Textdaten
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Autor: Captain G. F. Lyon
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Titel: Lyon’s Reisen in Mexico
Untertitel:
aus: Das Ausland, Nr. 108-112 S. 429-430; 434-435; 438-439; 442-443; 447-448
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Lyon’s Reisen in Mexico.

Journal of a Residence and Tour in the Republic of Mexico in the year 1826; with some account of the Mines in that Country. by Capt. G. F. Lyon, R. N., F. R. S. 2 vols. 8vo. London: 1828.


Capitän Lyon scheint zu Anfang des Jahres 1826, als Geschäftsführer zweier Londoner Compagnien, die Aufsicht und Leitung einiger Bergwerke im nördlichen Binnenland Mexicos übernommen zu haben. Die Gegend, durch welche er reiste, war größten Theils nicht viel besser als eine Wildniß. Sie bestand aus weiten Einöden, wenigen, dem Verfalle nahen Städten, und einigen beinah unbewohnten Dörfern; nur selten bot eine kühne Gebirgslandschaft einigen Ersatz für die frostige Leerheit der übrigen Gegenden. Sie legten sich in dem Flusse Panuco vor Anker; der Capitän des Schiffes (Perseverance) und Capitän Lyon setzten sich bei dem Commandanten des Orts und den Zollbeamten durch Geschenke von Wein, Kuchen und Cigarren so sehr in Gunst, daß sie auf einem Boot nach Pueblo Viejo, der Residenz des Commandanten, fahren durften. „Die Nacht,“ schreibt Lyon, „brach bald darauf ein, und wir ruderten über zwei Stunden gegen eine starke Strömung auf einem Flusse von einer halben (englischen) Meile Breite. Das Geräusch unsrer Ruder störte die großen Kraniche, Reiher und unzählige andere Vögel aus ihrer Ruhe auf. Sie flatterten in blinder Verwirrung über der Oberfläche des Flusses einher, während Myriaden von Feuerfliegen zwischen den dunkeln Mangelbäumen schwirrten, die ihre dicht ineinander verwachsenen Aeste in das Wasser senkten. Laubfrösche und Grillen, die sich hier in Menge finden, betäubten uns mit ihren schrillen, durchdringlichen Akkorden, und um den reizenden Genuß meines ersten Abends in Amerika zu erhöhen, wurden wir von einem uns unsichtbaren Boote aus von Jemand, der in uns Ausländer vermuthete, in unserer Muttersprache bewillkommt. Er erbot sich, uns nach der Stadt zu lootsen. Wir kamen bald vor das Haus des amerikanischen Consuls, Robertson, an den wir gewiesen waren, und wurden von ihm aufs freundlichste aufgenommen. Da er sah, daß wir müde, hungrig und naß von dem Nachtthau waren, versah er uns mit allem Erforderlichen und wies uns Betten in dem Consulatgebäude an; – allein an Schlaf war hier nicht zu denken. Hunde, Schweine und rastlose Hähne, die schon um Mitternacht zu krähen begannen, hätten für sich schon alle Ruhe von dem Lager des Fremden gebannt; zum Ueberfluß brach auch noch ein wüthender Sturm aus, von Donner und Blitzen, und so heftigem Regen begleitet, daß in wenig Minuten ganze Bäche durch die Stadt schoßen.“

„Ich besuchte mit einem Theil unsrer Gesellschaft einige Eilande in der Mitte des Tampicoer Sees, ungefähr sieben (englische) Meilen von Pueblo Viejo entfernt. Als wir um die erste kleine waldige Insel fuhren, glitten wir unter einem frischen Norte (Nordwind) in eine kleine, sichere Bay, dicht mit Mangel- und andern Bäumen überhangen, auf denen Hunderte von Kranichen, weißen, braunen und blauen Reihern, rosenfarbigen Löffelgänsen, und mancherlei andere Vögel so dicht beisammen saßen, wie in einem Vogelhaus. Indem wir nach ihnen schoßen, störten wir sehr große Alligatoren (Kaimane, Krokodile) auf. Wir sahen sie schwerfällig längs der langen Sandbank sich fortbewegen. Gewöhnlich findet man sie so dicht am Rande des Wassers liegen, daß sie es mit Einem Sprunge erreichen können. – Von dem kleinen Eilande aus, auf dem wir uns mehrere Hüte voll Eier gesammelt hatten, fuhren wir nach einem andern, auf dessen nördlicher Seite wir unzählige Nester von Kranichen und rosefarbenen Löffelgäsen fanden, deren jedes zwei oder drei beinah flücke Jungen enthielt. Die Mangelbäume stehen hier so dicht, daß man leicht von einem auf den andern klettern und selbst über ihre Gipfel hingehen kann. Wir stiegen hinan, um die blinzäugigen Bruten von jungen Löffelgänsen, und den schneeweißen Flaum der jungen Kraniche zu bewundern, die den lieblichsten Kontrast gegen das dunkle, glänzende Grün der Blätter bildeten, unter die sie gebettet waren. Nachdem wir unsre Sammlung gemacht, kehrten wir zurück, und ich nahm ein Paar junger Löffelgänse mit mir, die bald so zahm waren, daß sie auf meinen Ruf herankamen, und mir nachliefen, wohin ich wollte. Die armen Geschöpfe starben jedoch, als ich sie bei meiner Rückkehr nach England an Bord gebracht hatte.“

Seine Aufnahme zu Pueblo und seinen Aufenthalt zu Tampico schildert Lyon folgendermaßen:

„Der Commandant versicherte mich aufs verbindlichste, daß alles, was er hätte, zu meiner Verfügung stünde; der Alkalde bat mich, zu glauben, daß er mein Diener sey; und der Zollaufseher ersuchte mich, nachdem er mir die Hand geküßt, nach Willkür über ihn zu gebieten, suchte aber bald darauf mir Hindernisse in den Weg zu rücken. Herr Robertson hatte die zuvorkommende Güte, mir in einem der angesehensten Häuser ein Zimmer ohne Fenster zu

