Karl Humann und die Ausgrabungen von Pergamon

Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Karl Humann und die Ausgrabungen von Pergamon
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 37, S. 599–601
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1880
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[599]
Karl Humann und die Ausgrabungen von Pergamon.


Gegenüber der Insel Lesbos liegt an dem vielgegliederten Küstenlande Kleinasiens der Hafenplatz Dikeli, etwa zehn Meilen nördlich von Smyrna, der großen Handelsmetropole der Levante. Von Dikeli aus führt in vier Stunden am Felsenufer des Kaikosflusses entlang der Weg nach Bergama, einer Stadt von fast zwanzigtausend Einwohnern, die sich auf den Trümmern des einstigen Pergamon entwickelt hat; Griechen und Türken bilden zu gleichen Theilen die Hauptbevölkerung, neben ihnen treten die Juden und Armenier bedeutend an Zahl zurück. Während im Gebiete der heutigen Stadt und in ihrer nächsten Umgebung noch die nicht unbedeutenden Reste mehrerer römischen Bauten – eine Basilika, ein Amphitheater, ein Aquäduct etc. – zu bemerken sind, bietet der Burgberg den unerfreulichen Anblick eines großen Trümmerfeldes, das mit dichtem niederem Gestrüppe und wilden Feigenbäumen überwuchert ist. Nur hin und wieder treten einige Mauerreste aus der Pflanzendecke hervor. Im Norden der Stadt erhebt sich, in sanften Terrassen ansteigend, der Berg bis zu einer Höhe von dreihundert Meter und bildet dort ein ovales Plateau, dessen Seiten nach den andern drei Richtungen hin schroff in die Ebene abfallen. Hier oben, auf diesem Bergplateau, stand einst die Burg der Könige von Pergamon, hier war der Sitz eines Herrschergeschlechts, unter dessen Pflege sich die griechische Kunst zu einer zweiten, vollen Blüthe entfaltete. Während drüben im alten Griechenland mit dem politischen Niedergang auch Kunst und Wissenschaft gesunken waren, erstand hier an kleinasiatischer Küste im dritten Jahrhundert vor Christus ein junges Königreich, das durch die Attaliden zum Asyl für Künstler und Gelehrte wurde. König Attalos und seine Nachfolger betrachteten sich denn auch mit Vorliebe nicht nur als Beschützer, sondern geradezu als Repräsentanten des Hellenismus. Als es Attalos gelungen war, die schon von seinen Vorgängern bekämpften Horden der Gallier auf das Haupt zu schlagen, ließ er seine Residenz mit vier großartigen Bildwerken schmücken, zu deren Ausführung er die hervorragendsten Künstler heranzog. So entstand eine Darstellung von dem Siege der Götter über die Giganten, dem Siege des Herakles über die Amazonen, dem Siege der Griechen bei Marathon und endlich von seinem eigenen Siege über die Galater.

Die Absicht des ehrgeizigen Herrschers, seine eigenen Thaten in Parallele zu stellen mit den höchsten Ueberlieferungen der griechischen Sage und Geschichte, ist unverkennbar. Er stiftete deshalb auch Copien jener Bildwerke als Weihgeschenke auf die athenische Akropolis; einige dieser Figuren, wie der sterbende Fechter des Capitols und die Gallier-Gruppe der Villa Ludovisi, haben sich bis auf unsere Tage erhalten und wurden schon vor längerer Zeit der pergamenischen Kunstschule zugeschrieben.

Eine doppelte Ringmauer schützte ursprüglich die pergamenische Burg mit ihren Palästen und Heiligthümern, welche von der Höhe herab weit über das Land schauten. Dem Andrängen der Barbaren vermochten aber später, in byzantinischer Zeit, die weit ausgedehnten Befestigungswerke nicht mehr zu widerstehen; ihre Vertheidiger sahen sich zum Rückzuge auf die Höhe des Berges gezwungen und errichteten hier nach Süden zu einen dritten Schutzwall, zu dem die Säulen und Bildwerke der eigenen Tempel das Material liefern mußten. So kommt es, daß, in diese Festungsmauer verbaut und mit Kalk und Mörtel überschüttet, uns die Hauptstücke der Gigantenschlacht, jenes großartigen Sculpturenfrieses erhalten blieben, welcher einst den Zeus-Altar auf der pergamenischen Akropolis schmückte.

