Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Aërostātik“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 137138
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Aërostātik. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 137–138. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:A%C3%ABrost%C4%81tik (Version vom 25.01.2023)

[137] Aërostātik (griech.), die Lehre von dem Gleichgewicht der luftförmigen Körper. Die luftförmigen Körper oder Gase haben mit den flüssigen die leichte Verschiebbarkeit und große Beweglichkeit der Teilchen gemein; sie unterscheiden sich aber sehr wesentlich von ihnen durch die leichte Zusammendrückbarkeit, welche gestattet, eine eingeschlossene Luftmenge durch einen Druck von außen auf die Hälfte, ein Drittel, ein Zehntel etc. ihres ursprünglichen Rauminhalts einzuengen, und anderseits durch das Bestreben, sich auszudehnen und jeden auch noch so großen ihnen dargebotenen Raum auszufüllen. Die Gase müssen daher, um nicht zu entweichen, in rings geschlossene Gefäße eingesperrt werden. Vermöge dieses Ausdehnungsbestrebens, welches man auch Expansivkraft, Spannkraft oder Tension nennt, übt das eingeschlossene Gas auf die Gefäßwände einen Druck aus, welcher überall senkrecht gegen die Gefäßwand gerichtet und dem Flächeninhalt des gedrückten Flächenstückchens proportional ist; auch im Innern der Gasmasse wirkt dieser Druck nach allen Seiten mit gleicher Stärke, so daß ein in das Gas hineingebrachtes ebenes Flächenstückchen, welche Lage man demselben auch geben mag, von beiden Seiten her den gleichen zu seiner Oberfläche senkrechten Druck erfährt. Man kann die Expansivkraft der Luft sehr leicht nachweisen mittels einer fest zugebundenen Blase, welche nur wenig Luft enthält und daher schlaff und runzelig erscheint. Die Expansivkraft der eingeschlossenen Luft kann sich zunächst nicht äußern, weil die umgebende Luft mit gleicher Kraft von außen her auf die Blase drückt. Bringt man aber die Blase unter eine Glasglocke, aus welcher man die Luft mittels einer Luftpumpe entfernt, so wird die Blase durch das Ausdehnungsbestreben der in ihr enthaltenen Luft aufgebläht, bis sie straff gespannt ist. Läßt man dann die äußere Luft wieder in die Glasglocke eintreten, so schrumpft die Blase wieder auf ihren ursprünglichen Rauminhalt zusammen. Vermöge der Expansivkraft würde sich die Luft, welche den Erdball als Lufthülle oder Atmosphäre rings umgibt, in den Weltenraum zerstreuen, wenn sie nicht durch die Anziehungskraft der Erde oder durch die Schwerkraft daran gehindert würde. Um zu zeigen, daß die Luft schwer ist, macht man einen Glasballon, dessen Hals mit einem luftdicht schließenden Hahn versehen ist, mittels der Luftpumpe möglichst luftleer, hängt ihn an den einen Arm einer Wage und bringt ihn durch Auflegen von Gewicht auf der andern Seite ins Gleichgewicht. Läßt man nun, indem man den Hahn öffnet, die Luft wieder einströmen, so neigt sich die Wage nach der Seite des Ballons, und man muß, wenn der Ballon 1 Lit. Inhalt hat, etwas mehr als 1 g auf die andre Wagschale legen, um das Gleichgewicht wiederherzustellen; die Luft ist hiernach nicht ganz 1000mal (genau 773mal) leichter als Wasser. Der Boden eines mit Luft oder einem andern Gas gefüllten Gefäßes wird sonach außer dem Druck, welcher von dem Ausdehnungsbestreben herrührt, noch einen durch die Schwerkraft verursachten Druck auszuhalten haben, welcher gleich dem Gewicht der lotrecht darüberstehenden Gassäule ist, und wenn man in einem Gas von einem tiefer gelegenen Punkt zu einem höher