[430] miethen. Die Gebieterin des Hauses war mehr unter dem Namen der Gachupina[1] (einem Schimpfwort für die europäischen Spanier) als unter ihrem eigentlichen, Dona Francesca, bekannt. Diese Dame, welche im Rufe stand, eben so reich als honett zu seyn, bedauerte unendlich, daß die Zeit nicht erlaubte, mein Zimmer zu weißen; zwei indianische Mädchen waren jedoch sogleich beschäftigt, den Lehmboden aufzuwaschen und mir es bequem zu machen. Meine Hauswirthin war voller Artigkeit, und hatte, wie ich bald ersah, keine geringe Meinung von ihrer guten Erziehung und Lebensart. Sie galt als eine der geachtetsten Frauen in Tampico, und obgleich ein gewisser Don Antonio, der ihren kleinen Kramladen und ihr schönes Ich bediente, nicht ihr Eheherr war, so that sie sich doch auf ihren unbescholtenen Character, und die hohe Achtung, in der sie ihres Reichthums wegen stand, nicht wenig zu gut. Sie mochte ihre fündundvierzig Jahre haben, war wohlbeleibt, und, wenn sie, in ihrem Morgennegligee ihr Hemd mit einem Band um die Lenden gegürtet, ihre Cigarre schmauchte, äußerst liebenswürdig. Diese reizende Figur und ich bildeten jeden Morgen um 6 Uhr eine interessante Gruppe. Meine schöne Wirthin lehnte sich über ein kleines Pförtchen, das den Schweinen, Hunden, Katzen und dem Geflügel den Eingang aus dem Hof in mein Zimmer verwehrte. Während ich mit ihr behaglich die Cigarren verschmauchte, womit sie mich beehrte, nahm ich bei ihr Lectionen im Spanischen und unterhielt mich mit ihr in ihrer Muttersprache; wo ich denn immer hören mußte, daß sie eine „Altspanierin“ und obgleich, wie beinah alle eingebornen Frauenzimmer dieser Stadt, des Lesens und Schreibens unkundig, dennoch ihre Ansprüche auf höhere Bildung habe. Die Hinterthür meines Zimmers, welche die Stelle eines Fensters vertrat, ging auf einen Hof, in dem achtzehn Hennen mit einem zahllosen Heere Küchlein ihr Unwesen trieben. Das Wiehern eines an einen Baum gebundenen Pferdes wurde von Zeit zu Zeit von zwei Kollegen in einem kleinen, offenen Stalle beantwortet. In diesen Chor stimmten vier beißige Hunde ein, die von Morgen bis Abend und von Abend bis Morgen heulten und sich selbst oder fünf lahme Katzen und ihre Jungen anbelferten. Die vorstehenden Dachtraufen, die eine Art bedeckten Gang bildeten, schützen Dona Francesca (die Herrin des Hauses) vor der Sonne und schirmten auch einen meiner ärgsten Plagegeister. Auf einer Stange, die an beiden Enden an einem Stricke hing, wiegte sich ein Lieblingspapgei, der unaufhörlich schwatzte, und so ziemlich in demselben lieblichen Ton, wie seine Gebieterin. Bruchstücke aus spanischen Liedern, Schimpf- und Spotteden, Liebkosungen, Flüche, Gebete drängten sich mit einer Schnelligkeit, die nur ihm und seiner Besitzerin eigen war. Zu meinem Unstern mußten noch zwei junge indianische Frauen nebst einem plauderhaften Mädchen zwei Yards von meiner Thür Mais mahlen, Törtchen wellen, singen, klatschen und lachen, ununterbrochen fort; zur Essenszeit vollendete das Geprassel der im Oel gebratenen Fische und anderer Gerichte diese Harmonie. Francesca, deren Stimme dem Hörer durch Mark und Bein drang, hatte ein kränkliches, gelbliches, eigensinniges Kind adoptirt, das beständig schrie und nirgend ruhen wollte. Das Geschrei des armen Kindes, von dem Papagei getreulich nachgeahmt, hatte abwechselnd Liebkosungen, Scheltworte und Züchtigungen mit der Ruthe von Seite der Pflegemutter zur Folge. Das Ende vom Liede war gewöhnlich, daß das arme Geschöpf, zur Strafe in den Hofraum gesperrt, schluchzend in eine Ecke meines kleinen Zimmers kroch. Ich sage nichts von den Schweinen und ein paar Böcken, die zu meinem Unglücke sehr gute Lungen hatten, noch von Don Antonio’s beständigen Streiten über politische Gegenstände mit einem kränklichen Bergwerksgenossen, der, wenn seine Geschäfte es erlaubten, jedes Mal zu mir aufs Zimmer zu kommen und mir seine Noth zu klagen pflegte. Füge ich dieser Leidensliste noch die unbeschreiblich scharfen Hauer der Flöhe, Wanzen, Mosquitos, Sandfliegen und Garrapatos [2]bei, welche in den Momenten, wo ich der Ruhe bedurfte, auf Kosten meines armen Leichnams schwelgten, so kann man sich einen Begriff von meiner Lage machen.“ –
  1. Die Rundhüte?
  2. Eine Art kleiner Zecken, die in Menge ihre Köpfe in die Haut eingraben und nur mit großer Mühe wieder herausgezogen werden.

[434] Lyon hatte die Ehre, die Dame des Hauses einigemal zum Spieltische zu begleiten, er auf der einen, ein Freund auf der andern Seite derselben – unter dem Vortritt dreier Zofen, von denen eine, indianisch gekleidet, ihre Gebieterin mit Cigarren versehen mußte. Hier war Francesca, nachdem sie ein paar zerlumpte Weiber von der einzigen Bank an diesem Orte verdrängt, bald in vollem Spiel begriffen. Damen mit unächten Edelsteinen und Weiber von allen Schattirungen und Farben, unter einem bunten Gemisch von Männern, hatten sich hier zu ihrem Lieblingsspiel [1] eingefunden; und Francesca, der es gelang, die Kugeln unter ihre Leitung zu bekommen, drehte und kehrte Körper und Hände, wie sie es für einen glücklichen Erfolg zuträglich hielt. – Bei allen Ständen Mexicos findet man eine auffallende Gleichgültigkeit bei Spielverlusten, und einen gleichen Grad von Apathie beim Gewinnen. Sie spielen aber so viel, daß man annehmen muß, alle Aufregung bei dieser gefährlichen Leidenschaft ersterbe allmälig, und die Spiellust werde mehr Krankheit als angenehmer Zeitvertreib.

