Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Apotheke“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 692694
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Apotheke. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 692–694. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Apotheke (Version vom 05.02.2022)

[692] Apotheke (griech., „Niederlage“), eine Anstalt, in welcher alle durch die Landesgesetze festgestellten Arzneimittel nebst den sonst noch gebräuchlichen vorrätig gehalten und durch mechanische oder chemische Operationen in der Weise vorbereitet werden, daß sie entweder unmittelbar zum arzneilichen Gebrauch dienen können, oder daß ihre Überführung in die vom Arzt verordnete Arzneiform den möglichst geringen Zeitaufwand bedingt. Filialapotheken, welche wegen der Geringfügigkeit ihres Umsatzes oder wegen der Beschränkung ihres Betriebs auf eine gewisse Jahreszeit (Badesaison etc.) nur als Abzweigung einer vollständigen A. betrieben werden, beschränken sich meist auf Arzneidispensation und Warenverkauf, indem sie ihren Bedarf von der Mutterapotheke beziehen; sie besitzen jedoch auch das Recht, selbständig Arzneistoffe [693] einzusammeln, einzukaufen und vorzubereiten, und sind daher auch zur Anlage eines eignen kleinen Laboratoriums etc. verpflichtet. Die Dispensieranstalten, mit sehr seltenen Ausnahmen nur im Interesse eines besondern Krankenverbands, einer Klinik, eines Lazaretts etc. angelegt und nicht befugt zum Arznei- und Warenvertrieb außerhalb des Hauses, beschränken sich darauf, die bereits anderweit und zwar in einer inländischen A. vorbereiteten Mittel durch ein geprüftes Apothekerpersonal für den Gebrauch der Kranken fertig zu stellen. Hausapotheken, deren Anlegung und Betrieb den Ärzten nur in besondern Fällen, nach einer speziellen Prüfung ihrer Befähigung und auch nur dann gestattet wird, wenn sich an ihrem Wohnort und in dessen nächstem Umkreis keine selbständige A. befindet, sind durchaus nur für die eigne Praxis des betreffenden Arztes bestimmt; ihr Umfang beschränkt sich auf die in dringenden Fällen unentbehrlichsten Medikamente, diese dürfen nur aus einer inländischen A. bezogen werden, und Gifte im engern Sinn (Tabelle B der deutschen Pharmakopöe) dürfen gar nicht geführt werden. In diesem gesetzlichen Sinn führen die Bezeichnung Hausapotheke selbstverständlich nicht diejenigen willkürlichen Sammlungen von Arzneimitteln, welche einzig und allein für den Privatgebrauch bestimmt sind. Homöopathische Apotheken werden meist als Nebengeschäft allopathischer Apotheken oder von homöopathischen Ärzten betrieben, welche nach einer speziellen Prüfung ausdrücklich dazu autorisiert sind. Sie erfordern ein Lokal, welches von den sonstigen Apothekenräumen, eventuell von den Wohnräumen des Arztes, vollständig getrennt ist. Diese Trennung, so überflüssig und streng genommen unausführbar sie erscheinen mag, ist durch die homöopathischen Grundsätze geboten. Die eigentümliche Darstellung vieler homöopathischer Arzneimittel aus lebenden Pflanzen und Tierkörpern gestattet deren Anfertigung natürlich nur an den Orten, wo jene lebend vorkommen; hierdurch sind homöopathische Apotheken oft gezwungen, ihre Vorräte durch Ankauf aus andern zu ersetzen. Doch soll der Ankauf auch nur aus inländischen Apotheken geschehen, und den selbst dispensierenden homöopathischen Ärzten ist der gegenseitige Umtausch ihrer Artikel, mögen sie nun Urstoffe oder Verdünnungen sein, ausdrücklich verboten.

Zum Betrieb einer A. gehören außer dem zur Anfertigung und Verabreichung der einzelnen Arzneien erforderlichen Verkaufslokal (Offizin) ein oder mehrere mit entsprechenden Einrichtungen und Gerätschaften ausgestattete Räume, in denen die chemische oder technische Anfertigung und Zubereitung der Arzneikörper, die man als chemische oder pharmazeutische Präparate oder galenische Mittel zu bezeichnen pflegt, stattfindet (Laboratorium), ferner Schneide-, Stoß- und Siebkammern, passende Vorratsräume (Materialkammer, Kräuterboden, Trockenschrank, Keller) und unter letztern verschiedene abgesonderte, besonders verschlossene Räume zur Aufbewahrung der stark wirkenden oder giftigen Mittel (Lokal für Separanda, Giftkammer) etc.