gelegenen sich erhebt, so wird ganz wie in einer Flüssigkeit der Druck abnehmen und zwar um das Gewicht der Gassäule, welche man unter sich zurückgelassen hat. Der vom Gewicht der Gase ausgeübte Druck ist freilich im Vergleich zu dem von der Expansivkraft herrührenden so gering, daß er bei kleinen Gasmengen gar nicht in Betracht kommt; bei sehr hohen Gefäßen aber und namentlich in unsrer Atmosphäre spielt er jedoch eine wichtige Rolle. Da die Luft zusammendrückbar ist, so wird jede Schicht der Atmosphäre durch das Gewicht der darüberliegenden zusammengepreßt und verdichtet; die Dichte (das spezifische Gewicht) der atmosphärischen Luft nimmt daher wie ihr Druck von unten nach oben fortwährend ab. An der Erdoberfläche selbst, auf dem Grunde des Luftmeers, welches den Erdball rings umflutet, ist dieser Druck ein sehr beträchtlicher; er beträgt, wie uns das Barometer (s. d.) lehrt, auf 1 qcm Oberfläche ungefähr 1 kg. Ein Blatt Briefpapier, welches 20 cm lang und 15 cm breit ist, folglich 300 qcm Flächeninhalt besitzt, hat demnach von seiten der Luft einen Druck von 300 kg auszuhalten; da aber dieser Druck gerade so stark auf die untere Seite des Blattes nach aufwärts wie auf die obere Seite nach abwärts wirkt, so können wir dasselbe ebenso ungehindert hin und her bewegen, als wenn gar kein Druck der Atmosphäre auf ihm lastete. Der menschliche Körper ist, wenn wir seine Oberfläche gleich 1 qm annehmen, dem ungeheuern Luftdruck von 10,000 kg ausgesetzt; wir empfinden aber diesen Druck nicht, weil er von allen Seiten, von oben und von unten, von vorn und von hinten, von außen und von innen, auf gleiche Oberflächenteile mit gleicher Stärke wirkt. Von der Gewalt des Luftdrucks kann man sich leicht überzeugen, wenn man ihn bloß einseitig wirken läßt. Setzt man z. B. einen Bleiring, über welchen eine straff gespannte Schweinsblase gebunden ist, [138] mit seinem eben abgeschliffenen Rand auf den Teller der Luftpumpe und pumpt die Luft unter der Blase fort, so wird sie durch den nur noch von obenher wirkenden Luftdruck nach einwärts gedrückt und zerplatzt nach wenigen Pumpenzügen mit einem heftigen Knall. Berühmt geworden sind die Magdeburger Halbkugeln (s. Luftpumpe).

Aus der leichten Verschiebbarkeit ihrer Teilchen folgen für die Fortpflanzung des Drucks in luftförmigen Körpern dieselben Gesetze wie in Flüssigkeiten. Auch in einem Gas pflanzt sich ein auf dasselbe ausgeübter Druck nach allen Seiten mit der gleichen Stärke fort. Unter der Einwirkung der Schwerkraft kann eine Gasmasse, wie z. B. unsre Atmosphäre, nur dann im Gleichgewicht sein, wenn in einer und derselben wagerechten Schicht überall der gleiche Druck herrscht. Ebenso gilt das archimedische Prinzip auch für die luftförmigen Körper: jeder von Luft umgebene Körper verliert so viel von seinem Gewicht, als die von ihm verdrängte Luftmenge wiegt. Bei sehr genauen Wägungen muß hierauf Rücksicht genommen und dem gefundenen scheinbaren Gewicht der kleine in der Luft erlittene Auftrieb noch hinzugerechnet werden, um das wirkliche Gewicht, wie es eine Wägung im luftleeren Raum ergeben würde, zu finden. Ist das Gewicht eines Körpers kleiner als das Gewicht des gleichen Rauminhalts Luft, so steigt er mit einer Kraft, welche dem Überschuß des letztern Gewichts über das erstere gleichkommt, in der Atmosphäre empor und bleibt schwebend in derjenigen höhern Luftschicht, in welcher er ebenso schwer ist wie die von ihm verdrängte Luftmenge (vgl. Luftballon). Zum Nachweis des Luftauftriebs dient das Guerikesche Manometer (s. Luftpumpe).