Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Agrigéntum“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 203204
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Agrigéntum. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 203–204. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Agrig%C3%A9ntum (Version vom 06.01.2023)

[203] Agrigéntum (griech. Akragas), eine der größten und herrlichsten Städte des Altertums, auf der Südküste Siziliens. Durch eine dorische Kolonie von Gela aus 582 v. Chr. gegründet, bedeckte A. die ganze Terrasse zwischen den Flüssen Hypsas (jetzt Fiume Drago) und Akragas (Fiume di San Biagio) sowie einen beträchtlichen Teil der Flußthäler selbst. Die Erzählungen der Alten von dem Reichtum, dem Luxus und der Größe Agrigents würden unglaublich erscheinen, wenn nicht die wenigen Überreste die Aussagen der Historiker verbürgten. Zur glänzendsten Zeit, Ende des 5. Jahrh. v. Chr., hatte A. über 20,000 stimmfähige Bürger und im ganzen an 200,000 Einw., beherrschte ein quer durch Sizilien bis zur Nordküste bei Himera sich erstreckendes Gebiet und führte Festungsmauern von 15 km Länge und kolossale Prachttempel auf. Die besonders durch Export von Wein und Schwefel und durch Gewerbe reich gewordenen Bürger entfernten sich früh von der dorischen Sitteneinfalt; Prachtliebe und Üppigkeit, aber auch Kunstsinn und Gastfreundschaft waren Hauptzüge der Agrigentiner. Die Verfassung war vorherrschend demokratisch, mit Beibehaltung altdorischer Form. Unter mehreren, die sich von Zeit zu Zeit zu Tyrannen aufwarfen, nennt die Geschichte mit Abscheu den Phalaris (566–534), rühmend aber den Theron (488–472). Die Epoche des Verfalls der Stadt datiert von der gräßlichen Zerstörung durch die Karthager 406; danach erreichte A. seine vorige Blüte nie wieder. Zwar als Timoleon im J. 340 Kolonisten aus Velia herbeiführte, hob es sich von neuem, mußte aber 314 die Hegemonie von Syrakus anerkennen. Zu Anfang der Punischen Kriege war in A. die Niederlage der karthagischen Kriegsvorräte. Im J. 262 wurde es von den Römern nach siebenmonatlicher Belagerung zum erstenmal erobert, kam wechselnd in die Macht der Karthager und wieder in die der Römer, bei welch letztern es seit 210 verblieb. A. wurde nun wieder eine wichtige Stadt und blieb es bis zum Untergang des weströmischen Reichs. Im J. 827 n. Chr. fiel es in die Hände der Sarazenen, die sich bis 1088 im Besitz der Stadt behaupteten. Jetzt liegt an der Stelle derselben das moderne Girgenti (s. d.). Die großartigen Tempelruinen der berühmten alten Griechenstadt erstrecken sich südlich vom heutigen Ort bis zum Meer und gewähren, meist dem 5. Jahrh. v. Chr. angehörend, ein vollständiges Bild antiker Tempeleinrichtung. Am besten erhalten sind der sogen. Tempel der Concordia, im vollendeten dorischen Stil, der vollständigste und herrlichste Tempel Siziliens, 40 m lang, 17,5 m breit, mit 13 und 6 Säulen, und der etwas kleinere Tempel der Juno Lacinia (wahrscheinlicher des Poseidon). Der Tempel des Jupiter Olympius, der größte, aber nie vollendete Tempel Siziliens (111 m [204] lang, 56 m breit und 37,3 m hoch), jetzt ein gewaltiger Trümmerhaufe, hatte 14 und 7 halb eingemauerte Säulen von 3,5 m Durchmesser und 17 m Länge und im Innern der Cella eine Reihe riesiger Karyatiden. Auch vom Tempel des Hephästos, des Herakles, der Dioskuren, des Asklepios sowie den Wasserleitungen des Baumeisters Phäax (daher Phäaken genannt) haben sich Reste erhalten. A. war der Geburtsort des Dichters und Philosophen Empedokles. Vgl. Siefert, Akragas und sein Gebiet (Hamb. 1845); Serradifalco, Antichità della Sicilia, Bd. 3 (Palermo 1836); Schubring, Topographie von Akragas (Leipz. 1870).