Die Auffindung dieser Sculpturen haben wir einem deutschen Ingenieur, Karl Humann in Smyrna, zu verdanken, der Jahre lang mit unablässigem Eifer darauf drang, jene Schätze zu heben. Mit Spannung hatte man dem Verlaufe der Nachgrabungen zugesehen, und das Resultat derselben hat selbst die kühnsten Erwartungen weit übertroffen; so hat sich denn das allgemeine Interesse auch auf die Person des Mannes gelenkt, welcher diese herrlichen Kunstwerke seinem Vaterlande erwarb.

Allen Deutschen, die im Laufe des letzten Jahrzehnts Smyrna besuchten, ist ein in der Frankenstraße gelegenes freundliches zweistöckiges Haus mit grünen Holzjalousien wohlbekannt, welches häufig den Sammelpunkt für die dortigen Colonisten bildet. Auf den Schlag des schweren Thürklopfers öffnet sich die eiserne Eingangspforte, und wir treten in einen geräumigen Vorplatz. Marmorfliesen bedecken den Boden; vor den Wänden stehen Statuen, an deren Sockel sich grüner Epheu emporrankt, und daneben laden bequeme Sitzbänke zur Ruhe ein. Zwischen den theils orientalisch, theils in europäischem Geschmack eingerichteten Zimmern führt ein [600] Hofraum, von Rebengeländen und lilablühenden Akazien überdacht, zum Garten hinauf, der vom immergrünen Laub der Palmen, Granaten und Citronenbäume geschmückt wird. Das ist Humann's trauliches und gastfreies Heim, und manchem Kleinasienpilger, besonders aber den Officieren der deutschen Marine werden die Stunden, welche sie im Kreise der Humann'schen Familie in der Rosenlaube jenes Gartens vor der plätschernden Fontaine verlebten, deren weites Wasserbassin zumeist als Wein- und Bierkühler dienen muß, liebe und angenehme Erinnerungen sein.

Humann ist jetzt einundvierzig Jahre alt. Seine Gestalt ist groß und schlank; aschblondes Haar und ein blonder, in's Röthliche spielender Vollbart umrahmen sein ausdrucksvolles Gesicht; unter den buschigen Brauen sehen blaue Augen hervor, deren lebendiger, stets freundlicher Blick sein ganzes Wesen charakterisirt. Seine Sprache ist fest und wohllautend, seine Ausdrucksweise prägnant; vor Allem hervorzuheben bleibt aber die liebenswürdige Bescheidenheit des Mannes, welche ihm neben der Anerkennung seiner mannigfachen Verdienste einen großen Kreis aufrichtiger Freunde erworben hat.

Karl Humann ist am 4. Januar 1839 in Steele, einem rheinischen Städtchen in der Nähe von Essen, geboren. Nachdem er das Gymnasium absolvirt, war er ein Jahr lang bei Eisenbahnbauten für die Bergisch-Märkische Bahn praktisch thätig und bezog dann die Bau-Akademie zu Berlin. Während seiner Studien, im Jahre 1861, wurde er bedenklich krank, und die Aerzte setzten die einzige Hoffnung für Erhaltung seines Lebens auf einen Aufenthalt im Orient. Die Ausführung dieses ärztlichen Rathschlags war von Bedeutung für Humann's Zukunft. Unter dem südlichen Himmel des griechischen Archipels fand er volle Genesung; er lebte in Chios und Samos, später in Smyrna. Sein Besuch auf Samos fand auf Veranlassung des Geh. Baurath Strack in Berlin statt: Humann stellte mit günstigem Erfolge seine ersten Ausgrabungen bei dem dortigen Hera-Tempel an, über welche seltsamerweise nie etwas publicirt worden ist. Die Berichte und Originalzeichnungen wurden von Humann an Strack übergeben und müssen sich noch heute in dessen Nachlaß befinden. Vielleicht dienen diese Zeilen dazu, die Erstlingsarbeiten Humann's auf dem Felde archäologischer Forschung der Vergessenheit zu entreißen.

