weiter, und jetzt war [909] es möglich, jede ausgebaute Wabe, nachdem sie von den Seitenwänden des Stockes gelöst war, an dem Stäbchen herauszuheben, genau zu besehen und wieder einzuhängen. Freiherr v. Berlepsch vervollkommte Dzierzons Erfindung zunächst dadurch, daß er an den vier Ecken des Wabenträgers 0,65 cm breite Vorsprünge oder Ohren anbrachte, um stets eine angemessene Entfernung der Träger untereinander zu erzielen (Fig. 11). Das mühsame Lösen der Waben

Fig. 11.    
Fig. 12. Fig. 14. Fig. 16
(zu Fig. 15).

von den Wänden umging er dadurch, daß er vier 2,6 cm breite und 0,65 cm dicke Stäbchen in Form eines Rähmchens (Fig. 12) vereinigte, welches er nun statt des bloßen Stäbchens in den Stock hing. Die Beute für den Mobilbau ist sehr verschieden konstruiert. Als Normalbeute gilt die von Berlepsch konstruierte Lagerbeute mit Rähmchen (Fig. 13), Vogelschem Kanal und abnehmbarem Deckel. Sie ist aus Holz gearbeitet und bildet ein längliches liegendes Viereck. Im Lichten ist die Beute 41 cm hoch, 82 cm tief und 23,5 cm breit. Vom Boden der Beute stehen die Rähmchen 1,6 cm ab; die zwei übereinander stehenden Etagenrähmchen, à 18,3 cm hoch, nehmen

Fig. 13. Berlepsch’ Lagerbeute.

36,6 cm von der lichten Höhe weg. Die Rähmchen hängen in 1,3 cm hohen Fugen, die nach obenzu 1,3 cm hoch schräg zugeschnitten sind. Über den Rähmchen liegen Deckbrettchen, welche 0,65 cm dick sind und quer laufen. Die zwei Etagen, à 20 Rähmchen, nehmen 78,2 cm von der Tiefe der Beute ein. Um einen Raum zu erhalten, in dem die Bienen nur Honig aufspeichern, fertigt man ein Scheidebrett von 1,3 cm Dicke an; dasselbe besteht aus einem ausgetäfelten Rahmen, der die Höhe zweier Rähmchen und die Breite der Beute hat. Stellt man das Scheidebrett ein, so ist ein besonderer Honigraum abgegrenzt. In dem Bodenbrett der Beute bringt man einen Kanal zur Passage der Arbeitsbienen aus dem Brut- in den Honigraum an. Dieser Kanal ist 40 cm lang, 10 cm breit und 1,9 cm tief. Von den 40 cm Länge sind 20 cm in der Mitte mit einem eingelassenen, 0,9 cm dicken Brettchen bedeckt, so daß ein 1 cm tiefer Kanal entsteht. Man bringt den Kanal in der Mitte der Breite des Bodens so an, daß man mit dem Scheidebrett den Brutraum bis auf 12 Rähmchen verkleinern und bis auf 28 vergrößern kann. Solange die Bienen von dem Honigraum nicht Besitz nehmen sollen, wird die Kanalmündung verstopft. Hinten hat die Öffnung der Beute an beiden Seiten einen 2,6 cm tiefen und 1,3 cm breiten Falz, welcher die Thür aufnimmt, die unter dem Querholz steht und auf beiden Seiten durch je einen Wirbel gehalten wird. Der Deckel der Beute ist ein 2 cm dicker Rahmen mit innerer Füllung. Das Rähmchen ist, Ober- und Unterteil mitgemessen, 18,3 cm hoch und, die beiden Seitenteile mitgemessen, 22,2 cm breit; Oberteil und Schenkel sind 0,65 cm dick, der Unterteil aber etwa 0,5 mm schwächer. Um überall die normale Entfernung der Rähmchen voneinander zu erzielen, haben auch die Unterteile 0,65 cm breite Vorsprünge. Die Rähmchenschenkel stehen jederseits 0,65 cm von der Beutenwand ab, weshalb der Oberteil, damit er auch in die Fugen reiche, 2,6 cm länger sein muß als der Unterteil. In dem Raum, in welchem die Bienen brüten, kann statt zwei übereinander stehender Rähmchen ein sogen. Ganzrähmchen (Fig. 14) von 18,6 cm Höhe hängen. Der Oberteil des Rähmchens wird seiner ganzen innern Länge nach mit einem Streifen Richtwabe beklebt. Der naturgemäßeste Klebstoff ist flüssiges Wachs. Neben dem beschriebenen Lagerstock hat die Berlepschsche Ständerbeute (Fig. 15 u. 16) große Verbreitung gefunden. Seitenwände und Vorderwand bestehen bei ihr aus Bohlen; zum Deckel und Boden genügen 2,6 cm dicke Bretter. Die Beute faßt 36 Rähmchen, 12 stehen im Honigraum und 24 in den beiden Etagen des Brutraums. Den Vogelschen Kanal bringt man in der Vorderwand an und zwar so, daß die eine Hälfte in den Honigraum, die andre in den Brutraum reicht. Deckbrettchen liegen auf den Rähmchen des Brut- und Honigraums.

