Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Abd ul Medschid“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 25
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Abd ul Medschid. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 25. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Abd_ul_Medschid (Version vom 11.04.2021)

[25] Abd ul Medschid, der 31. Sultan der Osmanen, geb. 23. April 1823, Sohn Mahmuds II., folgte, im Harem erzogen, 1. Juli 1839 seinem Vater auf dem Thron. Das osmanische Reich befand sich damals in einer sehr mißlichen Lage. Indes wurde A. von der Gefahr, von den Ägyptern nach der Auflösung des türkischen Heers bei Nisib in Konstantinopel selbst angegriffen zu werden, durch die Intervention der europäischen Mächte befreit. Durch die Unterzeichnung des Hattischerifs von Gülhane (3. Nov. 1839) kündigte A. die Fortführung des vom Vater begonnenen Reformwerks an. Er folgte bei dieser wie bei andern Gelegenheiten den Winken seiner Mutter, der Sultanin-Walide, welche bis zu ihrem Tod (2. Mai 1853) die Geschäfte leitete, und der die Pietät des Sohns nie den Gehorsam verweigerte. Während auf ihr Geheiß der europäisch gebildete Reschid Pascha die Reformen in Angriff nahm, überließ sich der junge Padischah den Freuden des Harems. Sogleich nach dem Tod seiner mütterlichen Führerin sah sich A. in Krieg mit Rußland verwickelt (s. Krimkrieg). Damals wirkten seine europäischen Ratgeber das zweite Staatsgrundgesetz des türkischen Reichs, den Hattihumajum, von ihm aus, welcher 21. Febr. 1856 verkündigt ward und die Umgestaltung des Osmanenstaats im abendländischen Sinn vollenden sollte. Häufige Aufstände beunruhigten das Land, so besonders in Bosnien und der Herzegowina. Scheinbar freilich sah der Sultan, der sich seit seiner Aufnahme in das europäische Konzert auf dem Pariser Kongreß (1856) „Seine Majestät“ und „Kaiser“ nennen ließ und selbst von Zeit zu Zeit seine Staaten bereiste, um sich von den Zuständen seiner Unterthanen durch den Augenschein Kenntnis zu verschaffen, seine Macht vermehrt. Mehemed Ali, der Todfeind seines Vaters, gelobte Gehorsam, auch Tripolis und Tunis kehrten zur Botmäßigkeit zurück, der Imam von Maskat erkannte die Oberhoheit der Pforte an, und die Araber von Aleppo bis Bagdad wurden unterworfen. Aber alle diese Erfolge wurden nur mit Hilfe der europäischen Diplomatie errungen, und das Reich fristete sein Dasein nur noch, weil sich die Großmächte über dessen Teilung nicht einigen konnten. Des Sultans und des Landes Unglück war die Haremswirtschaft mit ihrer verderblichen Verschwendung, an der A. trotz seiner sonstigen lobenswerten Gesinnung mit alttürkischer Zähigkeit hing. A. starb 25. Juni 1861.