Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Architekt“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 774
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Architekt. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 774. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Architekt (Version vom 05.11.2021)

[774] Architekt (griech., Baumeister), derjenige, welcher die Baukunst praktisch ausübt, indem er sowohl die Entwürfe zu Gebäuden fertigt, als auch deren Ausführung leitet und beaufsichtigt. Je nachdem sich der A. dem Privat- oder Staatsbauwesen widmet, ist er Privat- oder Staatsarchitekt. Mit der Entwickelung des Ingenieurbauwesens haben sich die Aufgaben des Architekten fast ausschließlich auf den Hochbau mit mehr oder minder hohen Anforderungen an künstlerische Durchbildung beschränkt. Nur da, wo Ingenieurbauten, z. B. Brücken, außer einer zweckmäßigen Anlage und soliden Konstruktion auch eine ansprechende Form erhalten sollen, wird der A. zur Mitwirkung oder zur gemeinschaftlichen Bearbeitung des Projekts herangezogen. Hiernach erstrecken sich die Studien des Architekten über seine speziellen Fach- und die zugehörigen Hilfsdisziplinen. Zu den erstern gehören die Einrichtungen und Konstruktionen der Bauwerke des Land- und Stadtbaus mit Einschluß ihrer Heizungs- und Ventilationsanlagen, die Geschichte der Monumente, die Ornamentik und Kompositionslehre, zu den letztern die Natur-, mathematischen und Bauwissenschaften, Physik, Chemie, Mathematik, Mechanik und darstellende Geometrie, praktische Geometrie, Baumaterialienkunde und Konstruktionselemente des Wasser-, Brücken-, Wege- und Eisenbahnbaus, Bauanschläge und Bauführung. Die theoretische Ausbildung zu diesen Gebieten wird zur Zeit meist auf den technischen Hochschulen erworben, worauf der Eintritt in die Praxis erfolgt. Der Staat macht diesen Eintritt von besondern Prüfungen (Bauführerprüfung, Baumeisterprüfung) abhängig. Der Eintritt in die Privatpraxis erfordert eine solche Prüfung zunächst nicht, erfolgt aber meist auf Grund einer an einer technischen Hochschule abgelegten sogen. Diplomprüfung. In außerdeutschen Ländern ist die Ausbildung der Architekten eine vorwiegend praktische, auch erstreckt sie sich bisweilen auf mehrere der Baukunst verwandte Gebiete, z. B. die Malerei und Bildhauerkunst. Zur Förderung in der fachwissenschaftlichen Ausbildung und der Interessen des Faches dienen Architektenvereine, welche mehr oder minder streng organisiert sind. So bestehen zur Zeit 26 über ganz Deutschland verteilte Architekten- und Ingenieurvereine, welche einen Verband bilden und auf jährlichen Abgeordnetenversammlungen und zweijährigen Verbandsversammlungen Angelegenheiten ihres Faches zur Verhandlung und Beschlußfassung bringen, während in Österreich, England, Amerika und Frankreich nur größere, hauptsächlich in den Metropolen domizilierte Vereine vorhanden sind (s. Bauwissenschaftliche Vereine). Die Thätigkeit des Architekten erstreckt sich meist auf die Anfertigung des Entwurfs, des Bauanschlags (s. d.) und auf die Ausführung von Hochbauten, wofür nach der mehr oder minder reichen Ausstattung derselben höhere oder niedrigere Honorarsätze gelten, welche z. B. in Deutschland einheitlich normiert sind.