MKL1888:Agri decumátes

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Agri decumátes“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 203
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Agri decumátes. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 203. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Agri_decum%C3%A1tes (Version vom 30.10.2021)

[203] Agri decumátes (Zehntland), Landschaft im röm. Germanien, welche sich von der obern Donau bis nach dem Mittelrhein hin erstreckte und ein Dreieck bildete, dessen eine Seite die obere Donau, die andre der Ober- und Mittelrhein bis zur Lahn bildete, während die dritte durch eine befestigte Linie bezeichnet war, die sich von der Donau oberhalb Regensburg bis an die Lahn unweit ihrer Mündung in den Rhein zog. In ältester Zeit waren diese Gegenden von Kelten, besonders Helvetiern, bewohnt und wurden nach deren Auswanderung im 1. Jahrh. v. Chr. von Sueven eingenommen; doch waren sie nur spärlich bevölkert. Um eine schnellere und sicherere Verbindung zwischen Rätien und den eroberten rheinischen Provinzen herzustellen, besetzte Drusus jene Landschaft, versah sie mit Straßen und Kanälen und legte den Grund zu der erwähnten befestigten Linie. Tiberius, Domitius Ahenobarbus und M. Vincius führten das von Drusus begonnene Werk fort, und die A. d. bildeten seitdem ein Vorland des römischen Reichs, eine Art von Militärgrenzland gegen die noch unbezwungenen Germanen. Seit der Regierung des Kaisers Claudius gerieten zwar die dortigen Ansiedelungen in Verfall; aber Trajan stellte sie wieder her, und Hadrian erneuerte auch den schadhaft gewordenen Grenzwall, der deshalb Vallum Hadriani genannt wurde. Derselbe war 600 km lang, teilweise doppelt und dreifach und bestand aus Kastellen und Wachttürmen, welche durch Dammbauten und Fahrstraßen in Verbindung gesetzt waren. Außer römischen Veteranenkolonien wurden gallische Ansiedler nach den A. d. verpflanzt, welche einen Pachtzehnten zu zahlen hatten, nach dem das Land seinen Namen erhielt. Zahlreiche Straßen, Wohngebäude, Villen, Badeanlagen mit Statuen und Mosaikfußböden zeugen von der frühern Kultur. Dies währte bis 234 n. Chr., als die Alemannen ihre Angriffe auf dies römische Grenzland begannen. Schon zur Zeit des Kaisers Valerian (253) hatten sie sich desselben großenteils bemächtigt, und nach Aurelians Tod (275) fiel es ihnen ganz zu. Dem Kaiser Probus gelang es zwar, sie wieder über die Rauhe Alb und den Neckar zurückzutreiben; aber gleich nach seinem Tod (282) drangen sie aufs neue in das Land ein, um es nicht wieder zu verlassen. Fortan bildete die Landschaft einen Teil Alemanniens, und der römische Limes transrhenanus, jener Grenzwall, der noch von Probus wiederhergestellt worden war, sank mit den meisten römischen Kastellen und Städten in Trümmer (s. Pfahlgraben). Vgl. E. Hübner, Der römische Grenzwall in Deutschland (mit Karte von Kiepert, in den „Jahrbüchern des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinland“, Heft 63, Bonn 1878); v. Cohausen, Der römische Grenzwall in Deutschland (Wiesb. 1884).