Mit Vergnügen lesen wir, daß in Tampico bereits eine Lancaster’sche Schule besteht, und von zweihundert Knaben und Mädchen besucht wird, denen der Gebrauch der spanischen Bibel unbedingt gestattet ist. Tampico und seine zwei Schwesterstädte haben seit der Zeit der mexicanischen Unabhängigkeit eine sehr bedeutende Wichtigkeit gewonnen.

„Ein lebhafter Handel,“ bemerkt unser Berichterstatter, „wird mit den Vereinigten Staaten unterhalten, deren kleine Fahrzeuge leicht über Untiefen hingleiten, die unsern schwerern Kauffahrteischiffen sehr viel zu schaffen machen.“

Wir begleiten unsern Reisenden von Tampico nach San Luis Potosi. Als ein Beleg für die grobe Unwissenheit, die noch in jenem Theil von Mexico herrscht, führt er an, daß der Besitzer eines bedeutenden Grundeigenthums glaubte, Spanien und Europa seyen blos verschiedene Benennungen desselben Landes, London sey eine für sich bestehende Nation, England eine kleine Provinz davon, beide aber liegen in einer fernen Ecke des spanischen Königreichs. Frankreich meinte er sey nur ein anderer Name für Panama. – „In San Luis wird beinah an jeder Ecke Pulque feil geboten. Die Wirkung desselben ist oft sehr auffallend. Dem übermäßigen Genusse dieses und anderer geistiger Getränke sind wohl die häufigen und blutigen Händel und die Mordthaten, hauptsächlich unter den niedern Classen zuzuschreiben; letztere führen Dolche unter der Jacke, obgleich das Tragen von Waffen ausdrücklich durch die Gesetze verboten ist. Auf den gerigsten Anlaß stößt oft einer den andern nieder; so fielen während meines Aufenthalts in San Luzis am hellen Tage zwei Mordthaten der Art vor. Der Mörder wird nach einigen Tagen Gefängnißstrafe wieder in Freiheit gesetzt, um neue Frevel zu verüben. Zuweilen, aber selten, wird einer als überwiesen nach Veracruz abgeführt. Eine der schon erwähnten Mordthaten fand in Folge eines Streits zwischen zwei Individuen aus verschiedenen Dörfern statt, von denen jeder für seine Dorfgenossen das Verdienst ansprach, der Jungfrau bei dem Frohleichnamsfest den größten Blumenstrauß gespendet zu haben. Um der Sache ein Ende zu machen, erstach einer den andern mit der größten Kaltblütigkeit, wischte sein Messer und ließ sich ins Gefängniß abführen, überzeugt, in wenig Tagen wieder auf freiem Fuße zu seyn. Als weitern Beweis für die schlechte Beschaffenheit der Gesetze in den nördlichen Theilen der Republik Mexico in dieser Periode führe ich folgenden Vorfall an. Ein Deutscher hatte vor kurzem auf dem Wege nach Durango einen Räuber, von dem er angefallen worden war, niedergeschossen. Dafür [435] wurde er um 500 Dollars gestraft, weil er jenen hätte gefangen nehmen und nach Durango bringen sollen, wo er nach ein paar Tagen Einkerkerung wieder in die weite Welt gesteuert hätte.“

Von San Luis reiste Capitän Lyon nach dem Dorfe Veta Grande, in der Nähe von Zacatecas, wo sich einige Bergwerke befinden. Seine Beschreibung eines Festtags gibt uns ein treffliche Gemälde von den ländlichen Feierlichkeiten in Mexico. „An dem ersten Festtag schien das Dorf Veta Grande wie durch einen Zauber umgewandelt, und von ganz andern Leuten bevölkert, als die Woche hindurch daselbst figurirt hatten. Feine Shawls, glänzende Feierkleider, seidene Strümpfe, weiße Satinschuhe schienen gleich eben so vielen Meteoren zwischen den Lehmhütten hervor. Am Abend bekam ich eine Einladung, eine Vorstellung von Maromeros, oder Seiltänzern, in Gesellschaft zweier Mädchen, Schwestern eines gewissen Don Jesus, zu besuchen, der einen kleinen Kramladen hielt, und eine der Hauptpersonen im Städtchen war. Es war eine schöne mondhelle Nacht; wir gingen nach einem kleinen Amphitheater aus Lehm, in welchem gewöhnlich Hahnenkämpfe gehalten wurden, und fanden dort ein Seil straff aufgespannt und eine zahlreiche bunte Menge versammelt. Das Theater war gegen den hellen Sternenhimmel offen und erleuchtet durch vier Feuer von Zitronenholz, über eiserne Stäbe gelegt, die auf den Gipfeln hoher Stangen befestigt waren. Die ganze Scene war für mich völlig neu und imposant; die Bergleute und die Dorfbewohner lagen gemächlich auf ihren Erdsitzen ausgestreckt, in ihre buntgestreiften Mäntel gehüllt, indeß fünf Soldaten von der „Milicia“ um die Menge herum auf und nieder gingen, und Ordnung hielten. Die Donnas versahen uns reichlich mit Cigarren, die auch sie beständig rauchten; wogegen wir ihnen für die Momente, wo sie mit dem Rauchen aussetzten, Zuckerbohnen und süße Kuchen kauften. Die Kunststücke wurden ziemlich gut gegeben, nur schien eine alte, sehr beleibte Frau, die prächtig gekleidet war, in großer Besorgniß zu seyn, sie möchte vom Seile fallen. Ein Knabe von etwa zwölf Jahren überraschte uns durch seine Behendigkeit, und die Manchfaltigkeit in Stellung und Drehung, worin er alle übertraf, die ich jemals in Europa gesehen hatte. Die Gaukler hatten einen Hanswurst bei sich, der durch sein angeschwärztes Gesicht und seine Späße den Anwesenden viel Vergnügen machte. Die Vorstellungen wurden mit einem Lustspiel beschlossen, das vor einem zerlumpten Segeltuch aufgeführt wurde.“

