Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
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Band 1 (1885), Seite 120124
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Adler. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 120–124. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Adler (Version vom 30.11.2024)

[120] Adler (Aquilinae, hierzu Tafel „Adler“), Unterfamilie der Falken (Falconidae) aus der Ordnung der Raubvögel, große oder sehr große, gedrungen gebaute Tiere mit mittelgroßem, durchaus befiedertem Kopf, hohem, am Grund geradem, gegen die Spitze gekrümmtem Schnabel, welcher statt des seitlichen Zahns eine Ausbuchtung besitzt, und dessen Wachshaut nicht vom Gefieder bedeckt wird, mit fast gerundeten Flügeln, welche bis zur Wurzel oder zum Ende des Schwanzes reichen, und in denen die vierte und fünfte Schwinge meist am längsten sind, mit großem, langem und breitem, gerade abgeschnittenem oder zugerundetem Schwanz, mittellangem, kräftigem, nur oben oder völlig befiedertem Lauf, der häufig von dem lockern Schenkelgefieder (Hosen) bedeckt ist, mit starken, gekrümmten und spitzen Krallen. Das Weibchen ist stets größer und meist auch schöner als das Männchen. Die A. sind die stärksten und kühnsten Raubvögel, sie fressen in der Regel nur frischen Raub, den sie mit den Fängen ergreifen und forttragen, nehmen aber auch mit Aas vorlieb. Adlerarten bewohnen die ganze Erde, sie finden sich am häufigsten in den wärmern Gegenden und mehr auf dem Festland als auf den Inseln. Die Mehrzahl lebt im Wald, einzelne sind Gebirgs-, andre Steppenbewohner, und manche leben an Küsten oder Binnengewässern. Die größern Arten sind bei uns Stand- und Strichvögel, die kleinern Arten wandern und dringen bis in das Innere von Afrika vor, zwar in Gesellschaften, aber paarweise zusammenhaltend. Im April langen sie wieder an ihren Nistungsplätzen an, in deren Nähe sie kein zweites Paar dulden. Manche bewohnen während ihrer langen Jugendzeit ganz andre Gegenden und Länder als die alten gepaarten Vögel ihrer Art. Sie bauen auf einer hervorspringenden Felsplatte, in der Krone eines starken Baums, im Notfall auf dem flachen Boden ihren Horst, der auf langen, oft armstarken Knüppeln ruht und so fest geschichtet ist, daß er dem stärksten Sturm trotzt. Das Weibchen legt im April oder Mai 1 oder 2, selten 3 Eier und zeitigt sie in 4–5 Wochen. Männchen und Weibchen zeigen sich gleich besorgt um die Brut. Die selbständig gewordenen Jungen streichen mehrere Jahre einzeln umher, ehe sie sich an einem bestimmten Ort ansiedeln. Die Alten aber verlassen ihren Brütort nur zeitweilig, suchen ihn, wenn sie wandern, regelmäßig wieder auf und benutzen denselben Horst mehrere Jahre. In der Gefangenschaft werden manche Adlerarten bald zahm und dauern außerordentlich lange aus. In Wien wurde ein A. 104 Jahre im Käfig gehalten.

Zur Gattung Aquila Möhr., mit großem, langem Schnabel, dessen Firste schon unter der Wachshaut gebogen ist, bis zum Ende des breiten, mittellangen, gerade abgeschnittenen Schwanzes reichenden Flügeln, in denen die vierte Schwinge die längste ist, und mittelhohen, sehr kräftigen Läufen, gehören: Der Steinadler (gemeiner, schwarzer, brauner oder Rauchfußadler, A. fulva L.), bis 95 cm lang, 2 m und darüber breit (Weibchen), sehr gleichmäßig dunkelbraun

[Beilage]

[Ξ]

Adler.
Schopfadler (Spizaëtos occipitalis). 1/6.
Afrikanischer Schreiseeadler (Haliaëtus vocifer). 1/6.
Harpyie (Harpyia destructor). 1/8.
Goldadler (Aquila chrysaëtos). 1/8.

