Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Agnāten“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 195
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Agnāten. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 195. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Agn%C4%81ten (Version vom 30.10.2021)

[195] Agnāten (lat., „Hinzu-, Nachgeborne“), Blutsverwandte, die in männlicher Linie von dem gemeinsamen Stammvater herstammen. Das römische Recht unterscheidet nämlich in der Verwandtschaft die Cognatio, die natürliche Blutsverwandtschaft, das auf der Zeugung und der dadurch entstandenen Gemeinschaft des Bluts beruhende Verhältnis, und die Agnatio (cognatio civilis), die Verwandtschaft, welche durch lauter Mannspersonen und durch lauter eheliche Zeugungen begründet ist. Der Grund der Agnation ist die väterliche Gewalt, und da solche nur Mannspersonen haben können, so kann also auch nur eine Verwandtschaft durch Mannspersonen Agnation sein. A. sind daher alle diejenigen Personen, welche in derselben väterlichen Gewalt stehen oder doch stehen würden, wenn das sie verbindende Haupt noch lebte. Hiernach können auch Frauenspersonen als Endglieder des agnatischen Stammbaums zu denselben gezählt werden, man nennt sie dann Agnatinnen; aber sie können durch Nachkommenschaft die Agnation nicht fortsetzen, weil die Linie der Abstammung von lauter Männern durch ein weibliches Zwischenglied gestört wird. Übrigens kann eine Agnation auch auf künstliche Weise begründet werden, nämlich durch die Adoption (s. d.). Schon Justinian hob in der Novelle 118, auf welcher das Intestaterbrecht des gemeinen Rechts beruht, den Unterschied zwischen A. und Kognaten beinahe vollständig auf, indem er das Intestaterbrecht der Verwandten ausschließlich an das Verhältnis der Blutsverwandtschaft knüpfte. In den modernen Rechtssystemen hat das Agnationsverhältnis vollends jede Bedeutung verloren. Eine besondere Bedeutung hat dagegen der Ausdruck A. im deutschen Recht in der Lehre von der Succession in Lehen und Familienfideikommisse des Adels. Auch hält das deutsche Staatsrecht den Grundsatz fest, daß die Rechte des Staatsoberhaupts nach der agnatischen Linearfolge vererbt werden, dergestalt, daß, solange noch ein Agnat, sei es auch aus einer noch so entfernten Seitenlinie, vorhanden ist, die Successionsfähigkeit irgend einer weiblichen Linie sowie die einer Agnatin im Sinn des römischen Rechts unbedingt ausgeschlossen bleibt und auch dann, wenn dieselbe in Ermangelung eines durch Agnation oder Erbverbrüderung zur Nachfolge berechtigten Prinzen eintritt, von da an ohne weiteres wieder der Grundsatz der Vererbung der Kronrechte nach der agnatisch linearen Erbfolge Platz greift.