Lebensluft spendende Zimmerpflanzen

Textdaten
<<< >>>
Autor: Carl Ernst Bock
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Zum Wohle des Schulkindes
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 8, S. 119–120
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1868
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[119]

Zum Wohle des Schulkindes.

Lebensluft spendende Zimmerpflanzen.

Kohlensäure heißt eine farblose Luftart, welche das Leben und die Gesundheit des Menschen sehr bedeutend schädigen kann. Dies ist zumal dann der Fall, wenn sie in größerer Menge in die Lungen eindringt oder sich im Blute anhäuft. Ja sie kann, indem sie beim Einathmen ein krampfhaftes Zusammenziehen des Kehlkopfes bewirkt, schnellen Tod durch Ersticken veranlassen.

Die Kohlensäure ist aus zwei Stoffen, aus Kohlenstoff und Sauerstoff, zusammengesetzt und bildet sich vorzugsweise beim Verbrennen kohlenstoffhaltiger Substanzen, und zwar ebenso beim schnellen Verbrennen mit Lichtentwickelung (wie im Ofen), als auch bei langsamen, fast unmerklichen Verbrennungsprocessen (wie bei der Fäulniß und Gährung). Auch innerhalb unseres Körpers, und zwar im Blute, wird immerfort, in Folge von Verbrennung guter brauchbarer und schlechter unbrauchbarer Stoffe, Kohlensäure erzeugt. Damit diese nun in unserem Blute sich nicht in solcher Menge anhäuft, daß sie der Gesundheit schadet, wird sie fortwährend an mehreren Stellen des Körpers durch bestimmte Organe aus dem Blute entfernt. Dies geschieht vorzugsweise in den Lungen und durch die Haut. Beim Ausathmen und mittels der Hautausdünstung wird demnach unser Blut von der schädlichen Kohlensäure befreit. Wenn also viele Menschen längere Zeit in einem geschlossenen Raume beisammen sind, so muß natürlich die Luft in demselben immer reicher an Kohlensäure, dadurch die Luft verschlechtert und zum Athmen immer untauglicher werden. Wird nun gar noch in diesem von Menschen erfüllten Raume Etwas verbrannt (z. B. Kohlen oder Holz im Ofen, Lichte), so steigert sich die Kohlensäurebildung immer mehr.

Daß in Schulen, zumal im Winter und bei Ueberfüllung des Locals mit Schülern, viel Kohlensäure entwickelt wird und daß deshalb die Schule, wenn sich hier dieses giftige Gas in widernatürlicher Menge anhäuft, die Schuld am Krankwerden der Schüler tragen kann, ist wohl nicht zu bezweifeln. Daß sodann die baldige Entfernung der Kohlensäure aus den Schulstuben eine unerläßliche Pflicht ist, dürfte ebenfalls klar sein.

Sowie nun das Einathmen von Kohlensäure dem Menschen verderblich ist, so kann er ohne Einathmen einer andern Luftart gar nicht leben, und diese ist der Sauerstoff oder die Lebensluft. Es befindet sich dieses zum Leben ganz unentbehrliche farblose Gas in der atmosphärischen Luft und wird mit Hülfe des Athmens in unsere Lungen geschafft. Hier tritt dasselbe in’s Blut ein und strömt mit diesem nach allen Theilen des Körpers hin, um brauchbare und unbrauchbare Blutbestandtheile zu verbrennen (wobei sich Wärme und Kohlensäure entwickelt). Innerhalb der Lungen geschieht also Zweierlei: ein Theil der Lebensluft, welche sich in der eingeathmeten atmosphärischen Luft befindet, tritt in den Blutstrom ein; dafür tritt aber ein Theil der Kohlensäure aus dem Blutstrome heraus in die Lungenbläschen und wird ausgeathmet. Sonach muß also die ausgeathmete Luft weniger Sauerstoff und weit mehr Kohlensäure enthalten, als die eingeathmete.

[120] Die Pflanze steht zum Sauerstoffe und zur Kohlensäure in einem solchen Verhältnisse, daß daraus dem Menschen der allergrößte Vortheil erwächst. Denn ohne die Pflanzen könnten wir Menschen gar nicht leben; sie liefern uns nämlich die unentbehrliche Lebensluft und schaffen zugleich die für uns verderbliche Kohlensäure weg. Dies thun sie aber dadurch, daß sie die Kohlensäure aufnehmen und zerlegen. Wie oben schon gesagt wurde, besteht nun aber die Kohlensäure aus Kohlenstoff und Sauerstoff, beim Zerlegen derselben durch die Pflanze werden also diese beiden Stoffe von einander getrennt. Der freigewordene Sauerstoff dringt in die atmosphärische Luft und macht diese so für den Menschen athembar; den Kohlenstoff dagegen behält die Pflanze für sich und verbraucht denselben zu ihrem Aufbaue.