Ueber die nicht unwichtige Stadt Zacatecas macht Lyon folgende Bemerkungen:

„Die Stadt Zacatecas gewährt dem Reisenden von Norden her einen interessanten, reizenden Anblick. Sie liegt in einem Becken, an dem Fuß eines pittoresken, anmuthigen Berges, Bufa genannt. Der Eingang in die Vorstädte geht durch ein über Kies laufendes Wasser, an welchem Gruppen von Weibern ihre Leinwand wuschen. Wir machten Sr. Excellenz dem General Lobado, vor kurzem noch respectablem Schuster in Zalapa, nunmehrigen Oberfeldherrn des freien und souveränen Staates [2]“ Zacatecas, unsern Anstandsbesuch. Er war unwohl und auf sein Zimmer gesprochen. Wir wurden somit von seiner Gemahlin und seiner Schwägerin empfangen. Erstere war eine kleine, schwatzhafte Frau, die über Bergleute und Bergwerke höchst unverständig sprach; letztere war groß, schmutzig und nur halb angekleidet, und hatte einen schwarzen Bart nebst nußbraunen Zähnen. Die beiden Frauenzimmer saßen in einem Winkel beisammen und schmauchten; der mit Ziegelsteinen ausgelegte Boden, auf welchem eine ungeheure Hündin mit ihren Jungen lag, war überdeckt mit abgebrannten Cigarren und Tabacksasche, mit Kohl und Salatblättern, die aus fünf Vogelkäfigen, welche in der Mitte des Zimmers hingen, abgefallen waren. - Zwei ungeschorne unbarbirte Cavaliers machten dem General ihre Morgenkomplimente, und die ganze Scene war von der Art, daß ich mit keiner günstigen Meinung von der feinen Welt in Zacatecas schied. Wir machten noch weitere Besuche bei ein paar andern Familien von Auszeichnung, wo unsere Erwartung eben so wenig befriedigt wurde. – Es thut mir leid, daß ich nicht viel Günstiges über Zacatecas zu sagen weiß. Es war, glaube ich, einstmals die Hauptstadt einer mächtigen Nation (der Zapotecas), die nach der Eroberung Mexico’s von den dazu abgeschickten Truppen des Cortez nur mit vieler Schwierigkeit unterjocht wurde. Ich gestehe, ich hatte gegen die Eingebornen wie gegen die Stadt selbst einigen Widerwillen und ging blos fünf oder sechs Mal in Geschäften dahin; drei mal zog ich in so weit die Aufmerksamkeit des Publikums auf mich, daß ich unter dem Geschrei „Jude! Jude!“ die Stadt verlassen mußte; einmal hatte ich die Ehre, mit Steinen geworfen zu werden. Die hier herrschende Vertrautheit mit dem Dolche mag dem Fremden schon hinlänglich die Lust vertreiben, diese Stadt zu besuchen. Das Morden ist ein zu geringes Vergehen, als daß es Strafe verdiente – im Monat Mai wurden 21 Meuchelmorde verübt, ohne daß auch nur Eine Person vor Gericht gestellt worden wäre.“ [438] „Ich ritt,“ erzählt Lyon, „eines Tages nach Zacatecas, um einen, der den Contract mit der Compagnie nicht eingehalten, gerichtlich zu belangen. Nachdem der Angeklagte sich zum Schurken bekannt und verbindlich gemacht hatte, die bedeutende Summe, um die er uns gebracht, auszuzahlen – saßen Richter, Dieb, Kläger und Inhaber des Hauses, in dem die Sache verhandelt worden, mit einigen Freunden beider Parteien ganz friedlich und gesellig zu einem Abendessen zusammen.“

„Am 9ten Juli kam ein Trupp englischer Handwerker und Bergleute unter meinem Freunde Tindal von Real del Monte her durch Zacatecas, gerade, als am Sonntag eine große Volksmenge des Marktes wegen aus der Nachbarschaft zusammen geströmt war. Bei solchen Gelegenheiten betrinken sich die Leute gewöhnlich, werden händelsüchtig und ziehen die Messer gegeneinander. Zum Unglück mußten nun die Fremden unter ihnen erscheinen. Die Menge gerieth sogleich mit den Engländern in Händel und warf mit Steinen nach ihnen – und wäre nicht eine Abtheilung der Stadtmiliz zu ihrem Schutze gekommen, so hätte es von schlimmen Folgen seyn können. Die Zollbeamten hatten sich in ihrer Trunkenheit in den Kopf gesetzt, daß in dem Gepäcke der Reisenden Waffen verborgen seyen; sie hielten sie mitten in der Stadt an und Tindal und ich mußten heran reiten, um die Sache zu beschwichtigen. Wir gaben den Leuten, welche bereits Miene machten, über uns loszubrechen, gute Worte, und hielten sie so von Gewaltthätigkeiten ab. Sobald wir aber den Rücken kehrten, folgte uns ein halb lustiges, halb höhnische Zischen nach, und wir bekamen noch ein paar Steine mit auf den Weg. Gleich böser Wille gegen die Fremden sprach sich auch von Seiten der Bergleute in Veta aus; wo die Ausländer sich einzeln sehen ließen, wurden sie mit Steinen geworfen. Nachts geschah denn auch ein wirklicher Angriff auf die Thür des Hauses, in dem sie einquartirt waren. Vier Rädelsführer von den Angreifenden wurden aufgegriffen und gefangen gesetzt; am folgenden Morgen brachte man uns einen Anschlag, der Drohungen enthielt und an unsre Stallthüren und das Haus des Alkalden angeklebt worden war. Das Wolk in den Bergwerksdistrikten ist ausgelassener und unbotmäßiger, als da, wo es andere Beschäftigung hat. Mag dieser Satz in Rücksicht auf andere Staaten, die viele Bergwerke haben, auch bestritten werden, so viel ist gewiß, daß die Zacatecaner schlimmer sind als ihre Nachbarn. Ich glaube jedoch nicht, daß die Bergwerksinteressen der Ausländer durch diese Volkslaunen bedeutend zu leiden haben werden. Mexico ist ein neuer Staat, der erst aus einem langen Traum von Unwissenheit und Unterdrückung erwacht. Nach den vielen Fortschritten, die man bereits in den Städten bemerken kann, läßt sich von der Zukunft noch viel mehr erwarten. Nur wird der Staat Zacatecas, wie ich glaube, langsamer fortschreiten, als die Provinzen, die mehr landeinwärts liegen, da die Einwohner mehr Bigotterie und Unduldsamkeit haben, als man bei ihren Nachbarn findet. Alle Verbesserungen, von Bekennern eines andern Glaubens eingeführt, werden eine Zeitlang noch mit Mißtrauen aufgenomnmen und mit Widerwillen zurückgewiesen werden. Man wird kaum glauben, daß in einem Lande, welches man civilisirt nennt, noch ein Volk lebt, das an Lord Monboddo’s sinnreiche Schwänzetheorie glaubt. [3] Und doch ist es so, daß sie die Engländer, oder vielmehr alle Ausländer, als Juden betrachten und sie zugleich mit jenem Zubehör geziert glauben. Man findet noch viele Leute, welche steif und fest behaupten, daß unsre Steigbügel deßhalb mehr vorn an den Sätteln angebracht seyen, als man dort zu Lande pflegt, damit wir etwas vorliegen können, und so die Sättel keine Reibung mit dem Schweife des Reiters verursachen. Solchem Aberglauben sind die Mißhandlungen zuzuschreiben, die einige unsrer Landsleute bei ihrer ersten Ankunft erlitten. Das Vorurtheil des Volkes, von der unwissenden Priesterschaft genährt, ließ es alle Fremde mit eifersüchtigen Augen betrachten. Dieses Vorurtheil ist jedoch in den nördlichen Staaten größer als in andern Theilen der Republik, und mag sich großen Theils davon herschreiben, daß sie mit den Europäern in so geringem Verkehr standen, auch wird es allmählig sich vermindern mit der zunehmenden Civilisation des Landes, [439] welche nothwendig erfolgen muß. In andern Theilen der Republik wurden unsre Landsleute gut aufgenommen.“ –