Nach seiner Thätigkeit auf Samos wandte sich Humann im Jahre 1862 nach Constantinopel, in der Absicht, von dort aus wieder in seine Heimath zurückzukehren. Hier machte er indessen die Bekanntschaft des englischen Gesandten Sir Henry Bulwer, welcher für den jungen deutschen Ingenieur lebhafte Sympathien empfand, ihn zu längerem Verweilen bewog und ihn bat, seinen Palast auf einer Insel des Marmarameeres auszubauen, welche die türkische Regierung dem britischen Diplomaten zum Geschenk gemacht hatte.

Allmählich gewann Humann mehr Gefallen an dem orientalischen Leben, und als ihm im Jahre 1864 von der Pforte der Antrag gemacht wurde, eine Eisenbahn von Jaffa über Jerusalem zum todten Meere hin zu bauen, ging er nach Palästina, nivellirte das Land und nahm eine Karte desselben auf. Nach einem Ausflug in das Pharaonenreich kehrte er nach Stambul zurück und erhielt dort einen anderen, interessanten Auftrag Fuad Paschas: Uebergänge über den östlichen Balkan zu suchen, um später Verbindungswege zwischen den nördlich und südlich vom Balkan liegenden Ebenen herzustellen. Das Resultat dieser Forschungen war eine detaillirte Karte des ganzen Gebietes von Varna nach Pravadi über den Balkan hinüber bis Burgas, Jamboli, Slimno, Karnabad, dann den Lauf der Tundja stromabwärts bis Adrianopel, hinüber nach Kirkilissa und zurück nach Burgas. Fortan gaben zahlreiche theils im Auftrage übernommene, theils privatim ausgeführte Reisen Humann beständig Gelegenheit zur Durchforschung großer Länderstrecken; seine Aufnahmen in Kleinasien allein dehnen sich über tausend Quadratmeilen aus. Obwohl erst die Pergamenischen Funde seinen Namen populär gemacht haben, betrachtet er selbst doch die Resultate seiner geographische Untersuchungen als die Arbeit seines Lebens, und dieselben haben denn auch in Fachkreisen lebhafte Anerkennung gefunden. Der bekannte Geograph Professor Kiepert bezeichnete sie als epochemachend für die Geographie jener Länder und ist gegenwärtig mit der Ausgabe einer neuen Karte Kleinasiens unter Benutzung der Humann'schen Angaben beschäftigt.

Zu den Reisen des rastlosen Ingenieurs zählt eine Fahrt im Auftrage des bekannten Constantinopler Millionärs Louis Merton nach der kleinasiatischen Küste gegenüber von Lesbos, woselbst er 1865 zum ersten Male Pergamon besuchte. Auf's Neue gelangte er dahin, als er im Sommer 1866 im Auftrag Fuad Paschas sich von Constantinopel über den Bosporus zu Lande nach Smyrna begab, um die beste Landverbindung zu suchen. Er traf auf dieser Reise mit dem Kaiser von Brasilien zusammen und war einige Tage dessen Begleiter. Da kam das Jahr 1867 heran, in welchem er contractlich von der türkischen Regierung die Ausführung von Chausseebauten in Kleinasien übernahm.

Bei dieser Gelegenheit muß betont werden, daß Humann nie als Beamter im Dienste der hohen Pforte gewesen ist, sondern stets nur in einem frei vereinbarten Verhältnisse zur türkischen Regierung gestanden hat. In diese Chausseebau-Epoche aber, welche mehrere Jahre umfaßt, fällt die erste Ausbeutung Pergamons.

