Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Anapäst“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 534
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Anapäst. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 534. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Anap%C3%A4st (Version vom 19.04.2022)

[534] Anapäst (griech., „Zurückpraller“), Versfuß, aus zwei kurzen und einer langen Silbe bestehend, der umgekehrte Daktylus (◡◡—), der bei den Griechen vorzugsweise bei Prozessionsliedern und Marschgesängen angewandt wurde, wie in den Schlachtgesängen des Tyrtäos, den sogen. Embaterien, und den Chorgesängen des griechischen Dramas. Der aus Anapästen gebildete Vers hat etwas Stürmisch-Bewegtes, das durch sparsam angebrachte Iamben und Spondeen (besonders im Auftakt) gemildert wird. Am gebräuchlichsten sind der zwei-, vier- und achtfüßige anapästische Vers. Der vierfüßige katalektische Vers ward Parömiakus genannt und fand in Schlachtgesängen wie in Chorliedern Anwendung, ebenso der achtfüßige katalektische Vers, oder Tetrameter, der aus der dorischen Komödie Eingang in die attische fand, wo er mit einem anapästischen Hypermetron schloß und der Aristophanische Vers genannt wurde, da ihn besonders Aristophanes regelmäßig gebrauchte. Er begann mit einer chorischen Strophe, welcher ein Dialog folgte, und schloß mit einem Hypermetron. Hierauf entgegnete in derselben Weise der zweite Teil des Chors. Die Zusammenziehung der beiden Kürzen des Anapästes konnte in allen Füßen, mit Ausnahme des siebenten, stattfinden, die Auflösung der Länge in zwei Kürzen in den drei ersten und im fünften Versfuß. Die Cäsur fiel an das Ende des vierten Fußes. Platen hat ihn nach dem Vorbild des Aristophanes für die Chorstrophen seiner satirischen Komödien, Prutz in seiner „Politischen Wochenstube“ angewendet. Beispiel:

Aber eins verleihst du, o himmlisches Gold, | was wenige, die dich besitzen,
Zu besitzen verstehn, zu genießen verstehn; | was ist dies Eine? die Freiheit. (Platen.)

Der Vers kann, wie das Beispiel zeigt, auch eine weibliche Endung haben und ebenso gut gereimt wie reimlos angewendet werden.