„Das Kloster unsrer lieben Frau von Guadalupe ist eine der achtbarsten Anstalten Mexicos. – Dieß Kloster liegt am Fuß der Gebirge, ungefähr eine Stunde östlich von Zacatecas, und ist von einem Dörfchen umgeben, das an dem heiligen Orte erbaut worden ist. Die Lage des Klosters ist sehr anmuthig und wird noch durch ein paar Dutzend Bäume verschönert. Die Väter empfingen uns sehr freundlich; und wir verdankten der zuvorkommenden Verbindlichkeit des Padre Guardian und des Padre Maldon (Macdonald, eines Irländers) einen sehr vergnügten Abend, wurden mit einem guten Nachtessen regalirt und bekamen, jeder, eine eigene Zelle nebst einem reinlichen Bett. Morgens früh machten wir die Runde in dem Kloster und besuchten vor allem die Bibliothek, die hauptsächlich aus religiösen Werken, in Pergament, besteht, und sich auf 11,000 Bände beläuft. Keines ist der Typen oder des Alters wegen bemerkenswerth; und ich fragte umsonst nach mexicanischen Handschriften, oder sonstigen Antiquitäten, die sie (die Klosterbrüder sind alle Missionäre) auf ihren Wanderungen nach den entferntern Distrikten und zu den Volksstämmern in Neuspanien meiner Erwartung nach gesammelt haben konnten. – Nichts war erquicklicher für das Auge, als der Anblick der ausdgedehnten, dicht mit Apfel-, Feigen- und Quittenbäumen besetzten Gärten. Auch einige Weinstöcke, Granat- und Pfirsichbäume nebst Aprikosen fanden sich. Große Rosenhecken überschatteten an manchen Stellen die Gänge und verbreiteten einen lieblichen Geruch – alles war in gutem Stand erhalten – eine wahre Oase in der Wüste Zacatecas. Wir waren allesammt über unsern Besuch vergnügt, was den Vätern sehr gefiel. Sie unterhalten eines der Bergwerke, woher sie den Haupttheil ihres sehr unzuverläßigen Einkommens beziehen. Der übrige Theil ihrer Einkünfte besteht in den Gebühren für Beichten und Messen, und dem, was sie nach der Regel ihres Ordens von den Hüttenbewohnern erbetteln.“

„Die armen Brüder von Guadalupe leben sehr kümmerlich, arm und dürftig, wie es ihr Gelübde vorschreibt, und sollten, mein’ ich, nicht mit dem Schwarm von Drohnen, die in üppigem Müßiggang sich von dem Markte Mexicos mästen, in Eine Kategorie gesetzt werden. Ihr ganzes Leben ist freiwilligen Leiden geweiht. Sie besitzen kein persönliches Eigenthum, als eine grobwollene, graufarbige Kutte, die nicht bälder gewechselt wird, als bis sie in Fetzen zerfällt; wo sie dann, im vollen Geruche der Heiligkeit, irgend ein Frömmler um zwanzig bis dreißig Dollars zum Leichenkleid erkauft, um sich in diesem heiligen Gewande in den Himmel einzuschwärzen. Sie tragen keine Hemden, keine Strümpfe, noch andere Kleidungsstücke; in ein paar Sandalen durchpilgern sie die hohen kalten Gebirge der nördlichen Staaten, ohne eine dem Klima angemessene Kleidung anzulegen, obgleich dieß nach der Regel ihres Ordens gestattet wäre. Das Colegio de Guadalupe wurde ausdrücklich zur Bildung von Missionären gegründet, „para conquistar“ zur Bekehrung der Indianer von Texas, Kalifornien, so wie überhaupt der barbarischen Stämme des Nordens; und etwa ein Drittheil der Brüder dieser Stiftung ist beständig in diesen frommen Sendungen abwesend. Unzählige dieser armen Leute sind schon auf ihren mühsamen Wanderungen aus gänzlichem Mangel umgekommen, da sie ohne Geld, ja selbst ohne ein Thier, auf das sie sich setzen könnten, ausgesandt wurden, und zur Fristung ihres Lebens von fremder Barmherzigkeit abhingen. Manche wurden von den wilden Indianern barbarischer Weise geopfert; und doch werden diese Missionen unausgesetzt und nicht ohne Erfolg unterhalten. In den entferntesten, unwirthlichsten Theilen der nördlichen Staaten findet man Gemeinden von etlichen tausend Indianern, die unter der Aufsicht eines oder mehrerer von diesen armen Brüdern stehen.“