Von hoher Bedeutung für das Gedeihen der Bienen ist der Standort derselben. Man stelle die Stöcke an einem windstillen, namentlich nicht zugigen Platz auf. Unter keinen Umständen dürfen sie der Mittags- und Nachmittagssonne ausgesetzt sein; am verderblichsten sind die Sonnenstrahlen im Winter und zeitigen Frühjahr, wenn Schnee liegt, weil sie die Bienen aus den Stöcken locken. Kann man es vermeiden, so stelle man die Stöcke nicht an einem Ort auf, von dem aus sie über breite Ströme, Teiche oder Seen fliegen müssen. In der Nähe des Standes pflanze man niedrige Bäume und Gesträuch an, woran sich die Schwärme ansetzen und leicht eingefangen werden können. Für Körbe, Walzen etc. baut man ein nach Südosten gerichtetes Häuschen (Bienenhaus, Bienenschauer), an dessen innern Säulen Querriegel angebracht werden, auf welche die Stöcke zu stehen und zu liegen kommen. Mehr als drei Etagen soll das Bienenhaus nicht haben, denn stehen die Bienen sehr hoch, so sind sie Winden und Stürmen zu sehr ausgesetzt. Holzstöcke stellt man frei auf, und auch für Dzierzonstöcke ist ein Bienenhaus überflüssig. Die schönsten Bienenhäuser sind die von Berlepsch konstruierten Pavillons, welche sich bereits über ganz Deutschland, Österreich etc. verbreitet haben.

Gewöhnlich unterscheidet man zwei Betriebsmethoden in der B. Bei der Schwarmmethode hält man eine Normalzahl von Völkern in kleinen Stöcken, um jährlich recht viel junge Schwärme zu erhalten. Im Herbst eines jeden Jahrs wird die Zahl der Völker auf die Normalzahl reduziert, indem man die honigreichsten und honigärmsten kassiert, um Honig und Wachs zu ernten. Die Zeidelmethode besteht darin, daß man die Völker in geräumigen Wohnungen hält, damit sie nicht schwärmen, sondern viel Wachsbau aufführen und möglichst viel Honig aufspeichern. Im [910] Herbst oder Frühjahr wird der Überfluß an Honig und Wachs ausgeschnitten (gezeidelt). Da aber stets Völker eingehen und namentlich der Winter Opfer fordert, so ist einleuchtend, daß die Zeidelmethode auf die Dauer praktisch nicht durchführbar ist. Imker, welche die Zeidelmethode befolgen, bestimmen daher nur einen Teil ihrer Stöcke zu Honigstöcken und den andern Teil zu Schwarmstöcken, verbinden also die Zeidel- und Schwarmmethode. In vielen Bienenschriften wird noch die Magazinmethode als eine dritte Betriebsweise angeführt. Das Spezifische der Magazinzucht besteht darin, daß man mit teilbaren Stöcken imkert, denen man die honiggefüllten Strohkränze oben abnimmt und leere dafür untersetzt. Erst mit dem Dzierzonstock fielen die Schranken, welche der Stock mit Immobilbau der B. entgegengesetzt hatte; denn durch die bewegliche Wabe wurde die Biene zu einem vollständigen Haustier. Da aber jeder widrige Eingriff in den Haushalt der Biene Schaden bringt, so wird mit dem Dzierzonstock nur der Imker Glück haben, der Herr der apistischen Theorie ist.