In der Offizin und in den Vorratsräumen müssen die Arzneikörper unter strenger Absonderung und unzweideutiger Bezeichnung so aufbewahrt werden, daß sie die vom Gesetz vorgeschriebenen Eigenschaften unverändert bewahren. Der Arzneischatz enthält indes so viele leicht zum Verderben neigende Mittel, und es müssen gerade von diesen so viele wenig gangbare vorrätig gehalten werden, daß ein Ersatz häufig nötig wird, auch wenn der Vorrat nicht durch den geringsten Absatz geschmälert worden ist. Es ist eine der schwierigsten Aufgaben des Apothekers, die Beschaffenheit seiner Arzneimittel stetig zu überwachen; er steht in dieser Thätigkeit wie überhaupt unter der Kontrolle des Staats, welcher dieselbe durch die in Zeiträumen von 1, 2 oder 3 Jahren mindestens einmal vorzunehmenden Revisionen ausübt. Diese Revisionen erstrecken sich auf alle vorhandenen Arzneikörper, auch auf die nicht in die Pharmakopöe aufgenommenen, die gesamte Einrichtung und den Betrieb des Geschäfts und allenfalls auch auf die Befähigung der Gehilfen und Lehrlinge.

Die Einsammlung und Zubereitung von Arzneimitteln wurde im Altertum von den Priestern, dann lange Zeit hindurch von den Ärzten ausgeübt; eine Trennung der Pharmazie von der Heilkunst vollzog sich zuerst bei den Arabern; im 8. Jahrh. bestand in Bagdad eine A.; im 9. Jahrh. schrieb ein arabischer Arzt die erste Pharmakopöe. Von Spanien aus gelangten dann die Apotheken nach Italien, wo sie sich besonders in Salerno großen Ruf erwarben. Im 13. und 14. Jahrh. entstanden die ersten Apotheken in Frankreich, England und Deutschland, hier namentlich in Prenzlau (1303), Augsburg, Prag (1342), Nürnberg (1404), Leipzig (1409) und Berlin (1488). Alle diese Apotheken standen unter strenger Aufsicht und waren an gesetzliche Vorschriften (Dispensatorien) gebunden. Bekannt ist die Pariser Apothekerordnung von 1484, welche Prüfung und Vereidigung der Apotheker, Revision der Apotheken und der Preise der Arzneimittel vorschreibt. Die ersten pharmazeutischen Lehrbücher lieferten Paracelsus 1530 und Tabernämontanus 1588. Das Apothekergewerbe hat sich dann besonders unter dem Schutz der Privilegien glücklich entwickelt, die Apotheken wurden durch dieselben vor Konkurrenz geschützt und vor einseitiger Ausbildung des rein geschäftlichen Betriebs bewahrt. In der That hat bis in die neueste Zeit der wissenschaftliche Sinn in den pharmazeutischen Kreisen vorgeherrscht, und die berühmtesten Namen der neuern Naturwissenschaft, namentlich unter den Chemikern, wie Marggraf, Scheele, Klaproth, Rose, Duflos, Buchner, Fresenius, Mohr u. a., entstammen der Pharmazie. Vermöge der Eigentümlichkeit seines Berufs bewahrte der Apotheker eine gewisse wissenschaftliche Universalität, und diese sicherte ihm stets eine hervorragende Stellung in allen praktisch-naturwissenschaftlichen Angelegenheiten.