Capitän Lyon besuchte die Ruinen einer, wie er vermuthet, ehmaligen indianischen Stadt, ungefähr 14 Stunden südlich von Zacatecas. Die Trümmer sind ausgedehnt, aber größtentheils verschüttet. Lyon ist der Meinung, daß an dieser Stelle die alte Hauptstadt der Checmecas, Amaquemacan gelegen sey, von der Clavigero keine Spur mehr finden will. Die Mauern und die Ruinen von Pyramiden, die hier immer noch zu sehen sind, beweisen, daß die Indianer, die sie aufgeführt, einen bedeutenden Grad von architektonischer Bildung erreicht hatten.

„Die Kirche zu San Vicente ist ein langes, scheuerartiges Gebäude aus Lehm, nicht einmal übertüncht; sie war aber mit wenigstens hundert der scheußlichsten Figuren angefüllt, die ich jemals gesehen, alle in schreienden Farben gemalt, an Größe sehr verschieden, indem sie von der Höhe einer kleinen Puppe bis zu halber Manneshöhe stiegen. Die Figur unseres Erlösers, mit einer großen braunen Perücke, war auf ein Kinderpferd gesetzt, mit ausgespreizten Beinen; der Kopf und der Hals aus einem flachen Brett geschnitten, und dieß war noch nicht die schlechteste Figur, die ich sah. – Doch ich verweile nicht bei diesen widrigen Bildern, denen mein Auge begegnete. Hätten des Landes unkundige Fremde die Kirche betreten, so würden sie die Verehrer dieser Heilightümer unbedenklich für Götzendiener gehalten haben. Ich kann nur so viel sagen, daß ich bisher kein Original oder Gemälde der mexicanischen Gottheiten aus den Zeiten der Eroberung gesehen habe, das abscheulicher und geschmackloser wäre als die Idole der römischen Kirche zu San Vicente.“ [442] „In Tula wohnten wir der Kirche gegenüber, vor welcher ich am Abend Musik hörte und einen Trupp Leute mit einem jungen Weibe fand, die ein kleines todtes Kind auf dem Kopfe trug, das in farbiges Papier gekleidet und mit einem weißen Handtuch auf ein Brett gebunden war. Rings um die Leiche war eine Fülle von künstlichen Blumen gesteckt; das Gesicht war unbedeckt und die Hände wie zum Gebete zusammengefaltet. Ein Fiedler und ein Guitarrespieler begleiteten den Trupp an die Kirchthür; die Mutter trat ein paar Minuten mit dem Kinde ein, kam aber gleich darauf wieder heraus und begab sich dann, von ihren Freunden begleitet, nach dem Begräbnißplatze. Der Vater folgte mit einem andern Manne, der einen brennenden Span trug und ihm beim Werfen von Schwärmern half, deren er ein großes Bündel unter dem Arme hielt. Bei der ganzen Zeremonie herrschte Frohsinn und Heiterkeit, da nach dem Volksglauben alle Kinder, welche jung sterben, nicht in das Fegefeuer kommen, sondern sogleich angelitos (Engelchen) werden. Nach der Beerdigung folgte, wie man mir sagte, ein Fandango, zum Zeichen der Freude, daß das Kind von der Erde genommen ward. Es ist unstreitig Christenpflicht, sich bei Trübsal in den Willen Gottes zu ergeben; aber ich bin überzeugt, daß wenige Mütter in England mit so freudelächelnder Miene ihr erstes und einziges Kind zu Grabe trügen; und ich stehe für die Männer gut, daß sie nicht vermöchten, Freuderacketen zu werfen, wenn ihr Erstgeborner von hinnen genommen würde.“

Ueber die Guichola-Indianer, (welche in der Umgegend von Bolannos wohnen) bemerkt Lyon folgendes:

„In der Gesichtsbildung, den Zügen, Haaren und Augen fand ich eine große Aehnlichkeit zwischen diesen Indianern und den Esqimaux; nur sind diese etwas kleiner und beleibter. Nüchtern sollen sie ein sehr friedfertiges harmloses Völkchen seyn, betrunken aber in völlige Raserei gerathen, wo denn ihre Händel sehr blutig werden. Ich weiß nicht, was unsre schönen Leserinnen dazu sagen werden, daß es bei diesen Indianern Sitte ist, daß der Mann das Weib seiner Wünsche auf die Probe nimmt. Wenn sie ihm nach unbestimmter Zeit noch behagt, so lassen sie sich trauen durch einen Priester oder Mönch, der einmal das Jahr die Runde macht, um diese Feierlichkeit, oder vielleicht schon die Taufe des Leibeserben dieser neuvermählten Paare vorzunehmen. Gefällt dem Manne seine Frau aber nicht, so kehrt sie wieder zu ihren Eltern zurück, auch wenn sie schon Leibesfrucht zu hoffen hat; die auf solche Art abgedankten Frauenzimmer werden häufig später noch einmal auf Probe genommen und verheirathen sich wieder, ohne daß ihr früherer Abschied ihrem Character Eintrag thäte.“

„In Panuco fanden wir noch zwei indianische Comunidades (Gemeinden), bei denen die Guastersprache allein und ausschließlich gesprochen wird. Das arme Völkchen vermischt sich nicht mit den Weißen. Während der ungesunden Monate kommen viele Familien von Tampico dahin; und in der trockenen Jahreszeit ist Panaco eine Art von Badeort; man begibt sich hieher, da der Fluß hier mehr von Kaimans (Krokodillen) frei ist, als an andern Stellen. Für solche Familien, welche des Anstandes wegen sich etwas kosten lassen, sind nahe am Ufer kleine Plätze mit Pfählen abgesteckt, und leicht mit Palmzweigen bedeckt. Allein diese Delicatesse wird gewöhnlich nicht beobachtet; beide Geschlechter baden zu gleicher Zeit, und viele junge Damen schwimmen äußerst gut!“