Die vier Perioden des Bienenjahrs.

Die Bienenzüchter unterscheiden vier Perioden des Bienenjahrs. Die erste Periode, von der Auswinterung bis zur ersten reichen Frühjahrstracht, umfaßt die Monate März und April. Die Biene sammelt im Winter ihren Unrat im Mastdarm an, bis die Temperatur einen Ausflug gestattet, der dann allgemeiner Reinigungsausflug ist. Unmittelbar vor demselben oder während desselben reinige man die Bodenbretter der Stöcke von den toten Bienen und allem Gemüll. Honigarme Völker müssen jetzt gefüttert werden (Notfütterung); das naturgemäßeste Futter sind bedeckelte Honigwaben; ein Ersatzmittel des Honigs ist aufgelöster Zucker. Da es den Bienen anerschaffen ist, im Einsammeln des Honigs unermüdlich zu sein, so spüren sie demselben überall nach; es darf deshalb nicht befremden, daß sie ihn sich gegenseitig aus den Stöcken stehlen. Das Rauben findet hauptsächlich an schönen Tagen vor Beginn der Tracht statt. Räuberei tritt nicht ein, wenn im Frühjahr die Fluglöcher der Stöcke verengert sind und man keine schwachen und kranken Völker auf dem Stande duldet. Besondere Aufmerksamkeit ist den Stöcken zuzuwenden, denen die Königin (Weisel) gestorben ist. Ein weiselloser Stock kann im März nur dadurch kuriert werden, daß man ihm die Königin eines zu volksarm gewordenen Volkes gibt. Mitunter gibt es auch Völker mit untauglichen Königinnen, welche entweder gar keine oder nur Eier zu Männchen (Drohnen) legen. Jede untaugliche Königin töte man sofort und beweisele das Volk wieder oder kassiere es und teile die Bienen den Nachbarstöcken zu. Schwache Völker in Dzierzonstöcken verstärkt man durch Brutwaben und Bienen, die man volkreichen Stöcken entnimmt. Der Gebrauch, im März oder Anfang April einen Teil der leeren Waben wegzuschneiden (zeideln), ist sehr alt; in honigarmen Gegenden ist aber der Frühlingswachsschnitt geradezu der Ruin der B.; denn tritt im Mai plötzlich reiche Honigtracht ein, so fehlt es den Stöcken infolge des Zeidelns an leeren Zellen, um Brut anzusetzen und Honig aufzuspeichern. Von Mitte April an füttere man spekulativ; die Bienen nehmen dabei für Spende der Natur, was ihnen der Mensch reicht, und setzen viel Brut an. Neben dem Honig reiche man auch Blumenstaub, den man im Frühjahr von der Kiefer sammelt. Ein vortreffliches Ersatzmittel des Blumenstaubes ist das Getreidemehl. Den Blumenstaub oder das Mehl stopft man in Waben, die man an einem windstillen, sonnigen Ort in eine geöffnete leere Beute legt.

