Kloster Lorch und die Hohenstaufengräber

Textdaten
Autor: Otfrid Mylius (?)
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Titel: Kloster Lorch und die Hohenstaufengräber
Untertitel:
aus: Hausmannskost für Geist und Herz : Illustrirtes Volks- und Unterhaltungsblatt zu Lust und Lehre für Leser aller Stände. Band 1, S. 311; 313–315; 320
Herausgeber: Otfrid Mylius
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1865
Verlag: Expedition der Hausmannskost
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Erscheinungsort: Stuttgart
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Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
Siehe auch Kloster Lorch
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[311]
Kloster Lorch und die Hohenstaufengräber
(Mit zwei Holzschnitten auf S. 313 und 320.)

An der württembergischen Remsthalbahn, zwischen Stuttgart und Gmünd, und nur eine Meile von der letztern alten schwäbischen Reichsstadt entfernt, liegt das Städtchen Lorch, überragt von einem nach Süden vorspringenden Hügel, welcher das ehemalige Kloster Lorch mit seinen interessanten romanischen Bauresten trägt. Eine alte Ringmauer umgibt den Flächenraum des ehemaligen Klosters auf dem sonnigen Hügel, und zeigt von der einstigen Wehrhaftigkeit der alten Abtei, welche in alter Zeit gar oft für die Bewohner der Gegend eine sichere Zufluchtsstätte gegen feindliche Ueberfälle darbot. Jetzt sind von der alten Wehrhaftigkeit und dem geistlichen Heiligthume nur wenige Spuren mehr geblieben, denn die einstige Abtswohnung ist nun ein Fruchtspeicher, und der schöne gothische Kreuzgang diente lange als Wagenschuppen und als Aufbewahrungsort von altem Baumaterial. Im Innern der weitschichtigen Gebäude erkennt man noch die Oertlichkeiten der ehemaligen Mönchszellen, das Refektorium mit seinen hohen Fenstern, und im obern Geschossen Spuren von ehemaligen Wandmalereien.

Das Hauptinteresse für den fremden Beschauer bildet aber die alte Klosterkirche, von deren Innerm der umstehende Holzschnitt auf S. 313 eine Ansicht gibt, denn in dem dreischiffigen Kirchlein, das die Form eines lateinischen Kreuzes hat, befinden sich die Gräber der Hohenstaufen. Das Kirchlein hat mancherlei Schicksale erfahren, wie seine bald rund- bald spitzbogigen Fenster und der Mangel an Thürmen zeigen; aber was es in seinem Innern noch bewahrt, das ist für den Freund der Geschichte und des Alterthums noch denkwürdig genug. Mitten im Langhause steht ein schöner Sarkophag, dessen Deckel aus feinkörnigem Sandstein sehr schön gearbeitet ist. Dieser Sarkophag enthält nach der deutschen Aufschrift die sterblichen Ueberreste des Herzogs Friedrich von Schwaben, der dieses Kloster im Jahr 1102 gestiftet, und diejenigen seiner nächsten Nachkommen. Auf dem Deckel ist der Wappenschild der Hohenstaufen mit den drei Löwen eingehauen, als Helmschmuck darüber ein schöner kühner Adler mit entfalteten Schwingen. Auf den acht Pfeilern, welche die Decke des Langhauses tragen, sind noch alte Fresken, wahrscheinlich nach viel älteren Zeichnungen im 15. Jahrhundert hier gemalt und seither mehrfach erneuert, und zwar gleich rechts am ersten Pfeiler vom Eingange her Friedrich I., Herzog von Schwaben und seine Gemahlin Agnes, die Stifter der Kirche, dann beider Sohn Friedrich der Einäugige; hierauf Barbarossa und sein Sohn Heinrich VI.; sodann Friedrich II., dessen Sohn Konrad IV. und dessen Sohn Konradin, über dessen Bild noch seine Hinrichtung durch eine Art Fallbeil zu sehen ist; und endlich Philipp und Irene, – also die wichtigsten Personen aus dem ganzen Geschlechte der Hohenstaufen.

