Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Altŏna“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 427428
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Altŏna. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 427–428. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Alt%C5%8Fna (Version vom 08.09.2023)

[427] Altŏna, Stadt in der preuß. Provinz Schleswig-Holstein, liegt am rechten hoch aufsteigenden Ufer der Elbe, mit der Ostseite unmittelbar an die Hamburger Vorstadt St. Pauli stoßend, und bildet mit der angrenzenden Ortschaft Ottensen einen besondern Kreis. Die Stadt hat infolge des Brandes von 1713 ein neues und ziemlich regelmäßiges Aussehen. Unter den meist breiten Straßen tritt die mit vier Lindenalleen besetzte Palmaille mit dem Standbild Konrad v. Blüchers (gest. 1845), Oberpräsidenten von A., und einem Kriegerdenkmal hervor. A. hat 3 luth. Kirchen, darunter die 1742–43 neuerbaute Haupt- oder Dreifaltigkeitskirche; außerdem bestehen 1 kath., 1 reform., 1 mennonit. Kirche und 2 Synagogen (der deutschen und der portugiesischen Gemeinde). Andre nennenswerte Gebäude sind: das Rathaus, das Justizgebäude, das städtische Krankenhaus, das gräflich Reventlowsche Armenstift, die durch ihre vortreffliche Akustik berühmte Tonhalle etc. Die Zahl der Einwohner, welche 1835 nur 26,393 betrug, belief sich 1880 mit Einschluß des Militärs (Infanterieregiment Nr. 31) auf 91,047, darunter 2310 Katholiken und 1929 Juden. Die Industrie Altonas ist von Belang und arbeitet zum Teil für das Ausland (besonders Nordamerika). Es sind namentlich große Baumwoll- und Wollmanufakturen, Dampfmühlen, außerdem die Tabaks- und Seifenfabrikation hervorzuheben. Die Nähe Hamburgs läßt A. an dessen Handelsthätigkeit und Schiffahrt unmittelbar teilnehmen; die Altonaer Kaufleute benutzen zu ihren Großgeschäften die Hamburger Börse, so daß beide Städte in kommerzieller Hinsicht nur einen Platz bilden. A. verbleibt auch mit Hamburg noch bis 1888 in seiner Freihafenstellung. Die eigne Reederei der Stadt ist verhältnismäßig gering; 1881 besaß dieselbe außer kleinen Flußfahrzeugen 36 Seeschiffe zu 10,882 Registertons. Dem Schiffbau dienen zwei Schiffswerften nebst einem Schwimmdock. In den Hafen Altonas liefen 1882: 537 Seeschiffe (davon 475 mit 91,063 Ton. Ladung) ein und 467 (davon 360 mit 18,196 T. Ladung) aus.

Wappen von Altona.

Haupteinfuhrartikel sind: Getreide, Baumwolle, Kaffee, Kakao, Farbhölzer, Tabak, Zucker, Petroleum, Reis, Matten, Salpeter, Palmkerne, Sesamsame etc. Der überseeische Export geht vorzugsweise nach Amerika, während der Verkehr mit Asien und Australien nur sehr geringe Bedeutung hat. Regelmäßige Dampfschiffsverbindungen bestehen nur mit Hamburg, Harburg und verschiedenen Orten an der Elbe (namentlich Blankenese, Buxtehude, Stade und Brunsbüttel). A. ist der Ausgangspunkt der A.-Kieler Bahn (A.-Wamdrup), der A.-Hamburger Verbindungsbahn mit Anschluß an die in Hamburg mündenden Bahnen und der A.-Blankeneser Bahn. Letztere 7,5 km lange Strecke führt durch einen großartigen, mit zahllosen Landhäusern besäeten, von blühenden Ortschaften unterbrochenen Park, der zu den schönsten Landschaftsbildern Deutschlands gehört. An öffentlichen Anstalten besitzt A. ein Gymnasium (Christianeum), ein Realgymnasium mit Realschule, eine höhere Töchterschule, eine Navigationsschule, eine Hufbeschlagschule, ein Museum, ein Theater (die 1823 gegründete Sternwarte ist neuerdings aufgelöst), eine Diakonissenanstalt, ein allgemeines Krankenhaus, zwei Kinderhospitäler etc. A. ist Sitz des Generalkommandos des 9. Armeekorps, ferner der Provinzial-Steuerdirektion, der Eisenbahndirektion für die Hamburg-Berliner, die A.-Kieler u. die Schleswigsche Eisenbahn, eines königlichen Kommerzkollegiums, eines Landgerichts, eines Hauptzollamtes und mehrerer Kreditanstalten etc. Der Landgerichtsbezirk A. umfaßt die 26 Amtsgerichte zu Ahrensburg, A., Bargteheide, Blankenese, Eddelack, Elmshorn, Glückstadt, Itzehoe, Kellinghusen, Krempe, Lauenburg, Marne, Meldorf, Mölln, Oldesloe, Pinneberg, Ranzau, Ratzeburg, Reinbeck, Reinfeld, Schwarzenbeck, Steinhorst, Trittau, Ütersen, Wandsbeck und Wilster. – A. war im 16. Jahrh. noch ein in die Kirche von Ottensen eingepfarrtes Fischerdorf, dessen Einwohnerzahl infolge der Unduldsamkeit Hamburgs [428] gegen Katholiken, Mennoniten, Juden etc. rasch zunahm. Bereits 1604 wurde es zum Flecken erhoben. Seit 1640 unter dänischer Botmäßigkeit, erhielt es 1664 Stadtgerechtsame nebst vielen Freiheiten. Im Januar 1713 ward A. von dem schwedischen General Steenbock aus Rache für das von den Dänen eingeäscherte Stade fast ganz niedergebrannt. Jedoch im nordamerikanischen und französischen Revolutionskrieg blühte A. unter dem Schutz der dänischen Neutralität mächtig empor. Im J. 1869 fand eine internationale Industrieausstellung in A. statt, an der sich namentlich die französische Industrie lebhaft beteiligte. Vgl. Wichmann, Geschichte Altonas (Altona 1865). S. den Stadtplan „Hamburg-Altona“.