Die zweite Periode, von der Frühjahrsvolltracht bis zum Ende der Honigtracht, umfaßt in Gegenden ohne Herbsttracht die Monate Mai, Juni und Juli. Ist die Witterung im Mai regnerisch oder rauh und windig, so füttere man reichlich, etwa ein Pfund Honig, aufgelösten Zucker oder Malzsirup auf einmal, weil die Bienen bei geringen Honigvorräten die Brut beschränken. Den Stöcken mit Mobilbau hängt man während der Tracht Rähmchen mit Wabenanfängen in den Honigraum und öffnet den Kanal. Stöcke mit unbeweglichen Waben bringt man auf das Berlepschsche Doppelstandbrett, das einen Kanal hat; hinter oder neben diese Stöcke stellt man dann Hinter- oder Nebensätze als Honigmagazine. Manche Stöcke werden schon im Mai so volkreich, daß sie schwärmen. Regt sich in einem Volk der Schwarmtrieb, so bauen die Arbeitsbienen an verschiedenen Stellen der Waben etwa 5–20 Zellen zur Erbrütung von Königinnen (Weiselzellen), welche die Königin binnen etwa drei Tagen, damit die jungen Königinnen nicht auf einmal flügge werden, mit weiblichen Eiern besetzt. Sobald eine oder mehrere der Weiselzellen bedeckelt sind und die Larven sich in Nymphen verwandeln, wittert die alte Königin Nebenbuhlerschaft und versucht, die Weiselzellen zu zerstören, was die Arbeitsbienen aber nicht zulassen; die alte fruchtbare Königin verläßt daher 6–7 Tage vor dem Ausschlüpfen der reifsten königlichen Nymphe mit dem größern Teil der Arbeitsbienen schwärmend den Stock. Ein Schwarm mit der alten fruchtbaren Königin heißt Vor- oder Erstschwarm. Wollen die Bienen nach Auszug des Vorschwarms nicht mehr schwärmen, so lassen sie, sobald eine junge Königin ausgeschlüpft ist, die übrigen Weiselzellen von derselben verletzen, um dann das Zerstörungswerk zu vollenden. Will ein Volk nach Abgang des Erstschwarms noch Schwärme abgeben, so bleiben die Weiselzellen unversehrt stehen, und die erste Königin, welche die Zelle verläßt, bringt sofort Töne hervor, die wie „tüht, tüht“ klingen. Wird inzwischen noch eine Königin flügge, so beißt sie den Deckel ihrer Zelle teilweise ab und bringt Töne hervor, die wie „quah, quah“ klingen, da die Zellenwände die Tonwellen hemmen. Weil die Natur den Königinnen tödlichen gegenseitigen Haß anerschaffen hat und zwischen zwei freien Königinnen sofort ein Kampf auf Leben und Tod entbrennen würde, so verläßt die quakende Königin ihre Zelle nicht. Erst wenn die freie Königin mit einem Teil des Volkes als Schwarm auszieht, schlüpft eine quakende Königin aus und fängt an zu „tühten“, weshalb die übrigen Königinnen, weil sie wieder eine Nebenbuhlerin frei wissen, in ihren Zellen bleiben und sich von den Arbeitsbienen durch die Ritzen ihrer Zellen füttern lassen. Ist abermals eine freie Königin mit einem Schwarm ausgezogen, so wiederholt sich der eben beschriebene Vorgang, bis endlich die noch quakenden Königinnen getötet werden, so daß die freie nun Alleinherrscherin bleibt. Jeder Schwarm, der nach Abzug des Vorschwarms auszieht, hat eine junge, noch unfruchtbare Königin und heißt Nach- oder Afterschwarm. In honigreichen Jahren kommt es vor, daß ein Vorschwarm in demselben Jahr abermals schwärmt; man nennt dann den Schwarm einen Jungfernschwarm. Vorschwärme ziehen nur an schönen, windstillen Tagen zwischen 10 und 3 Uhr aus; Nachschwärme sind bezüglich der Witterung weniger wählerisch. Die schwärmenden Bienen sammeln sich bald an einem Ast, [911] Zweig etc. Schon vom Stock aus oder erst, wenn der Schwarm ausgezogen ist, gehen Arbeitsbienen aus, welche eine geeignete Höhlung als Wohnung für den Schwarm aufsuchen; dies sind die sogen. Spurbienen oder Quartiermacher. Ist der Züchter bei Beginn des Schwärmens zugegen, so kann er den Schwarm mit einem Schwarmnetz auffangen, wenn er dasselbe vor den Korb stellt. Zog der Schwarm bequem an, so faßt man ihn in einen Korb; zog er hoch an, so bedient man sich zum Einfangen des aus Leinwand gefertigten Schwarmbeutels. Erst gegen Abend gibt man dem Schwarm einen bestimmten Platz. Die vielen kleinen Nachschwärme sind der Ruin der B., weil sie die Arbeitskräfte des Volkes zersplittern. Verhindert werden die Nachschwärmchen dadurch, daß man den Vorschwarm an die Stelle des Mutterstockes und diesen an die Stelle eines recht volkreichen Stockes stellt, dem volkreichen Stock aber einen ganz neuen Platz im Bienengarten gibt; ist dann aus dem abgeschwärmten Stock der erste Nachschwarm, der stets sehr stark ausfällt, ausgezogen, so setzt man den Nachschwarm auf die Stelle seines Mutterstockes und gibt nun diesem einen beliebigen, bisher unbesetzten Platz, an dem er das fernere Schwärmen aufgibt, weil seine Flugbienen sich bei dem Nachschwarm auf der alten Standstelle einbürgern. Die Bienen schwärmen erfahrungsmäßig fast nie, wann und soviel wir es wollen; darum muß der Imker, will er die Zahl seiner Völker erhöhen, der Natur abzwingen, was sie nicht freiwillig geben will. Die üblichen künstlichen Vermehrungsarten sind das Abtrommeln und das Ablegen. Das Abtrommeln (Abtreiben) ist besonders bei Stöcken mit Immobilbau anzuwenden. Sitzt vor einem Korb des Morgens vor Sonnenaufgang noch ein faustgroßes Klümpchen Bienen, so ist er zur Abgabe eines Schwarmes reif und kann abgetrommelt werden. Die Prozedur des Abtrommelns ist sehr einfach. Man setzt den abzutreibenden Korb verkehrt, d. h. mit der Mündung nach oben, auf ein leeres Strohkränzchen und einen leeren darauf, also Mündung auf Mündung, und bindet da, wo beide Körbe aufeinander stehen, ein Handtuch herum; unten an dem bebauten Stock beginnt man mit dem Klopfen und rückt damit absatzweise allmählich aufwärts. Durch das Klopfen beunruhigt, laufen die Bienen mit der Königin nach oben in den leeren Korb. Vorteilhaft ist es, den künstlich gebildeten Schwarm auf einen eine halbe Stunde entfernten Ort zu transportieren; will man das nicht, so gibt man ihm die Stelle des Mutterstockes und setzt diesen an die Stelle eines volkreichen Stockes. Das Ablegen (Teilen) besteht darin, daß man Bienen und Wachsgebäude eines Stockes in zwei Völker teilt. Mit Vorteil ist es nur bei Stöcken mit Mobilbau auszuführen. Zur Zeit des stärksten Flugs hängt man in die neu zu krëierende Beute sechs Brut- und eine Honigwabe mit den daran sitzenden Bienen, kehrt hierauf alle Bienen und die Königin des Mutterstockes dazu, setzt noch eine Wabe mit Wasser und einige Rähmchen mit Anfängen ein und stellt die neue Beute auf. Die Brut- und Honigwaben, von denen man die Bienen abkehrte, bringt man in die Mutterbeute zurück, der, da sie an ihrer alten Stelle bleibt, alle Trachtbienen zufliegen und sofort Anstalt zur Erbrütung einer jungen Königin treffen. Mit der Vermehrung muß man 24. Juni fertig sein, und in allen Gegenden ohne Herbsttracht darf man, will man nicht Futterhonig kaufen, eine 50proz. Vermehrung nicht überschreiten. Im Juli läßt man die Bienen nur noch im abgesonderten Honigraum bauen; denn es ist eine der wichtigsten praktischen Lehren der B., daß die Bienen nicht nutzlos bauen und brüten dürfen, da alle Bienen, zu denen die Eier erst von Ende Juni ab gelegt werden, im laufenden Jahr in allen honigarmen Gegenden Beträchtliches nicht mehr einsammeln. Wie zu allen Zeiten, so sorgt man besonders im Sommer dafür, daß nicht übermäßig viel Drohnen erbrütet werden. In jedem Stock, dem die Königin genommen wurde, schneidet man den bedeckelten Drohnenzellen die Kuppen ab, wobei die Drohnennymphen die Köpfe verlieren; die Arbeitsbienen schaffen dann die verletzten Nymphen aus dem Stock heraus. Da ein Volk mit diesjähriger Königin nur Arbeiterzellen baut, so schneidet man allen Stöcken mit solchen Königinnen im Brutlager die Drohnenwaben weg, damit sie die Lücken mit Arbeiterzellen ausfüllen. Spätestens Mitte Juli untersucht man alle Stöcke, die geschwärmt haben, abgetrommelt oder abgelegt worden sind, darauf hin, ob sie weiselrichtig sind. Ein weiselloses Volk kuriert man durch Einfügen einer Weiselzelle, am sichersten aber dadurch, daß man ihm eine fruchtbare Königin gibt. Unfruchtbare oder sonst untaugliche Königinnen muß man aus den Völkern zuvor entfernen, bevor man an die Kur geht.