Ueber die heißen Quellen in dem Thale Ustlan, unfern Valladolid, im Staate Mechoacan, gibt Lyon folgende Bemerkungen:

„Diese Quellen, mehrere hundert an der Zahl, liegen in [443] einem 11/2 (englische) Meilen langen und 1/4 Meile breiten Umkreis zerstreut, östlich und westlich durch die Ebene hin, und senden von Zeit zu Zeit Dampfwolken empor. Die Erdoberfläche ist hier nichts anders, als die Rinde eines Vulkans; vor sieben Jahren verursachte ein Erdbeben einen großen Riß in der Ebene, aus dem Quellen des reinsten, so wie des schlammigsten Wassers, beide siedend heiß, hervorquillten.“

„Abends ging ich unter den Quellen umher; sie haben allerlei Formen und Größen, sie wechseln zwischen Löchern, nicht breiter als ein Zoll, durch die man sieht und hört, wie das Wasser unten siedet) bis zu Oeffnungen von mehreren Yards im Durchschnitt. Einige sind so durchsichtig und klar, als ob sie distillirt wären, andere dagegen, nur einen Fuß breit davon entfernt, trübe, und kochenden Schlamm führend; eine, el Pozo verde (der grüne Brunnen) genannt, ist zwar vollkommen klar, ihr Wasser aber von schöner, dunkelgrüner Farbe. Die Quellen sind zum Theil beständig ruhig, und wechseln zwischen 110° bis 130°, allein bei weit mehrern sprudelt das Wasser mit erstaunlicher Gewalt hervor: und in einer, die ich aufs Geradewohl ausersehen, siedete ich ein Stück Schöpsenfleisch von der Größe eines Ei’s in 4 Minuten, 50 Sekunden. Alle Quellen, bei denen es anging, wurden mit Steinen und Buschwerk verstopft, damit das Vieh nicht hineinfiele; und doch kommen oft einige Thiere auf diese Art um. Die Landleute pflegen ihre Schweine an diesen Quellen zu schlachten und abzubrühen, und ich sah einen Trupp Arrieros (Maulthiertreiber) ihr Abendessen ganz gemächlich über einer derselben fertig machen. Die Erdlage, durch welche das Wasser sich hauptsächlich erhebt, ist Kalkerde: auf der Oberfläche aber liegen eine Menge einzelner Kalksteine und löcherige Lava jeder Art, mit Stücken Obsidian; eben so finden sich viel Versteinerungen, Kräuter und abgebrochene Pfähle. Das Wasser setzt nichts als eine leichte Kruste weißes Salz ab, und doch schmeckt und riecht es sehr merkwürdig nach Schwefel. Die Dünste scheinen keine zerstörende Wirkung auf die sie umgebende Vegetation zu haben, da schönes, obgleich kurzes Gras rings um den äußersten Rand der Quellen wächst; und sehr merkwürdig ist, daß die Mimosa und andere Pflanzen an manchen Stellen geradezu über die siedenden Quellen hereinhängen, in deren nächster Nähe sie ihre Wurzeln geschlagen. Bei einigen, die durch den festen Felsen sich durchgebohrt, ist zu bestimmter Zeit ein merkliches Steigen und Fallen sichtbar; bei andern, die unten in der Tiefe mit Steinen verstopft sind, zeigt sich noch ein auffallenderes Phänomen. Nachdem das Wasser einige Minuten lang furchtbar ein paar Fuß hoch aufgesprudelt, sinkt es plötzlich; die Erde gibt einen Laut, als schlürfe sie es ein; kein Wasser, selbst kein Dampf ist mehr zu sehen, und die Steine sind im Augenblick völlig getrocknet, so daß ich oft über ihnen stand, bis ein leises, pfeifendes Getöse mir die Rückkehr der Springfluth verkündigte, die denn auch im Augenblick mit gleicher Kraft wieder emporschoß. Es gibt einige Quellen von unbeträchtlichem Umfang, die gänzlich ausblieben, und sich nahe bei der alten Oeffnung neu durchbrachen. Es kam ferner schon vor, daß ein klarer Quell plötzlich trüb wurde, und umgekehrt.“ –

