Konrad Ferdinand Meyer †

Textdaten
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Titel: Konrad Ferdinand Meyer †
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 27, S. 836 d
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1898
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[836 d] Konrad Ferdinand Meyer †. Nach schwerem Leiden, das eine Zeit lang den Charakter geistiger Umnachtung trug, ist am 28. November der Schweizer Dichter Konrad Ferdinand Meyer auf seiner Besitzung Kilchberg bei Zürich im 74. Lebensjahre verschieden. Wie Gottfried Keller, dem gleich ihm die deutsche Litteratur einen reichen Schatz von Erzählungen und Gedichten von ganz eigentümlichem Gepräge und hoher Kunstvollendung verdankt, war Meyer in Zürich geboren; er kam als Sohn des Regierungsrats Ferdinand Meyer am 12. Oktober 1825 zur Welt. Im Gegensatz zu Keller, der, auf sich selbst angewiesen, sich unter Entbehrungen zur Bethätigung seines Künstlerberufes emporringen mußte, gehörte er einer alten Züricher Patrizierfamilie an, deren Ueberlieferungen bis in die Reformationszeit zurückreichen, und wuchs nach dem frühen Verluste des Vaters unter dem Einfluß einer geistig hochstehenden Mutter auf, die ihm volle Freiheit in der Ausübung seiner Lieblingsneigungen ließ. Während er in Zürich dem juristischen Studium oblag, gehörte sein Hauptinteresse schon der Geschichte. Als längeres Siechtum seine Uebersiedelnng an den Genfer See und später größere Erholungsreisen nach dem Süden veranlaßte, widmete er sich ausschließlich geschichtlichen Studien; Thierrys „Erzählungen aus den Zeiten der Merowinger“ übersetzte er ins Deutsche. Er lebte sich in dieser Zeit so in das französische Geistesleben ein, daß er schwankend wurde, ob er nicht für das eigene litterarische Schaffen sich der französischen Sprache bedienen sollte. Den Stoff zu seiner ersten Novelle „Das Amulett“ entnahm er der französischen Geschichte. Nach einem längeren Aufenthalt in Paris kehrte er in die Heimat zurück. Da wurde der mächtige Eindruck, den sein Gemüt von der Wiedererrichtung des Deutschen Reiches empfing, für seine Dichterlaufbahn entscheidend. Er hatte sich in Meilen am Zürichsee niedergelassen; der tägliche Blick auf die Insel Ufenau, welche einst dem deutschen Reformationsdichter Ulrich von Hutten die letzte Zuflucht geboten, hatte ihn zum Studium der Geschichte dieses Geisteskämpen angeregt; im Jahre 1871 schuf er die epische Dichtung „Huttens letzte Tage“, in deren kraftvollen Gesängen ein warmherziges Bekennen des Dichters zum Deutschtum offen hervortritt. Die Geschichte der Reformationszeit bot ihm auch den Stoff für seinen ersten Roman „Jürg Jenatsch“ (1874). Hier bewegte er sich auf dem Boden der Schweiz, deren gewaltige Alpennatur den landschaftlichen Hintergrund der dramatisch bewegten Vorgänge bildet; der düstere Held ist ein Vorkämpfer des Calvinismus in Graubünden; durch eigene Schuld und Untreue wird der Fanatiker in sein tragisches Schicksal verstrickt. Auch „Der Heilige“ schildert kirchliche Kämpfe; Thomas a Becket, der in der Abtei von Canterbury den Dolchen seiner Mörder erlag, steht im Mittelpunkt der packenden Handlung. Wie hier hat es der Dichter auch in seinen späteren historischen Erzählungen gar wunderbar verstanden, fremde Zeiten und Sitten im Reiz ihrer Besonderheit lebensecht heraufzubeschwören und heroische Gestalten zu erschaffen, die sich der Seele des Lesers unauslöschlich einprägen. Von seinen kürzeren Novellen üben besonders „Der Schuß von der Kanzel“, „Die Hochzeit des Mönchs“, „Die Richterin“ tiefergreifende Wirkung. Seinem letzten Roman „Angela Borgia“, der wie „Die Versuchung des Pescara“ im Zeitalter der Renaissance und in Italien spielt, fehlte die plastische Geschlossenheit, die seine früheren Erzählungen bewundern ließen. Dies Nachlassen der poetischen Kraft war leider schon ein Symptom der Krankheit, welche 1892 seinen zeitweiligen Aufenthalt in der Heilanstalt Königsfelden bei Brugg nötig machte. Auch in seinen „Balladen“ hat Konrad Ferdinand Meyer die markige Gestaltungskraft seiner Phantasie meisterlich bewährt; seine rein lyrischen Gedichte spiegeln ein für alles Edle und Große begeistertes Seelenleben wider.