[121] gefärbt; nur Nacken und Hinterhals sind rostbraungelb, der Schwanz ist an seiner Wurzelhälfte weiß, dann schwarz gebändert oder gefleckt, an der Endhälfte schwarz; die Hosen sind braun, die Unterschwanzdeckfedern weiß. Junge Vögel sind heller, das Hellbraun des Nackens dehnt sich weiter aus, der Flügel besitzt einen großen weißen Spiegel, der Schwanz ist grauweiß, nur im Enddritteil schwarz, die Hose sehr hell. Die Färbung wechselt aber außerordentlich. Ob der Goldadler (A. chrysaëtos Bp., s. Tafel) sich artlich von dem Steinadler unterscheidet, ist ungewiß; er ist kleiner, schlanker, der Schwanz in der Mitte verlängert, in der Achselgegend mit weißem Fleck, am Schwanz bräunlich aschgrau, schwarz gebändert. Der Steinadler bewohnt die Hochgebirge und großen Waldungen Europas und Asiens, horstet seit 30 oder 40 Jahren in Deutschland nur im bayrischen Hochgebirge, in Ostpreußen und Pommern, viel häufiger in Südosteuropa; der Goldadler ist in Skandinavien, Rußland, Ostsibirien heimisch und berührt Deutschland nur während seines jugendlichen Umherschweifens. Er bevorzugt im Hochgebirge eine unzugängliche Felswand, wird aber erst nach sechs, vielleicht zehn Jahren seßhaft und durchschweift auch dann noch weite Gebiete. Er lebt und jagt dann paarweise, ist sehr mutig und frech, raubt alle kleinern Tiere und wird namentlich dem Kleinvieh der Herden sehr gefährlich; er stößt bisweilen auf Kinder und greift selbst Erwachsene an. Er nimmt auch dem Wanderfalken die Beute ab und raubt dem Jäger das erlegte Wild. Aas verschmäht er nicht. Er schlingt stets Haare und Federn hinab und speit sie als Gewölle wieder aus. Er horstet auf Felsen oder Bäumen und legt 2–3 weißliche oder grünlichgraue, grau und bräunlich gefleckte Eier, welche das Weibchen in fünf Wochen ausbrütet. Jung eingefangene A. werden bald zahm, die Baschkiren richten sie zur Jagd auf Füchse, Wölfe, Antilopen ab. Die Unterschwanzdeckfedern (Adlerflaumen) und die Krallen werden im Gebirge als Schmuck getragen; die Mongolen benutzen die Schwingen zu Fächern, zur Befiederung der Pfeile und als Opfergabe. Der Königs- oder Kaiseradler (A. imperialis Bchst.), 86 cm lang und 2,2 m breit, ist gedrungen gebaut, mit langen Flügeln, aber verhältnismäßig kurzem Schwanz, gleichmäßig tief dunkelbraun, mit hellerm Kopf und Nacken, einem großen weißen Fleck auf den Schultern und aschgrauem, schwarz gebändertem Schwanz. Er bewohnt Südosteuropa und findet sich von Ungarn und Galizien an bis zur Mongolei und südlich bis Indien, ist ein Zugvogel, bewohnt die Ebenen und findet sich selbst in baumlosen Steppen und in der Nähe von Ortschaften; er ist schwächer als die beiden erstern, jagt hauptsächlich kleineres Wild (Ziesel etc.). Der Horst steht auf Bäumen, in der Steppe auf dem flachen Boden. Im April legt das Weibchen 2–3 weiße, violettgrün, blaß purpurrot oder hellbraun gefleckte Eier, welche beide Geschlechter bebrüten. Jung eingefangen, wird er sehr zahm, läßt sich auch zur Beize abrichten, leistet aber bei weitem nicht die Dienste wie der Steinadler. Der gefleckte A. (Schrei-, Rauchfuß-, Gänse- oder Entenadler, A. naevia Gmel.), 65–70 cm lang und 1,7–1,85 m breit, gleichmäßig kaffeebraun (im Frühjahr und Herbst erdbraun), im Nacken heller, unterseits heller als auf dem Rücken, Handschwingen mattschwarz, dunkler gebändert, Schwanzfedern heller als die Schwingen, Unterschwanzdecken blaß erdbraun mit hellern Spitzen, Fußwurzeln hell erdbraun; das Auge ist gelb, dunkler gepunktet, die Wachshaut gelb, der Schnabel hornblau, an der Spitze schwarz, der Fuß gelb. Junge Vögel sind stets merklich dunkler, die Federn des Nackens, Hand- und Unterarmschwingendecken sowie die der Kropfgegend und die Unterschwanzdecken mit Spitzenflecken. Er bewohnt als Brutvogel Norddeutschland, Polen, Westrußland, Ungarn, Galizien, die Türkei und Griechenland, weilt bei uns vom März bis September, erscheint in der Zugzeit auch in Westdeutschland, lebt in feuchten Au- und Laubhölzern, ist feig, harmlos, schreit laut, jagt neben Fröschen auch Schlangen, Nager, in der Brutzeit auch Vögel, junge Hasen und frißt Aas. Er nistet an Waldblößen auf hohen Bäumen in Bussard- und Habichthorsten, das Weibchen legt 2 weiße, blaßbläulich gefleckte Eier, welche beide Eltern ausbrüten.

