Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Aufmerksamkeit“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 2 (1885), Seite 62
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Aufmerksamkeit. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 2, Seite 62. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Aufmerksamkeit (Version vom 25.04.2023)

[62] Aufmerksamkeit, die beharrliche, sei es unwillkürlich durch den vom Vorgestellten ausgeübten Reiz, sei es willkürlich (durch den Willen des Vorstellenden) herbeigeführte Richtung des Vorstellens auf den Inhalt einer gewissen Vorstellung. Dieselbe ist daher überall erforderlich, wo der Inhalt einer Vorstellung zur Klarheit erhoben, d. h. nicht nur deren Besitz, sondern auch deren Gehalt zum Bewußtsein gebracht (apperzipiert), z. B. die bloße durch einen äußern oder innern Vorgang hervorgerufene Empfindung, wenn die A. unwillkürlich, in eine Wahrnehmung, wenn sie willkürlich ist, in eine Beobachtung übergehen soll.


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 62
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[62] Aufmerksamkeit, der seelische Zustand, in welchem das Bewußtsein bestimmten psychischen Inhalten in höherm Grade zugewandt ist als andern. Das eigentümliche Gefühl des Aufmerkens entspringt aus Muskelspannungen der einzelnen Sinnesorgane oder der ganzen Kopfmuskulatur; der Ausdruck „gespannte A.“ ist wohl selbst dieser Empfindung entnommen, und weiterhin hat dieses Anstrengungsgefühl den Begriff der geistigen Arbeit entstehen lassen. – Man unterscheidet zwischen sinnlicher und intellektueller A., von denen die erste auf Wahrnehmungen, die zweite auf innere Vorgänge gerichtet ist. Man unterscheidet ferner zwischen willkürlicher und unwillkürlicher A. Wenn von mehreren Vorstellungen eine durch einen Akt der Willkür gewählt und so durch die A. herausgehoben wird, so spricht man von willkürlicher (Herbart) oder aktiver (Wundt) oder spontaner (E. v. Hartmann) A. Wenn aber unter mehreren Vorstellungen eine, durch ihre Intensität oder sonstwie bevorzugt, die A. auf sich zieht, so handelt es sich um unwillkürliche oder passive oder reflektorische A. – Was A. eigentlich ist, läßt sich noch nicht entscheiden. Man hat neuerdings versucht, sie dadurch zu ergründen, daß man ihre Wirkungen experimentell prüft. Bei Reaktions- (s. d.) Versuchen zeigt es sich z. B., daß Störungen leiser und gleichmäßiger Natur (wie: Summen) die Reaktionszeit nicht verlangsamen, also die A. nicht verwirren, während stoßweise Geräusche umgekehrt wirken. Die Ablenkung und Zerteilung der A. hat man in Zahlen fassen können, indem man etwa feststellte, wie sehr die Unterschiedsempfindlichkeit für Gewichte in der rechten Hand leidet, wenn die linke durch Bewegungen einen Teil der A. an sich reißt, wie wenig dagegen ein solcher Einfluß zu verspüren ist, wenn die Störung einem andern Sinnesgebiet angehört, z. B. in dem Singen einer Melodie besteht. Zu einer Kausalerklärung der A. sind jedoch derartige Untersuchungen noch längst nicht vorgedrungen. Ist die A. ein Gefühl (Ribot), eine Vorstellungsthätigkeit (Marillier) oder eine Willenshandlung (Espinas)? Man wird sich wohl für die letzte Auffassung entscheiden dürfen, denn Ribots Gefühlstheorie verwechselt augenscheinlich das allgemeine Gefühl des Interesses mit dem besondern Willensakt A. Viele Menschen von sehr lebendigem Interesse können doch den Energiegrad der A. nicht aufbringen. Und die A. als einen rein intellektuellen Vorgang zu deuten, widerstreitet aller innern Erfahrung. Vgl. Ribot, Psychologie de l’attention (Par. 1888).