Capitän Lyon sucht die Bergwerks-Operationen in möglichst vortheilhaftem Lichte zu zeigen; und doch finden wir kein einziges Mal, daß er einen Ueberschuß der Einnahmen über die Ausgaben darthun konnte. Die wichtigsten dieser Bergwerke liegen in Bolannos, wo sich seiner Angabe nach, mit Zuversicht bedeutender Ertrag erwarten läßt. Sie sind in drei Abtheilungen eingetheilt – die nördliche, die mittlere, die südliche. Die nördliche besteht wieder aus drei Ansatzpunkten (sets); „das Metall des ersten,“ sagt Lyon, „versprach dermalen nur wenig; von dem zweiten läßt sich guter Ertrag erwarten; beim dritten aber hielt man es nicht des Versuches werth. Von den andern darf man mit allem Grund guten Gewinn erwarten, wenn die geeigneten Versuche zur Entdeckung der Adern gemacht werden. Die mittlere Abtheilung enthält ebenfalls drei Ansatzpunkte; von denen an dem ersten begonnen, der Versuch aber später wieder eingestellt wurde; der zweite ist nicht sehr ergiebig; und beim dritten konnte man noch nichts entdecken, das der Rede verlohnte. Die südliche Classe enthält zwei Ansatzpunkte, und an beiden sind nun die Arbeiter in Thätigkeit.“ So viel von den berühmten Bergwerken in Bolannos, aus denen sich mit Zuversicht so ergiebiger Ertrag erwarten lassen soll! Lyson beschreibt nun die Werke, welche in Real del Monte für die englische Compagie im Werden sind. Wir sagen im Werden; obgleich sehr ausgedehnt, und ungeheure Auslagen erfordernd, scheint man doch auf einen Ertrag noch lange warten zu dürfen. Durch die Bergwerksinteressen zu sehr in Anspruch genommen, scheint Capitän Lyon dem politischen Zustande des Landes weniger Aufmerksamkeit geschenkt zu haben. Es ist bekannt, daß sich eine Zeitlang in den mexicanischen Staaten große Gährung zeigte, die aus gegenseitigem Haß der Kreolen und der Spanier entstanden war. Wie weit diese Bewegung gehen, und welche wahrscheinliche Folgen sie für das Bestehen der Union haben werde, sind Fragen, die immer noch zu lösen bleiben. Hin und wieder stößt man auf Bemerkungen, welche die Politik berühren. [447] „Guadalaxara war zur Zeit meines dortigen Aufenthaltes in einem Zustand fieberhafter Aufregung, was eine gefährliche Veränderung in den öffentlichen Angelegenheiten fürchten ließ. Die Iturbidisten, Centralisten, Föderalisten und andere Factionen überließen sich ihren Empfindungen und Wünschen in einer Anzahl anonymer Broschüren, die unter allen Portalen, in allen Straßen feilgeboten wurden; in Schmähschriften gegen den Gouverneur und seine öffentlichen Beamten; in Vertheidigungsschriften; in Ausstellungen der groben Betrügereien der Mönche, so wie in Apologien ihrer absurden Ansprüche; in Drohungen gegen die wenigen noch zurückgebliebenen Spanier und die Ausländer insgesammt. – Meuchelmorde, Räubereinen waren an der Tagesordnung, ohne daß der Schuldige eine [448] andere Strafe als mehrtätige Einkerkerung zu fürchten hatte. Es ist nicht wohl gedenkbar, daß die Dinge lang in diesem regellosen Zustande bleiben werden; und viele meiner Bekannten waren der Meinung, daß ein grito (ein Aufruf zur Empörung) die ganze Stadt zu einem Aufstand gegen die Regierung, oder zu kaltblütiger Ermordung aller Spanier, Ausländer und selbst wohlhabender Eingebornen führen könnte. Die europäischen, in dem Lande ansäßigen Spanier, welche im einzelnen nicht für die frühere tyrannische Bedrückung der Mexicaner verantwortlich sind, verdienen alles Mitleid. Ihr Leben steht in beständiger Gefahr, und zwar um so mehr, wenn sie reich sind. Die Aussicht auf Plünderung ist, wie für jeden andern Pöbel, so auch für den in Mexico ein großes Reizmittel des Patriotismus.“ – –

„Die Kreolen, oder Abkömmlinge von Europäern sind jetzt die bedeutendsten Personen in Neuspanien, und mit Ausnahme derer, die selbstthätigen Handel treiben, eine indolente, hochfahrende, übermüthige Menschenklasse, die, bei der groben Unwissenheit, in der sie die barbarische Politik Spaniens gehalten hatte, auch die höchste Verachtung gegen die armen, verstoßenen Indianer fortgeerbt haben. Sie sind mit Ausnahme einiger trefflichen, talentvollen Köpfe (die ich, wenn es anginge, mit vielem Vergnügen aufzählen würde) der am wenigsten achtbare Theil der Bevölkerung. Man hat jedoch allen Grund, von dem Einfluß der Fremden, und dem Verkehr mit der alten Welt überhaupt eine Sittigung der Nation zu hoffen und zu erwarten. Die Errichtung von Schulen wird viel hiezu beitragen; vor allem aber wird die Civilisation und Sittenverfeinerung gleichen Schritt mit der Achtung für das weibliche Geschlecht gehen; wirklich beginnen auch die Frauen nach und nach die ihnen in der bürgerlichen Gesellschaft gebührende Stellung einzunehmen. Man verwendet mehr Sorgfalt auf ihre Erziehung; und die Verbindungen einiger Engländer mit jungen Damen von Familie müssen die günstigsten Folgen herbeiführen.“ –

„Das viele Rauchen, Spielen, der Mangel an gehöriger Aufmerksamkeit für persönlichen Anstand wird bald verschwunden seyn, und mit ein wenig mehr Herablassung (es gibt wenige Leute in der Welt, die eine bessere Meinung von sich haben) wird der mexicanische Adel unsrer Zeit sehr bald seinen Vorfahren in der Aufklärung den Rang abgelaufen haben. Die kostbaren pittoresken Landestrachten beider Geschlechter kommen nun in Mißkredit, und die europäische Tracht wird in den Hauptstädten allgemein vorherrschend.“

Wir können nicht umhin, ein Beispiel von der mexicanischen Naivität anzuführen: Einer alten Dame, welche den Capitän jede Nacht durch ihr Gejammer über Kopfweh aus dem Schlafe störte, gab er zwei Pillen, welche sie mit vielem Vorbedacht in die beiden Nasenlöcher steckte, weil sie so dem Sitze des Schmerzens näher kamen. Eine weitere Instruktion erst brachte sie durch den Mund nach ihrem Bestimmungsort.

Wir bekommen einen Begriff von dem Kulturstande in Mexico; wenn wir den Preis der Pferde mit dem der Vögel vergleichen. Unser Berichterstatter erzählt:

„Ich wollte in Tula ein Pferd kaufen, und erstaunte über die Behendigkeit, womit die einzelnen Thiere aus der Heerde ausgewählt und zu meiner Besichtigung aufgefangen wurden. Der Anblick war äußerst interessant, – wie die wilden Rosse dahin galoppirten, und die Männer zu Fuß mit der muntersten Laune ihre Geschicklichkeit zu zeigen schienen. Ich kaufte hier einen guten Paßgänger um 12 Dollars. – Zu San Luis sah ich, da ich durch die Straßen ging, viele Vogelkäfige innerhalb der hölzernen Fenstergitter hängen. Unter den Vögeln schien der Sinsontio oder Spottvogel besonders beliebt zu seyn. Er ist in der Umgegend sehr häufig, und doch hält man fünfzig Dollars für keinen zu hohen Preis für einen guten Sänger.“


  1. Gamble-table, das Kugelspiel.
  2. Estado libro y soberano.
  3. Eine Nonne fragte irgendwo, ob den Ketzern bei ihrer Bekehrung zum katholischen Glauben die Thierschweife abfielen!