Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Abd el Kader“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 2223
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Abd el Kader. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 22–23. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Abd_el_Kader (Version vom 11.04.2021)

[22] Abd el Kader, eigentlich Sidi el Hadschi Abd el Kader Uled Mahiddin, berühmter Araberhäuptling, geboren um 1807 in der Ghetna, einer Unterrichtsanstalt unweit Mascara, als Sprößling einer Priesterfamilie (Marabuts), die ihren Stamm bis zu den fatimidischen Kalifen zurückführt, ward von seinem Vater Sidi el Mahiddin zum Priester gebildet, wanderte aber, vom Dei von Algier wegen seiner hohen Begabung und seines Ehrgeizes bedroht, nach Kairo aus und erwarb sich durch eine Pilgerfahrt nach Mekka den Ehrentitel eines Hadschi. Nach dem Sturz des Deis 1830 in seine Heimat zurückgekehrt, ward er von mehreren aufständischen arabischen Stämmen bei Mascara zum Emir gewählt und führte an ihrer Spitze 1832–47 den Kampf gegen die Franzosen mit unermüdlicher Ausdauer und kriegerischer Gewandtheit. Öfters geschlagen, erschien er immer wieder an der Spitze neuer Truppen, unterwarf von 1832 bis 1833 alle Stämme zwischen Mascara und dem Meer und nötigte den französischen General Desmichels zu dem Frieden vom 26. Febr. 1834, worin seine Herrschaft ausdrücklich anerkannt wurde. Von den Franzosen nicht gehindert, unterwarf er die unabhängigen Häuptlinge der Provinz, zuletzt den mächtigen Bei der Duair und Zmela, der ihn anfangs besiegte, dann aber geschlagen und durch Milde in einen Verbündeten verwandelt wurde. Bald erneuerte er den Krieg gegen die Franzosen und erfocht 28. Juni 1835 über General Trézel an der Makta einen Sieg. Wenn A. im weitern Verlauf des Kriegs auch einzelne Niederlagen erlitt, so gewann er auf der andern Seite über den französischen General d’Arlanges an der Tafna (25. April 1836) einen bedeutenden Sieg und führte den kleinen Krieg mit solchem Glück, daß er seine Herrschaft über Titeri und sogar über einen Teil der Provinz Algier ausdehnte. Bugeaud befreite zwar die an der Mündung der Tafna eingeschlossenen Franzosen und brachte A. (6. Juli) am Sikak eine bedeutende Schlappe bei. Trotzdem schlossen die Franzosen, die eben damals an die Eroberung von Konstantine dachten, um hierzu die nötige Ruhe zu gewinnen, den Vertrag an der Tafna (30. Mai 1837), in dem A. thatsächlich als Souverän unter der bloß nominellen Herrschaft Frankreichs anerkannt ward und die Verwaltung der Provinzen Oran, Titeri und Algier erhielt, mit Ausnahme der Hauptstädte und der Mitidscha von Algier. Als er aber, von seinen fanatischen Anhängern gedrängt, 1839 den Krieg erneuerte, wurde ihm das Glück untreu. Da die Franzosen, durch seine blitzartigen Bewegungen und Einfälle unbeirrt, einen systematischen Vernichtungskrieg gegen seine Anhänger führten, fielen die ihm ergebensten Stämme nach und nach von ihm ab, um sich vor dem Hungertod zu retten. Schließlich sah er sich genötigt, beim Sultan Abd ur Rahmân von Marokko Zuflucht zu suchen. Die Schlacht am Isly (14. Aug. 1844), in der Abd el Kaders Truppen und die Marokkaner von Bugeaud geschlagen wurden, führte aber eine rasche Entscheidung herbei; aus Furcht vor Abd el Kaders Einfluß in seinem eignen Land schloß der Sultan Frieden mit Frankreich. Dagegen gewann A. die kriegerischen Stämme Marokkos und wurde sogar der Herrschaft Abd ur Rahmâns gefährlich. Daher drängte ihn dieser 1847 über die französische Grenze. Hier ward er von den Franzosen umzingelt und mußte sich 22. Dez. ergeben. A. wurde mit seinen Frauen und Dienern nach Frankreich erst in das Fort Lamalgue zu Toulon gebracht, dann Ende April 1848 in dem Schloß zu Pau in Béarn und endlich zu Amboise eingeschlossen. Erst im Oktober 1852 kündigte der Präsident Ludwig Napoleon dem Emir seine Freiheit an, wogegen A. auf den Koran seine Unterwerfung „ohne Vorbehalt und Hintergedanken“ beschwor. Er ließ sich zu Brussa in Kleinasien nieder, siedelte aber, durch das Erdbeben von 1855 von dort vertrieben, nach Damaskus über. Hier nahm er sich bei der Christenverfolgung im Sommer 1860 der Verfolgten kräftigst an und ward dafür von Napoleon III. mit dem Großkreuz der Ehrenlegion belohnt. Im Genuß einer französischen Pension von 100,000 Frank, benutzte er seine Muße zur Abfassung eines Werks religiös-philosophischen Inhalts, das er in arabischer Sprache an die französische [23] Akademie einsandte. In französischer Sprache erschien es von Dugat bearbeitet unter dem Titel: „Rappel à l’intelligent, avis à l’indifférent“ (Par. 1858). A. starb 26. Mai 1883 in Damaskus. Seine Söhne nahmen teils eine französische Pension an, teils traten sie in den Dienst der Türkei. Vgl. Bellemare, A., sa vie politique et militaire (Par. 1863); Churchill, Life of A. (Lond. 1867).