Zu der durch niedere Fußwurzeln charakterisierten Gattung Zwergadler (Hieraëtus Kp.) gehören: Der gestiefelte A. (H. pennatus Gm.), 51 cm lang, 121 cm breit (Weibchen), mit gelblichweißer Stirn, rötlichbraunem Nacken, schwarzbraunem, hell schattiertem Mantel und Flügeln, weißem Schulterfleck und braunen Schaftflecken auf der hellgelblichen Unterseite; das Auge ist hell erzfarben, der Schnabel hellblau, an der Spitze schwarz, Fuß und Wachshaut gelb. Er bewohnt Südwest- und Südosteuropa, auch einen Teil Asiens, weilt in Deutschland vom April bis September, durchzieht im Winter ganz Afrika, lebt stets paarweise, gleicht in seinem Wesen den edelsten Adlern, jagt hauptsächlich kleine Vögel, nistet in Laubwäldern in der Nähe größerer Flüsse, am liebsten in fremden Horsten, und legt im Mai 2 gelbliche oder hellgrünliche, gelb oder rot gefleckte Eier, welche beide Eltern bebrüten. In der Gefangenschaft wird er so zahm wie andre A. Der Schopfadler (Spizaëtos occipitalis Gray, s. Tafel), 50–52 cm lang, 120–130 cm breit, ist gedrungen gebaut, mit langen Flügeln, hohen Läufen, kurzem Schwanze, ziemlich einfarbig dunkelbraun, mit aufrichtbarem Schopf, hochgelbem Auge, hornblauem Schnabel, hellgelber Wachshaut und strohgelbem Fuß, findet sich weitverbreitet in Afrika vom 17.° nördl. Br. bis zum Kap, vom Senegal bis Madagaskar, in der Ebene und im Gebirge, ist im Wesen unserm Habicht vergleichbar. Er horstet auf Bäumen und legt 2 fast runde, bleiche, rotbraun gefleckte Eier. Die Harpyie (Harpyia destructor L., s. Tafel), 1 m lang, mit sehr kräftigem Körper, großem Kopf, breitem und langem Schwanz, stumpfen, kurzen Flügeln, ungemein hohem und kräftigem Schnabel und auffallend starken Füßen und Fängen, ist am Kopf und Hals grau, die verlängerten Nackenfedern, Rücken, Flügel, Schwanz, Oberbrust und Rumpfseiten schwarz, Steuerfedern weißlich gebändert, Unterseite weiß, schwarz getüpfelt, die Schenkel schwarz gewellt; das Auge ist rotgelb, Schnabel und Krallen schwarz, der Fuß gelb. Sie bewohnt Amerika von Mexiko bis zur Mitte Brasiliens, lebt einzeln in wasserreichen Wäldern, jagt Säugetiere und Vögel und wird wegen ihrer Räubereien sowie wegen ihres als Schmuck hochgeschätzten Gefieders von den Indianern eifrig verfolgt.