Die dritte Periode, vom Ende der Honigtracht bis zur Vorrichtung für die Einwinterung, umfaßt die Monate August und September. In Gegenden mit Herbsttracht wandert man Anfang August mit den Stöcken in die Heide, weil Mitte dieses Monats das Heidekraut (Erica vulgaris) in voller Blüte steht. In allen honigarmen Gegenden hat die Honigtracht im August ein Ende, und der Vermehrungstrieb schlummert ein, weshalb auch die weiselrichtigen Völker die Drohnen vertreiben. Mitte August nimmt man alle An- und Aufsätze ab und leert die Honigräume der Dzierzonstöcke, um den Honig zu ernten. Körbe, Walzen etc. wägt man, um das Gewicht der Bienen und des Wachsgebäudes mit Honig und Pollen, ausschließlich des Korbes und Standbrettes, wenigstens annähernd festzustellen. Jetzt muß ein Korb wenigstens 9 kg inneres Gewicht haben, wenn er überwinterungstüchtig sein soll. Bei Beuten beweglichen Baues wägt man eine Honigwabe und schätzt dann die übrigen mit den Augen. Jede Beute, die nicht 6 kg Honig hat, muß mit Honigwaben unterstützt oder mit aufgelöstem Kandiszucker gefüttert werden. Schwache Völker müssen kopuliert werden, weil nur ein volkreicher Stock den Gefahren des Winters zu trotzen vermag. Den geernteten Honig schleudert man, nachdem man die Zellendeckel abgeschnitten hat, mit der von Hruschka erfundenen Zentrifugalkraftmaschine (Honigschleudermaschine) aus, um die entleerten Waben im künftigen Jahr abermals füllen zu lassen. Sind im August alle Völker mit dem nötigen Winterfutter versorgt, so stellt man den Dzierzonstöcken ein Brett ein, an dem man alle Ritzen mit Wachspapierstreifen verklebt, damit im Winter die Dünste aus dem Bienensitz nicht entweichen, sondern sich an solchen Stellen des Stockes niederschlagen, wo sie von den Bienen aufgeleckt werden können.