Die moderne Gewerbegesetzgebung hat die Gewerbefreiheit auf den Beruf der Apotheker nicht ausgedehnt. Dieselben bleiben vielmehr der staatlichen Oberaufsicht unterstellt, und der Grundsatz, daß nur diejenigen fähig sind, einer A. vorzustehen, welche die Apothekerkunst ordentlich erlernt haben, zu deren Ausübung nach angestellter Prüfung von der Medizinalbehörde tüchtig befunden und zur Wahrnehmung ihrer Obliegenheiten durch diese Behörde verpflichtet sind, wie dieser Grundsatz z. B. im preußischen Landrecht formuliert und in der preußischen Apothekerordnung vom 11. Okt. 1801 näher ausgeführt, ist noch jetzt in Geltung. Die deutsche Gewerbeordnung (§ 29) verlangt zunächst für den Apotheker die persönliche Approbation. Die Voraussetzungen, unter denen eine solche erteilt werden soll, sind auf Grund eines Bundesratsbeschlusses in einer Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 5. März 1875 (Reichszentralblatt, S. 167 ff.) enthalten. Die pharmazeutische Prüfung wird vor den pharmazeutischen Prüfungskommissionen abgelegt, welche an den deutschen Universitäten sowie an den polytechnischen Schulen zu [694] Braunschweig, Stuttgart und Karlsruhe eingerichtet sind. Die Zulassung zu der Prüfung ist durch ein Qualifikationszeugnis für den einjährig-freiwilligen Militärdienst, welches insbesondere das Vorhandensein der nötigen Kenntnisse in der lateinischen Sprache nachweisen muß, bedingt. Außerdem muß sich der Prüfungskandidat darüber ausweisen, daß er eine dreijährige Lehrzeit absolviert hat. Für die Inhaber eines zum Besuch einer deutschen Universität berechtigenden Zeugnisses der Reife genügt eine zweijährige Lehrzeit. Dazu muß der Kandidat die Gehilfenprüfung vor einer deutschen Prüfungskommission bestanden und eine dreijährige Servierzeit durchgemacht haben, von welcher mindestens die Hälfte in einer deutschen A. zugebracht sein muß. Endlich ist das Abgangszeugnis über ein Universitätsstudium von mindestens drei Semestern beizubringen. Dem Besuch einer Universität steht derjenige einer der oben genannten drei polytechnischen Schulen gleich. Zur Erteilung der Approbation auf Grund der bestandenen Prüfung sind die Zentralbehörden derjenigen Staaten, welche Landesuniversitäten besitzen, sowie das braunschweigische und das elsaß-lothringische Ministerium befugt. Die Approbation erstreckt sich auf das ganze Reichsgebiet. Eine Zurücknahme der Approbation ist zulässig, wenn die Unrichtigkeit der Nachweise dargethan wird, auf Grund deren solche erteilt worden. Die Gewerbenovelle vom 1. Juli 1883 statuiert die Entziehung auch noch dann, wenn dem Inhaber der Approbation die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt sind, jedoch nur für die Dauer des Ehrenverlustes. Auch die Prüfung der Apothekergehilfen ist durch Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 13. Nov. 1875 (Reichszentralblatt, S. 761 ff.) für das gesamte Reichsgebiet geordnet. Aber auch die approbierten Apotheker bedürfen zur Anlegung und Verlegung einer A. der landesherrlichen Genehmigung. Die frühern Realprivilegien, welche mit einem bestimmten Gebäude verbunden waren, bestehen noch jetzt fort, während das Entstehen neuer Realkonzessionen nach der Gewerbeordnung ausgeschlossen ist. Die Erlaubnis zum Betrieb einer A. wird vielmehr nach Bedürfnis jetzt als Personalkonzession erteilt. Das Realprivilegium kann von dem Apotheker einfach an einen andern approbierten Apotheker veräußert werden, während zur Übertragung der Personalkonzession die Zustimmung der Behörde erforderlich ist. Der neue Erwerber einer konzessionierten A. muß ebenfalls konzessioniert werden, was bei dem Erwerb einer privilegierten A. nicht nötig