Die Gattung Seeadler (Haliaëtus Sav.) umfaßt große Raubvögel mit sehr hohem, an den Seiten flach abfallendem Schnabel, kräftigen, nur zur Hälfte befiederten Fußwurzeln, großen Fängen, stark gekrümmten, langen Nägeln und großen, das Ende des mittellangen, breiten, mehr oder weniger abgerundeten Schwanzes beinahe erreichenden Flügeln, in denen die dritte Schwungfeder am längsten ist. Der Schreiseeadler (H. vocifer Gray, s. Tafel), 70 cm lang, an Kopf, Hals, Nacken, Oberbrust und Schwanz, [122] Mantel und Schwingen bläulichschwarz, sonst braunrot, Augenring, Wachshaut und Füße lichtgelb, Schnabel braunschwarz, lebt in Afrika vom 18.° nördl. Br. bis zum Kap, in den Urwäldern an großen Strömen, meist paarweise und erregt durch seine Schönheit und seine laute Stimme allgemeine Bewunderung. Er nährt sich von Fischen und Aas, horstet auf hohen Bäumen oder Felsen und legt 2–3 weiße Eier. Der gemeine See- oder Meeradler (Fisch-, Gänseadler, Steingeier, Bein- oder Steinbrecher, H. albicilla Gray), bis 95 cm lang und 2,5 m breit, auf Kopf, Nacken, Oberhals hell fahlgraugelb, undeutlich dunkler gezeichnet, Oberrücken und Mantel dunkel erdbraun, mit hell fahlgelblichgrauen Federrändern und dunkeln Schaftstrichen gezeichnet, Unterrücken und Unterseite einfarbig dunkel erdbraun, Schwingen braun, Schwanz weiß; Augenring, Schnabel, Wachshaut und Fuß sind gelb. Er bewohnt Europa, Nordasien, Ägypten, nistet bei uns in Ost- und Westpreußen sowie in Pommern und lebt vorzugsweise in Küstenwäldern oder an großen Strömen. Nur die jungen Tiere schweifen weit umher, und die wandernden Alten des Nordens ziehen im Frühjahr und Herbst durch Deutschland. Außer der Brutzeit lebt er ziemlich gesellig, mehr nach Geier- als Adlerart, er jagt auf alles Wild, welches er bewältigen kann, namentlich auf Wasservögel und Fische, und frißt auch Aas. Er nistet auf Felsen, Bäumen, Gebüsch, im Röhricht und auf dem Boden, benutzt den Horst viele Jahre und legt Ende März 2–3 weiße, oft braun gefleckte Eier, welche beide Eltern ausbrüten. Da er auch häufig in der Nähe von Ortschaften horstet, wird er schädlich. In der Gefangenschaft hält er sich gut und wird sehr zahm. Auf Sizilien wird er gegessen.

Die Gattung Flußadler (Pandion Sav.) besitzt einen niedrigen, kurzen, bauchig gewölbten Schnabel mit sehr langer Hakenspitze, lange, spitze, den kurzen Schwanz etwas überragende Flügel, in denen die zweite und dritte Schwinge am längsten sind, einen kurzen Lauf und eine Wendezehe. Der Fluß- oder Fischadler (Weißfuß, Weißbauch, Fischraal, P. Haliaëtus Cuv.), 56 cm lang, 164 cm breit, hat glattes, fettiges Gefieder, ist auf Kopf und Nacken gelblichweiß, schwarzbraun gestreift, sonst braun mit heller gerandeten Federn, am Unterkörper weiß oder gelblichweiß, der Schwanz schwarz und braun gebändert, vom Auge zur Halsmitte herab läuft ein dunkles Band; das Auge ist gelb, Wachshaut und Fuß grau, Schnabel und Krallen schwarz. Er bewohnt die ganze Erde, lebt nur an Flüssen, weilt bei uns vom März bis Oktober, nährt sich nur von Fischen, in der Not von Lurchen, nistet auf hohen Bäumen, benutzt denselben Horst viele Jahre und legt 3–4 weiße, blaugrau oder rostfarben gefleckte Eier, welche beide Eltern ausbrüten. Er ist für die Teichwirtschaft sehr schädlich und wird deshalb überall eifrig verfolgt, nur in Amerika schützt ihn der Aberglaube. In der Gefangenschaft hält er sich sehr schlecht.

Symbolische Bedeutung des Adlers.