Die vierte Periode, die der Ein- und Überwinterung, beginnt mit dem Oktober und währt den November, Dezember, Januar und Februar hindurch. Im Oktober stellen die Wespen und Hornissen dem Honig der Bienen nach; man fängt sie des Morgens, bevor die Bienen fliegen, in dünnhalsigen Flaschen weg, in die man sie durch Honigwasser lockt. Gegen Mäuse, die ebenfalls dem Honig nachstellen, schützt man die Bienen durch Verkleinern des Flugloches. [912] Tritt im November der Winter ein, so stopft man bei Dzierzonstöcken den Raum zwischen dem eingesetzten Brett und der Thür mit warm haltendem Material, Moos etc., aus; bei frei stehenden Einbeuten stopft man auch die Honigräume aus. Strohkörbe, Walzen, Klotzbeuten etc., die frei im Garten stehen, schützt man mit Rohr etc. und die Stöcke im Bienenschauer durch Klappen gegen Kälte, gegen Sonnenstrahlen und feindliche Tiere. Am besten sind die Stöcke gegen Kälte und Beunruhigung in einem besondern Überwinterungslokal, z. B. in einem finstern und trocknen Keller, geschützt. Große Stände und zusammengesetzte Beuten überwintert man auf dem Sommerstand. In Deutschland wurden 1883: 1,911,748 Bienenstöcke gezählt, davon 172,000 in Hannover; weitere statistische Angaben s. Deutschland, S. 824.