ist. Eine kaiserliche Verordnung vom 4. Jan. 1875 (Reichsgesetzblatt, S. 5) setzt fest, welche Apothekerwaren dem freien Verkehr überlassen und welche ausschließlich dem Verkauf in Apotheken vorbehalten sind. Vom Hausierhandel sind Arznei- und Geheimmittel ausgeschlossen. Taxen für Apotheker können durch die Zentralbehörden festgestellt werden, doch sind Ermäßigungen derselben durch freie Vereinbarung zulässig. Während in der Zeit nach der Publikation der Gewerbeordnung eine Strömung für die Ausdehnung der Gewerbefreiheit auch auf das Apothekergewerbe vorhanden war und eine lebhafte Agitation von Apothekergehilfen, Droguisten und andern Interessenten für die Freigabe dieses Gewerbes stattfand, ist man neuerdings mehr dem entgegengesetzten System zugeneigt, nachdem sich namhafte Autoritäten, wie z. B. Virchow, gegen die Freigabe des Apothekergewerbes erklärt haben. Der Entwurf eines Apothekengesetzes für das Deutsche Reich, welchen der Reichskanzler 1877 vorlegte, ist in den gesetzgebenden Körperschaften des Reichs nicht zur Beratung gelangt, und das Apothekenwesen richtet sich, insoweit es nicht, wie oben angeführt, reichsgesetzlich normiert ist, noch nach den Apothekerordnungen und Spezialgesetzen der Einzelstaaten. Vgl. Philippe, Geschichte der Apotheker (a. d. Franz., Jena 1854); Phöbus, Beiträge zur Würdigung der heutigen Lebensverhältnisse der Pharmazie (Gieß. 1873); E. Wolff, Die Einrichtung, Verwaltung etc. der Apotheken (Berl. 1873); Eulenberg, Das Apothekerwesen in Preußen (das. 1874); Böttger, Die Apothekengesetzgebung des Deutschen Reichs etc. (das. 1880, 2 Bde.); Frederking, Geschichte der Pharmazie (Götting. 1874).


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 31
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[31] Apotheke. Die Zahl der Apotheken in Deutschland betrug 1890: 4798 und zwar in Preußen 2640, in Bayern 630, Sachsen 269, Württemberg 261, Elsaß-Lothringen 221, Baden 194. Von den preußischen Provinzen besaßen Rheinland 439, Hannover 296, Schlesien 287, Westfalen 265, Sachsen 210, Brandenburg 205, Hessen-Nassau 204, Berlin 130, Ostpreußen 129, Posen 124, Pommern 123, Schleswig-Holstein 112 Apotheken. Auf 10,000 Einw. kommen im Reiche 1,02 Apotheken und zwar in Preußen 0,63, in Bayern 1,17, in Sachsen 0,86, in Württemberg 1,30, in Hessen 1,10, in Elsaß-Lothringen 1,42, in Ostpreußen 0,68, Schlesien 0,70, Westpreußen 0,75, Pommern 0,81, Sachsen 0,85, Berlin 0,86, Brandenburg 0,87, Schleswig-Holstein 0,98, Rheinland 1,01, Westfalen 1,19, Hessen-Nassau 1,28, Hannover 1,35. Die kaiserliche Verordnung, betreffend den Verkehr mit Arzneimitteln im Deutschen Reich, vom 4. Jan. 1875 ist durch eine Verordnung vom 27. Jan. 1890 (Reichsgesetzblatt, S. 9) ersetzt worden, welche 1. Mai 1890 in Kraft getreten ist. Das dieser Verordnung beigefügte Verzeichnis A führt die Zubereitungen auf, welche ohne Unterschied, ob sie heilkräftige Stoffe enthalten oder nicht, nur in Apotheken feilgehalten oder verkauft werden dürfen. In dem Verzeichnis B sind dann die Droguen und chemischen Präparate aufgeführt, welche gleichfalls nur in Apotheken feilgehalten oder verkauft werden dürfen. Der Großhandel sowie der Verkauf der im Verzeichnis B aufgeführten Gegenstände an Apotheken oder an sonstige Staatsanstalten, welche Untersuchungs- oder Lehrzwecken dienen und nicht gleichzeitig Heilanstalten sind, unterliegen diesen Bestimmungen nicht. Vgl. Böttger, Die reichsgesetzlichen Bestimmungen über den Verkehr mit Arzneimitteln (2. Aufl., Berl. 1890); Meißner, Die kaiserliche Verordnung, betreffend den Verkehr mit Arzneimitteln, für den praktischen Gebrauch der Droguisten etc. (Leipz. 1890).