In der Mythologie ist der A. gewöhnlich die Sonne; der Blitz, der Donnerkeil, der Sonnenstrahl sind bald der Schnabel, bald die Kralle des Raubvogels und bald auch der ganze Vogel selbst. Der mächtige mythische A. der Inder, Garuda, ist das Roß des Gottes Wischnu, das Sonnenroß, durch seinen Glanz siegreich über alle Ungeheuer. In der skandinavischen und deutschen Mythologie ist der A. eine finstere Form, welche mit Vorliebe von den finstern Dämonen oder doch von dem Gott (Odin), der in der finstern Nacht oder der windigen Wolke verborgen ist, angenommen wird. Der Sturmriese Hräswelgr sitzt in Adlergestalt am Ende des Himmels und bläst den Wind über alle Völker. Auf der Weltesche Yggdrasil sitzt ein A. und beobachtet alles, was geschieht. Als Zeus sich zum Kampf gegen die Titanen rüstet, bringt ihm der A. seinen Pfeil, weshalb Zeus den A. zu seinem Feldzeichen nahm. Er hält den Donnerkeil des Zeus in seinen Klauen und verkündet den Helden bald den Sieg, bald die höchste Macht. Der griechische A. ist gleich Zeus ein Spender von Licht, Fruchtbarkeit und Glück, aber auch gleich diesem tyrannisch und frißt am Herzen des Prometheus. Folgerecht wird nun der A. auch der Bote des Zeus, welcher den Sterblichen den Willen des Gottes verkündet. Als Sinnbild der unsterblichen Götter wird der A. auch Sinnbild der Unsterblichkeit selbst und der menschlichen Seele, die sich nach dem Tod emporschwingt. Auf ähnliche Weise wurde der A. Sinnbild der irdischen Macht. Ptolemäos Soter schon machte ihn zum Symbol des ägyptischen Reichs. Nach römischer Sage verkündigte ein A. dem Tarquinius die königliche Herrschaft, und unter den Attributen des Königtums,

Fig. 3. Fig. 1 Fig. 2.
Adler der römischen Legionen.

welche die Etrusker den Römern als Zeichen der Freundschaft schickten, war auch ein Zepter mit einem A. von Elfenbein. Seit dieser Zeit blieb der A. eins der ersten Attribute der Republik, welches auch die Kaiser beibehielten und seit Karl d. Gr. die mittelalterliche Heraldik aufnahm (s. unten). Die griechische Baukunst bediente sich des Adlers ebenfalls zur Bezeichnung des Göttlichen, namentlich in den Tempelgiebeln, die daher selbst A. genannt werden. Bei der Apotheose der römischen Kaiser versinnlichte ein vom Scheiterhaufen emporsteigender A. die Aufnahme des Abgeschiedenen unter die Götter, ein aus dem Orient stammendes Bild. Für alle Augurien war der A. von günstiger Vorbedeutung. Auch in der christlichen Symbolik hat er ähnliche Verwendung gefunden; dem Evangelisten Johannes hat die bildende Kunst den A. als Symbol göttlicher Begeisterung zugeteilt.

Als Feldzeichen kommt der A. zuerst bei den Persern vor. Am berühmtesten sind aber die A. der römischen Legionen (s. Fig. 1–3). Anfangs waren dieselben von Holz, dann von Silber mit goldenem Blitzstrahl, unter Cäsar und den Kaisern ganz von Gold, aber ohne Blitzstrahl, immer aber als siegverheißendes Zeichen mit ausgebreiteten Flügeln. Sie wurden auf langen Lanzen den Legionen vorgetragen und genossen göttlicher Verehrung (s. Legion). Seit [123] 1804 führten Napoleons Heere vergoldete A. mit gehobenen Flügeln an Stelle der Fahnen.

Heraldisches. Da man dem A. im Mittelalter eine Reihe vorzüglicher Eigenschaften: Verjüngungskraft, Freigebigkeit, Mut, nachrühmte, so wurde er von Fürsten und Landesherren zum Wappen gewählt, so von den Kaisern, den Herzögen von Bayern, Böhmen, Schlesien und Österreich, den Königen von Polen, den Markgrafen von Brandenburg. Nach Einführung der Wappenbriefe wurde der A. zum verbreitetsten Wappenbild. Der A. der neuern Heraldik hat gewöhnlich einen einzigen, zur Rechten gekehrten Kopf mit ausgeschlagener Zunge, liegt auf dem Rücken mit vorwärts gekehrtem Bauch, ausgebreiteten Flügeln, gespreizten Füßen und Klauen und sogen. krausem Schwanz. Der in manchen Wappen erscheinende sogen. gestümmelte A. (bei den Franzosen alérion) ist der untern Teile der Beine und des Schnabels beraubt.