[313]

Das Innere der Klosterkirche zu Lorch. (Text hiezu auf S. 311.)

[314] Um einige Stufen über den Boden der Kirche erhöht ist ein Vorchor mit gewölbter Decke und zwei Seitenkuppeln; die vier romanischen Ecksäulen in demselben mit den hohenstaufischen Löwen in den Kapitälen kommen wahrscheinlich noch von dem ältesten Kirchlein her, welches bei der Gründung des Klosters erbaut wurde. Die Kapelle zur Rechten im Uebergangs- und gothischen-Styl, vom Chore durch eine Mauer getrennt, enthält eine Anzahl lebensgroßer Steinstatuen von Herren v. Wöllwarth aus dem 15. und 16. Jahrhundert, worunter ein grauenhaftes mit zerfressenem Leibe, aus dessen Schädel Schlange, Frosch und Molch hervorkriechen (ein Motiv das auf alten Bilderwerken jener Zeit nicht selten vorkommt). In der Kapelle zur Linken, welche vielfach beschädigt worden zu seyn scheint, finden sich nur noch Grabsteine einiger Edlen von Schechingen und des Abts Niklas Schenk von Arberg, von welchem wahrscheinlich die Wandmalereien al fresco auf den Pfeilern herrühren.

Der um eine weitere Stufe erhöhte eigentliche Chor ist, in rein gothischem Style und rührt von 1515 her, wie ein Steinmetzzeichen an der Wand nachweist. Er nimmt die Stelle ein, wo die verschiedenen Mitglieder des Hohenstaufen-Geschlechts angeblich in fünf Grüften beigesetzt worden seyn sollen. Diese Gräber sind längst erbrochen und geplündert worden, und die Sage geht, der Abt, welcher sie behufs des Ueberbauens eröffnen ließ, habe noch Todtenschädel mit ganz erhaltenem blondem Haar darin gefunden. Später, lange nach der Säkularisation des Klosters, etwa um 1600, wurden sie noch einmal erbrochen auf Befehl des Herzogs Friedrich I. von Wirtemberg, und dabei verschiedene Kleinodien gefunden, die später bei dem Brande des sogenannten Neuen Baues in Stuttgart nebst anderen denkwürdigen Gegenständen der großen Sammlung untergingen. Ein sehr schöner goldener Siegelring von byzantinischer Form, welcher im Jahr 1837 hier in den Trümmern eines steinernen Sargs gefunden und dem Könige zugesendet worden, ist in der Kunstsammlung zu Stuttgart noch zu sehen.

Von der ältern Geschichte und den Verhältnissen des Klosters ist nur wenig bekannt. Es war ein berühmter Wallfahrtsort, welcher durch eine Menge Reliquien aus dem Morgenlande, die die Hohenstaufen aus Palästina, Byzanz und Italien hieher gebracht hatten, Tausende von frommen Wallern anzog. Im Bauernkriege aber (welcher ganz in der Nähe seinen Anfang nahm) stürmten die Aufrührischen, Ende Aprils 1525, das Kloster, hausten ganz furchtbar darin, verwundeten den Abt Sebastian auf den Tod und plünderten das Heiligthum. Damals scheinen Archive und Chroniken und Urkunden des Klosters verbrannt oder verschleppt worden zu seyn, und das Uebrige, was der Wuth der Bauern entgangen, von den Mönchen bei ihrem Abzug nach Aufhebung des Klosters mit fortgenommen worden zu seyn.

