Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Amădisromane“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Amădisromane“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 1 (1885), Seite 437
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: [[{{{Wikisource}}}]]
Wikipedia-Logo
Wikipedia: Amadis de Gaula
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Amădisromane. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 437. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Am%C4%83disromane (Version vom 31.10.2021)

[437] Amădisromane, eine Familie mittelalterlicher Ritterromane, die, aus der Ritterromanze hervorgegangen, von Spanien aus sich über Europa verbreiteten und jahrhundertelang die beliebteste Lektüre bildeten. Der Stammvater des zahlreichen Geschlechts und zugleich der beste aller A. ist Amadis von Gallien (Gaula), ein ursprünglich portugiesisches Werk, das nach jetzt allgemeiner Annahme um 1370 von Vasco de Lobeira von Porto (gest. 1403) verfaßt wurde, aber in der portugiesischen Urschrift nicht mehr vorhanden ist. Statt derselben muß die spanische Bearbeitung des Romans dienen, welche über ein Jahrhundert später Garcia Ordoñez de Montalvo (zwischen 1492 und 1508) lieferte. Der Held der Dichtung ist Amadis, das Muster aller ritterlichen Tugend, Sohn des Königs Perion von Gaula und der britischen Prinzessin Elisena; er wird nach Schottland verschlagen, wo er sich in Oriana, die unvergleichliche Tochter des Königs Lisuart von England, verliebt, und die Erzählung und Verherrlichung dieser Liebesgeschichte, welche mit den buntesten Abenteuern, weiten Reisen in ferne Länder, zahllosen Kämpfen gegen Ritter, Riesen und Zauberer verknüpft ist, bildet den Hauptgegenstand des Romans. Das Werk ermüdet durch seine Breite, doch fehlt es ihm nicht an zarten und ergreifenden Stellen; es ist in seiner Haltung einfacher und doch vielseitiger als andre ähnliche Dichtungen und bleibt als Sittenspiegel der Ritterzeit merkwürdig. Die älteste noch vorhandene Ausgabe der Montalvoschen Bearbeitung ist von 1519. Ihr folgten in wenig Jahrzehnten zwölf andre. Schon Montalvo fügte übrigens den ursprünglichen vier Büchern des portugiesischen Originals (dem einzigen Werk, welchem Cervantes bei dem berühmten Autodafee von Don Quichottes Bibliothek Gnade widerfahren ließ) ein 5. Buch eigner Erfindung hinzu, welches die Geschichte des Esplandian, des ältesten Sohns des Amadis und der Oriana, enthält; nach ihm haben andre die Nachkommenschaft des alten Helden fast ins Unglaubliche vermehrt. Bereits 1526 kam ein 6. Buch mit der Geschichte des Florisando, seines Neffen, bald darauf ein 7. und 8. Buch hinzu mit der wundervollen Geschichte des Lisuarte von Griechenland, eines Sohns des Esplandian, und der noch wundervollern des Amadis von Griechenland, eines Urenkels des gallischen Helden. Dann folgten Don Florisel de Niquea und Anaxartes, Sohn des Lisuarte, deren Geschichte mit der der Kinder des letztern das 9., 10. und 11. Buch füllt. Ein 12. Buch endlich, das 1549 gedruckt wurde, berichtet die Thaten des Don Silves de la Selva. Zugleich erfuhr der Roman zahlreiche Übersetzungen, Umarbeitungen und Fortsetzungen in fremden Sprachen. Er war seit 1540 in französischer, seit 1546 in italienischer, seit 1619 in englischer, ebenso in holländischer Übersetzung vorhanden. Eine deutsche Übertragung (nach einer französischen Bearbeitung) erschien zu Frankfurt a. M. 1583; sogar von einer hebräischen wird berichtet. Dazu wurden die 12 Bücher des spanischen Romans in Frankreich bis auf 24, in Deutschland bis auf 30 erweitert. Zuletzt brachte ein Franzose, Gilbert Saunier Duverdier, zu Anfang des 17. Jahrh. die sämtlichen Romane in eine ordentlich zusammenhängende Reihenfolge, und mit seinem sieben dicke Bände starken Sammelwerk, das er unter dem Titel: „Roman des romans“ herausgab, gelangte die Geschichte der A. zum Abschluß. Eine freie poetische Bearbeitung des Stoffs hatte bereits der italienische Dichter Bernardo Tasso („Amadigi di Francia“, 1559) geliefert. In neuern metrischen Bearbeitungen versuchten sich Creuzé de Lesser („Amadis de Gaule, poëme faisant suite aux chevaliers de la Table-ronde“, Par. 1813) und W. Stewart Rose („Amadis de Gaul, a poem in three books“, Lond. 1803); endlich lieferte der englische Dichter Southey eine Abkürzung des alten Romans (neue Ausg. 1872, 3 Bde.), in welcher derselbe allenfalls noch jetzt lesbar erscheint. Dagegen hat der mutwillige „Neue Amadis“ von Wieland mit dem ältern nichts als den Titel gemein. Die Litteratur der A. geben Eberts „Bibliographisches Lexikon“, Nr. 479–489 (Leipz. 1821), und Brinckmeier in seinem „Abriß einer dokumentierten Geschichte der spanischen Nationallitteratur“ (das. 1844). Über Inhalt und Stil der einzelnen Romane berichtet Schmidt in den „Jahrbüchern der Litteratur“, Bd. 32 (Wien 1826). Vgl. außerdem Baret, De l’Amadis de Gaule et de son influence sur les mœurs et la littérature etc. (2. Aufl., Par. 1873); Pagès, Amadis de Gaule (das. 1868); Braunfels, Kritischer Versuch über den Roman Amadis von Gallien (Leipz. 1876); Braga, Formação de Amadis (Oporto 1878).