Der deutsche Reichsadler war ursprünglich einköpfig und soll von Karl d. Gr. nach seiner Krönung zu Rom zum Symbol seines Reichs erhoben worden sein; nachweisen läßt er sich auf der Reichsfahne bereits unter Otto II. Er erscheint mit roter Zunge, goldenem Schnabel, goldener Krone, ausgebreiteten Flügeln, ausgespreizten Beinen, goldenen Fängen, von denen der rechte das Zepter, der linke den Reichsapfel hält, und krausem Schwanz. Der Doppeladler, mit dem einen Kopf und Hals rechts, mit dem andern links gewendet, findet sich zuerst 1325 auf einer unter Ludwig dem Bayern geschlagenen Reichmünze. Doch führte der Kaiser nur einen einfachen A., schwarz in Gold; auch das Siegel der Goldenen Bulle von 1356 trägt einen einfachen A. Erst unter Siegmund, von 1433 an, wurde der Doppeladler beständiges Wappenzeichen der deutschen Kaiser, während der römische König den einfachen A. führte. Vgl. Römer-Büchner, Der deutsche A. nach Siegeln geschichtlich erläutert (Frankf. 1858); Hohenlohe-Waldenburg, Zur Geschichte des heraldischen Doppeladlers (Stuttg. 1871). Nach Auflösung des heiligen römischen Reichs 1806 nahm der Kaiser von Österreich den Doppeladler für seine Monarchie in Anspruch. Rußland entlehnte 1472 unter Iwan Wasiljewitsch den Doppeladler vom byzantinischen Kaisertum, welches denselben seit der Teilung des römischen Reichs führte; derselbe gleicht dem frühern deutschen Reichsadler, nur sind Schnabel, Zunge und Fänge rot. Der A. des jetzigen Deutschen Reichs ist einköpfig, rechts sehend, Schnabel, Zunge und Klauen rot, ohne Zepter und Reichsapfel, auf der Brust der preußische Wappenschild, um welchen sich die Kette des Schwarzen Adlerordens schlingt. Über dem Kopf des Reichsadlers schwebt die deutsche Kaiserkrone mit fliegenden Bändern. Der Kaiser führt den Reichsadler in seinem Siegel in goldenem Schild. Vgl. Stillfried-Alcantará, Die Attribute des neuen Deutschen Reichs (3. Aufl., Berl. 1882). Ursprünglich Reichsadler ist der preußische A., welcher den Deutschen Rittern von Kaiser Friedrich II. verliehen wurde und ihnen verblieb, als Siegmund den Doppeladler für das Reich einführte. Er erscheint rechtssehend, Schnabel, Fänge und Krone golden, Zunge rot, mit goldenen Kleestengeln auf den Flügeln und goldenem Namenszug R auf der Brust. Auch Brandenburg, Posen, Schlesien, Niederrhein, Ostfriesland, Frankfurt a. M. führen den A. im Wappen. Vgl. Stillfried-Alcantará, Die Titel und Wappen des preußischen Königshauses (Berl. 1875). Sonst führen den A. noch das Königreich Polen, und zwar dieses einen weißen gekrönten A. in rotem Feld, und die Vereinigten Staaten von Nordamerika, letztere einen dunkelbraunen auffliegenden A., der in der einen Klaue ein Bündel Pfeile, in der andern einen Ölzweig hält und auf der Brust einen in zwei Felder (blau und rot mit Silber) geteilten Schild trägt. S. Tafel „Wappen“. In Frankreich wurde der A. durch Napoleon I. zum Symbol des Kaiserreichs erhoben, nach seinem Sturz beseitigt, von Napoleon III. wiederhergestellt und 1870 abermals entfernt. Dieser Napoleonische A. hatte natürliche Gestalt, mit Blitzen in den Fängen und zum Aufschwung bereit. Der A. erscheint auf den Fahnen der preußischen, österreichischen und russischen Heere und ist auch das Zeichen mehrerer Ritterorden (s. Adlerorden).

Adler, Sternbild am nördlichen Himmel zwischen 281 und 305° Rektaszension und 3 und 8° nördlicher Deklination, begrenzt von den Sternbildern des Antinous, welcher von dem A. getragen wird, des Delphins, Fuchses, Poniatowskischen Stiers und Sobieskischen Schildes, zeichnet sich durch einen Stern erster Größe, Atair, aus, über welchem ein Stern dritter und unter welchem ein Stern vierter Größe, welche drei in gerader Linie stehen. Am Schwanz stehen noch zwei Sterne dritter Größe, überhaupt aber gehören 23 hellere Sterne zu diesem Sternbild.

