MKL1888:Benedix
[686] Benedix, Julius Roderich, Lustspieldichter, geb. 21. Jan. 1811 zu Leipzig, besuchte die Thomasschule seiner Vaterstadt, folgte aber seiner Neigung für das Theater und ward 1831 Schauspieler. Er spielte bei der damaligen Bethmannschen Gesellschaft während zweier Jahre in Dessau, Bernburg, Köthen, Meiningen und Rudolstadt, fand dann ein Engagement in Westfalen und später am Rhein und trat in Minden, Paderborn, Kleve, Krefeld, Mainz und Wiesbaden auf, bis er 1838 nach Wesel am Niederrhein kam. Hier gelang es ihm 1841, sein erstes Schauspiel: „Das bemooste Haupt“, auf die Bühne zu bringen, das mit dem entschiedensten Beifall die Runde über fast alle Bühnen Deutschlands machte. Nicht mindern Erfolg hatte sein zweites Stück: „Doktor Wespe“. B. übernahm darauf in Wesel die Redaktion des „Sprechers“, einer Volkszeitschrift, siedelte aber 1842 nach Köln über, wo er sich durch vielbesuchte Vorlesungen über Goethes „Faust“ einführte. Im J. 1844 übernahm er die technische Direktion des Theaters in Elberfeld, die er ein Jahr lang führte, und wirkte seit 1847 in gleicher Eigenschaft an der Kölner Bühne unter Gerlachs Direktion, während er zugleich wieder Vorlesungen über die jüngsten Lyriker und Dramatiker Deutschlands vor einem ausgewählten Publikum hielt. Als in Köln die Rheinische Musikschule organisiert wurde, erhielt auch B. eine Lehrerstelle an derselben. Im J. 1855 ward er Intendant des Stadttheaters zu Frankfurt a. M., legte jedoch 1859 diese Stelle nieder und kehrte nach Köln zurück. Später lebte er, geistig immer thätig, aber in den letzten Jahren körperlich leidend, zu Leipzig, wo er 26. Sept. 1873 starb. Als dramatischer Dichter hat B. Erfolge geerntet wie nach Kotzebue kaum ein Lustspieldichter. Die meisten seiner Lustspiele wurden Lieblingsstücke des deutschen Volks. Mit dem glänzendsten Erfolg wurden außer den genannten „Der Steckbrief“, „Der alte Magister“, „Der Vetter“, „Eigensinn“, „Der Prozeß“, „Die Hochzeitsreise“, „Die Eifersüchtigen“, „Die Männerfeinde“, „Ein Lustspiel“, „Das Gefängnis“, „Die zärtlichen Verwandten“, „Der Liebesbrief“, „Das Lügen“, „Die Schuldbewußten“, „Aschenbrödel“, „Das Stiftungsfest“ und das Schauspiel „Mathilde“ gegeben. Selbst über Deutschlands Grenzen hinaus haben B.’ Stücke Anerkennung gefunden. B.’ Hauptstärke liegt weder in der Charakteristik, die sich selten über die photographische Wiedergabe behaglicher und etwas zuversichtlicher Durchschnittsmenschen erhebt, noch in einer poetischen Grundanschauung der Welt, sondern in der Fülle der Situationen, im bunten, unterhaltenden Wechsel einer belebten Szenerie, in den heitern Kombinationen des Zufalls, in den Verwickelungen und Verwechselungen, in der genauen Kenntnis des Theaters und seiner althergebrachten, aber immer wirksamen Effekte. Dazu gesellen sich ein frisch beweglicher Dialog, dessen Hausbackenheit sich mit der gleichen Eigenschaft der Figuren deckt, ein nicht glänzender und reicher, aber kerniger Witz, eine gewisse moralisierende Richtung, welche sich von alters her sicherer Wirkung erfreut. Auch als Volksschriftsteller und Erzähler hat sich B. in „Deutschen Volkssagen“ (Wesel 1839–41, 6 Bdchn.; neue Ausg. 1851), seinem „Niederrheinischen Volkskalender“ (1836–42), dem „Gedenkbuch für das Leben“ (das. 1841), den lebendigen „Bildern aus dem Schauspielerleben“ (2. Aufl., das. 1851) und dem Roman „Die Landstreicher“ (das. 1867) versucht. Von seinen sonstigen Schriften sind „Der mündliche Vortrag“ (3. Aufl., Leipz. 1871, 3 Bde.), „Das Wesen des deutschen Rhythmus“ (das. 1862), „Katechismus der deutschen Verskunst“ (2. Aufl., das. 1879), „Katechismus der Redekunst“ (3. Aufl., das. 1881) zu nennen. Das posthume Werkchen „Die Shakespearomanie. Zur Abwehr“ (Stuttg. 1873), worin der britische Dichterheros von einem unglaublich beschränkten, rechthaberisch-nüchternen Standpunkt aus verurteilt wird, wäre zu Ehren B.’ besser ungedruckt geblieben. Die große Mehrzahl seiner Bühnenstücke ist in seinen „Gesammelten dramatischen [687] Werken“ (Leipz. 1846–74, 27 Bde.) enthalten; außerdem erschien eine Auswahl der größern Lustspiele in 20 Bänden („Volkstheater“, das. 1882) und eine Sammlung der kleinern Stücke unter dem Titel: „Haustheater“ (8. Aufl., das. 1880).