Da wo heutzutage die Ueberbleibsel des Klosters mit den geweihten Erinnerungen an ein Heldengeschlecht stehen, das aus dem frühen Mittelalter und seiner finstern Nacht wie ein strahlendes Gestirn herüberleuchtet, waren gewiß schon die Römer angesiedelt gewesen. Der Klosterberg bildete die Ecke des alten römischen Grenzwalls, des Limes transrhenanus, welcher beinahe in schnurrgerader Linie vom Hohenstaufen bis nach Aschaffenburg am Main sich hindehnte, wie Finanzrath Paulus in seiner Abhandlung über den Limes romanus nachzuweisen versucht. Höchst wahrscheinlich standen auf dem Klosterberg und auf der gegenüberliegenden schön gerundeten Kuppe des Venusbergs je ein befestigtes römisches Lager, welches den Römerwall oder Pfahlgraben (Heidenmauer, Teufelsmauer) deckte, dessen Nähe durch die Namen Pfahlbronn, Pfahlbühl, Schweinsgraben etc. von Dörfern und Gewannen schon genugsam bestätigt würde, selbst wenn nicht heutzutage noch deutliche Spuren des alten Walles sich bis Osterburken und Aschaffenburg hin nach Norden verfolgen lassen würden.

Wahrscheinlich auf der Stelle oder dem Unterbau jenes römischen Lagers entstand dann später, vielleicht im 8. Jahrhundert, eine Burg, welche von Friedrich dem ersten Herzog von Schwaben, seiner Gemahlin Agnes und deren Söhnen Friedrich und Konrad am 7. Mai 1102 in ein Benediktinerkloster verwandelt wurde. Dieses neue Stift ward im folgenden Jahre von zwölf Mönchen aus Hirschau unter einem Abt Herpert aus Comburg besiedelt, dessen Grabstein sich noch in der Kirche vorfindet. Nachdem Papst Innocenz II. 1136 den Abt und die Stiftung des Klosters bestätigt hatte, verlegte Konrad das Erbbegräbniß der Staufen hieher und räumte dem Kloster ansehnliche Einkünfte, und Rechte ein.

Der alte, an die Kirche angebaute Seitenthurm, der Marsiliusthurm genannt, welchen unser Bild auf S. 320. darstellt, soll nach Ansicht von [315] Baukundigen und Alterthumsforschern höchst wahrscheinlich noch von jener alten Burg herrühren. Eine außerordentlich feste Bauart zeichnet diesen Thurm aus, in dessen Innerm noch eine schöne steinerne Wendeltreppe ohne Spindel, 25 Fuß breit, bis zur Höhe des Kirchendachs hinaufführt. Diesen festen Thurm vermochten die Bauern damals nicht zu brechen, während sie das neben dem Kloster stehende Schloß vollständig dem Erdboden gleich machten. Jenes Schloß, noch von den Hohenstaufen erbaut, soll einst ein Fürstensitz derselben als Herzöge von Schwaben und der späteren Grafen und Herzoge von Wirtemberg gewesen seyn. Schon 300 Jahre vor den Hohenstaufen soll nach alten Chroniken unter König Pipin hier ein sagenhafter Herzog Marsilius von Schwaben residirt und jenem Thurme seinen Namen geliehen haben.

Jahrhunderte hindurch waren Kloster und Klosterkirche dem Zerfall preisgegeben, so daß noch vor 40 Jahren sich Schatzgräber erfrechen durften, den Boden der Kirche bis auf das anstehende Felsgestein umzuwühlen. Jetzt hat man nach Säuberung und Ordnung der Kirche für deren zweckmäßige Erhaltung und genügenden Schutz Sorge getragen und sie unter die unmittelbare Aufsicht der dabei wohnenden höheren Beamten gestellt. Wen aber immer sein Weg in diese romantische Gegend führt, welche an Naturschönheiten ebenso reich ist als an geschichtlichen Erinnerungen und an alterthümlichen Merkwürdigkeiten (wir erinnern hier nur an die schöne gothische Stiftskirche im Städchen Lorch, an die beiden prachtvollen alten Kirchen in der benachbarten Stadt Gmünd, an das schon erwähnte Wäscherschlößchen u. a. m.) – der versäume ja nicht den kleinen Abstecher auf den Liebfrauen- oder Klosterberg und zu dem alten Klosterkirchlein, denn er betritt hier einen durch das Andenken großer Männer und berühmter Helden geweihten Boden.

[320]

Der Marsilius-Thurm im Kloster Lorch. (Text hiezu auf S. 311.)