Aber nicht alle Pflanzentheile haben die Fähigkeit, die Kohlensäure zu zerlegen und uns Menschen Sauerstoff zu liefern. Auch findet diese Zerlegung nicht zu allen Tageszeiten statt. – Nur die grünen Pflanzentheile, also hauptsächlich die Blätter, sind im Stande den Sauerstoff aus der Kohlensäure zu entwickeln, und dies können sie auch nur am Tage, mit Hülfe des Sonnenlichts. Es ist diese Entwickelung von Sauerstoff sehr leicht zu beobachten: man braucht nur grüne Blätter von Pflanzen mit frischem Wasser zu übergießen und dem Sonnenlichte auszusetzen. Sie bedecken sich dann mit zahllosen Gasbläschen, und diese bestehen aus Sauerstoff. – Im Dunkeln geben dagegen die grünen Pflanzentheile Kohlensäure anstatt des Sauerstoffs von sich. Blüthen, Früchte und Wurzeln liefern stets, auch im Lichte, Kohlensäure. Pflanzen in Schlafzimmern sind also stets nachtheilig, mögen sie blühen oder nicht. Dagegen müssen Blattpflanzen im Wohnzimmer wegen ihrer Sauerstofferzeugung von Vortheil für den täglichen Bewohner des Zimmers sein. – Sonach wirkt jeder nachtheiligen Anhäufung von Kohlensäure in der Atmosphäre (durch das Athmen der Menschen und Thiere) die Pflanze vermöge ihrer zersetzenden Wirkung, welche das Blattgrün (Chlorophyll) bei Tage auf die Kohlensäure ausübt, entgegen.

Diese Fähigkeit der Pflanze könnte nun recht gut, wie ich meine, zum Vortheil derjenigen Menschen angewendet werden, die sich in größerer Anzahl täglich längere Zeit in einem geschlossenen Locale aufhalten und eine mit Kohlensäure reichlich geschwängerte Luft athmen müssen. Ganz besonders dürfte sich für Schulen, welche zur Zeit meist mit Schülern überfüllt sind, außer gehöriger Ventilation, die Aufstellung von Blattpflanzen in den Schulstuben empfehlen. Man bedenke, wie viele Zeit seines Lebens der Mensch in der Schule verlebt, und zwar gerade zu einer Zeit, wo er zur Entwickelung seines Körpers neben kräftiger Nahrung die beste Luft bedarf. – Auch die aufgestellten Pflanzen würden sich, ebenso wie die Schüler, in der Schule recht wohl befinden. Sie könnten sich aus der großen Menge ausgeathmeter und ausgeschwitzter Kohlensäure eine hübsche Portion Kohlenstoff zu ihrem Gedeihen zu Gemüthe ziehen und dafür die Schüler reichlich mit Lebensluft bedenken.

Pflanzen in den Schulstuben, und überhaupt in bewohnten Räumen, könnten aber außer zu dem genannten Hauptzwecke (nämlich die schädliche Kohlensäure zu entfernen und Sauerstoff zu liefern) auch noch zu einigen Nebenzwecken dienen. Zuvörderst wirkt wohl auf die meisten Menschen, und sicherlich auch auf die Lehrer und Schüler, die Nähe von hübschen, gut gedeihenden Pflanzen angenehm-gemüthlich ein. – Sodann ließen sich die Pflanzen vom Lehrer auch zeitweilig zum Anschauungsunterrichte, ebenso in den niederen wie in den höheren Classen, benutzen. Die verschiedenartige Entwickelung der Blätter, die Gestaltung und Färbung derselben, das allmähliche Wachsthum der ganzen Pflanze etc. wird sicherlich das Interesse der Kinder erregen, wenn sie vom Lehrer darauf aufmerksam gemacht werden. Sie werden dadurch die Pflanzen auch lieben lernen und in ihrem spätern Leben sicherlich nicht so leicht Baumfrevel treiben. – Auch die Pflege der Pflanzen, ihre Ernährung und überhaupt ihre Behandlung könnte zum Gegenstande nicht nur des Unterrichts, sondern auch der Beschäftigung für die Schüler gemacht werden. Das richtige Bewässern, die vorsichtige Reinigung der Blätter, das Umsetzen in neue Erde und größere Töpfe und dergl. könnte einzelnen Schülern übertragen werden, und diese Beschäftigung könnte Neigung zum Gartenbau etc. hervorrufen. Man würde mit Freuden wahrnehmen, daß die gepflegten Pflanzen bald die Lieblinge der Schüler werden. – Sogar zur Einnahmequelle zum Besten der Schule könnte diese Pflanzenzucht in Schulzimmern werden. Denn die hier in der Regel ausgezeichnet gedeihenden Blattpflanzen würden sehr gut verkauft und das dafür gelöste Geld würde zu guten Zwecken verwendet werden können.

Von den Pflanzen, die sich zur Aufstellung in Schulstuben besonders eignen, sind zu empfehlen: Epheu, Gummibäume, Philodendren, Fächer- und Phönix-Palmen, Dracänen, Begonien, Clerodendren, Galadien etc.

Bock.