Adler (Eagle), nordamerikan. Goldmünze von 10 Dollar in verschiedener Ausmünzung. Die von 1792 bis 1834 geprägten A. haben ein gesetzmäßiges Rauhgewicht von 270 Troygrän = 17,4956 Grän, sind 22karätig und enthalten 16,0376 Grän fein Gold; die von 1834 bis 1837 geprägten wiegen 258 Troygrän = 16,718 Grän, sind 21karätig, 642/43 Grän fein und enthalten 15,0333 Grän fein Gold; die seit 1837 geprägten von demselben Rauhgewicht sind (wie alle seit jener Zeit geprägten nordamerikanischen Goldmünzen) 9/10 fein; ihr gesetzmäßiger Goldgehalt ist 15,0463 Grän. Außer einfachen Eagles wurden seit 1792 halbe und Viertel-, ferner seit 1849 doppelte und (für Kalifornien) fünffache und neunfache Eagles geprägt, deren Goldgehalt zum einfachen im Verhältnis steht. 1 kg fein Gold, dem deutschen Reichsmünzfuß gemäß zu 2790 Mk. angenommen, ergibt als gesetzmäßigen Wert für den neuern A. 41,98 Mk.

Adler (Erlitz, tschech. Orlice), linker Nebenfluß der Elbe in Böhmen, entsteht durch Vereinigung der in den Glatzer Gebirgen entspringenden Wilden und Stillen A. und mündet bei Königgrätz, 82 km lang.

Adler, Friedrich, Architekt und Kunstschriftsteller, geb. 15. Okt. 1827 zu Berlin, studierte unter Strack an der Berliner Bauakademie und unternahm dann größere Reisen in Frankreich, Holland, Italien, Griechenland, der Türkei und Kleinasien. Die gewonnene theoretische und praktische Ausbildung verwertete er als Lehrer an der Bauakademie und in Kirchenbauten, von denen die Christuskirche, die Thomaskirche im romanischen Stil in Berlin (1864–68), die Elisabethkirche in Wilhelmshaven, die Paulskirche in Bromberg zu nennen sind. A. hat sich als Forscher um die Geschichte der alten und mittelalterlichen Baukunst Verdienste erworben, um erstere durch seine Beteiligung an den Ausgrabungen zu Olympia, wo er im Auftrag des Königs von Griechenland das Museum zur Bergung der Funde entworfen hat, um letztere durch die Werke: „Mittelalterliche Backsteinbauwerke des preußischen Staats“ (Berl. 1859–69, 120 Tafeln), „Baugeschichtliche Forschungen in Deutschland“ (das. 1870–79, 2 Tle.) und durch Untersuchungen über die Dome von Regensburg und Straßburg. A. ist königlich preußischer Geheimer Baurat, Mitglied der [124] Akademien von Berlin, Wien und St. Petersburg. Von seinen litterarischen Arbeiten sind anzuführen: „Andreas Schlüter, Leben und Werke“ (Berl. 1862); „Die Baugeschichte von Berlin“ (das. 1861); „Die Weltstädte in der Baukunst“ (2. Aufl., das. 1872); „Der Felsendom und die heilige Grabeskirche zu Jerusalem“ (das. 1873) und seine Aufsätze in den amtlichen Publikationen über die Ausgrabungen in Olympia.


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 45
korrigiert
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[4] Adler, Guido, Musikschriftsteller, geb. 1. Nov. 1855 zu Eibenschütz in Mähren, studierte an der Universität und zugleich am Konservatorium zu Wien und erwarb 1878 die juristische, 1880 mit der Abhandlung „Die historischen Grundklassen der christlich-abendländischen Musik bis 1600“ die philosophische Doktorwürde. 1881 habilitierte er sich mit der „Studie zur Geschichte der Harmonie“ (über Fauxbourdon) als Privatdozent für Musik an der Wiener Universität und wurde 1885 als Professor der Musikwissenschaft an die deutsche Universität nach Prag berufen. Er [5] wurde besonders bekannt als Mitbegründer der „Vierteljahrsschrift für Musikwissenschaft“ (mit Chrysander und Spitta, Leipz., seit 1885), die er noch gegenwärtig redigiert. 1882 nahm er als Vertreter Österreichs an dem internationalen liturgischen Kongreß zu Arezzo teil.