Aus der zahlreichen Litteratur über B. heben wir als wichtigste Schriften hervor: v. Berlepsch, Die Biene und ihre Zucht mit beweglichen Waben (3. Aufl., Mannh. 1873); Dzierzon, Rationelle B. (Brieg 1861); Vogel, Die Honigbiene und die Vermehrung der Bienenvölker nach den Gesetzen der Wahlzucht (Quedlinb. 1880). Die besten Schriften der alten Schule sind: Ehrenfels, Die B. nach Grundsätzen der Theorie und Erfahrung (Prag 1829); Klopfleisch und Kürschner, Die Biene und die B. (Jena 1836); Pollmann, Wörterbuch für Bienenzüchter (Weinheim 1885); „Bienenzeitung, Organ des Vereins deutscher Bienenwirte“ (hrsg. von Vogel, Nördling., seit 1845).


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 103
korrigiert
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[103] Bienenzucht. Bei der Schwarmbienenzucht handelt es sich vorzugsweise um Gewinnung von volkreichen Schwärmen. Als Anhaltspunkt zur Beurteilung des Volksreichtums dient dem praktischen Bienenzüchter das Gewicht der Schwärme, da 10,000 Bienen rund 1 kg wiegen. Mittlere Vorschwärme wiegen durchschnittlich 2 kg, die stärksten dagegen 3,4, die schwächsten 1,7 kg. Mittlere Nachschwärme haben ein Durchschnittsgewicht von 1,5 kg, die stärksten von 2,5, die schwächsten von 1 kg. Schwärme, die nicht mindestens 1 kg haben, sind, besonders wenn sie spät im Sommer erscheinen, nicht aufzustellen, sondern zweckmäßiger miteinander oder mit schwächern Völkern zu vereinigen. Vgl. v. Berlepsch, Bienenzucht (3. Aufl., bearbeitet von W. Vogel, Berl. 1891). Ein Beispiel des Nutzens rationeller B. ist Frankreich zu liefern im stande. Die Zahl der im J. 1890 in Frankreich vorhandenen Bienenkörbe wird auf etwa 165,000 angegeben, die etwas über 7 Mill. kg Honig und 2 Mill. kg Wachs lieferten im Gesamtwert von 14,5 Mill. Frank. Die größte Zahl von Bienenkörben entfällt auf die Departements Ille-et-Vilaine mit 80,000, Finistère mit 63,000, Côtes du Nord mit 75,000 und Eure mit 8000.