Schon im Jahre 1865, als Humann, wie oben gesagt, zum ersten Mal nach Pergamon kam, fand er auf der Akropolis Kalkbrenner damit beschäftigt, Marmore auszubrechen und zu Kalk zu brennen. Dasselbe Unwesen wurde auch jetzt, im Jahre 1871, ebendort getrieben, bis ein Befehl, den Humann von Fuad Pascha erwirkte, der Zerstörung Einhalt gebot. In der von den Byzantinern errichteten Vertheidigungsmauer glaubte der Spürblick des Ingenieurs unter Mörtel verdeckt Spuren von Bildwerken zu sehen, und drei große Marmorblöcke, die er herausheben ließ, erwiesen sich in der That als Fragmente eines Sculpturenfrieses. Humann schickte diese Marmorplatten als Geschenk an das Museum in Berlin, woselbst sie im Jahre 1873 eintrafen, begleitet von einem Schreiben, in welchem der Entdecker der Bildwerke auf die ganz vortreffliche Arbeit derselben hinwies und betonte, daß die Größe der Figuren sowie das Vorhandensein von Pferden, wilden Thieren und streitenden gigantischen Männergestalten darauf schließen lasse, daß man hier den Theil eines großartigen Kampfgebildes vor Augen habe, von dem voraussichtlich noch viele andere Bruchstücke aufzufinden sein würden. Humann's Bitte ging nun dahin, daß die deutsche Regierung ihm die Erlaubniß der Türkei erwirken möge, Nachgrabungen nach den werthvollen Bildwerken anzustellen und dieselben für das deutsche Reich zu erwerben. Seine dringenden Worte verhallten indessen; in Berlin war man der Ansicht, daß die Sculpturen welche heute alle Welt bewundert, ganz werthlos seien; in einem Kellerraum des Berliner Museums wurden die drei Pergamenischen Marmore, die Humann gesandt hatte, bei Seite gestellt, und ihm selbst wurde erst nach zwei oder drei Jahren eine Empfangsbescheinigung darüber zugesendet. So ruhte die wichtige Angelegenheit zu Humann's Kummer mehrere Jahre.

Inzwischen führte er in Kleinasien die Wegebauten für Rechnung der türkischen Regierung weiter fort, hatte aber schließlich unter der bekannten Finanznoth des osmanischen Reiches mit so vielen Schwierigkeiten zu kämpfen, daß er 1873 die Arbeiten aufgab. Bei seiner Reise im letztgenannten Jahre widmete er sich wieder ganz seiner Lieblingsbeschäftigung, der geographischen Forschung, und fand als wichtigstes Ergebniß dieser Expedition im Karabel-Paß das zweite, von Herodot erwähnte Bild des Sesostris, wodurch die Stätte klar gestellt wird, welche Herodot als den Kreuzungspunkt der Straßen von Smyrna nach Sardes und von Ephesus in's Phokäische Land bezeichnet. Diese geographischen Forschungen auf dem Gebiete Kleinasiens setzte er auch die nächsten Jahre hindurch fort, wozu noch zwei wissenschaftliche Ausflüge nach Nordgriechenland kamen.

Trotz dieser ablenkenden Beschäftigung hatte Humann seine Bestrebungen bezüglich der Ausgrabungen zu Pergamon nicht ruhen lassen, und das Jahr 1878 brachte denn auch die endliche Erfüllung seiner Wünsche. Im Herbst 1877 war Professor Dr. Conze zum Director der Sculpturen-Gallerie des Berliner Museums ernannt worden; er beschäftigte sich auf Empfehlung des berühmten Archäologen Curtius eingehend mit den Humann'schen Berichten. Conze erkannte sofort den Werth der Pergamenischen Bildwerke; er war die Veranlassung, daß die Regierung auf Humann's Vorschläge einging, und nahm auch an den Ausgrabungen als ein treuer und eifriger Berather Humann's, dessen Thätigkeit dieser selbst auf's Höchste anerkennt, persönlich regen Antheil. Im Frühjahr 1878 fertigte die türkische Regierung einen Firman für die Nachgrabungen aus, dem zufolge ein Drittel der Funde an Deutschland, eines an die Türkei und das dritte an den Bodenbesitzer fallen sollte. Letzterer war die türkische Regierung selbst, und daher änderte Savfet Pascha die Verfügung dahin ab, daß [601] Deutschland auch das zweite Drittel der etwaigen Ergebnisse behalten sollte. Späterhin verstand sich sogar die Pforte dazu, auch noch das letzte Drittel dem deutschen Reiche gegen eine ganz geringfügige Geldentschädigung zu überlassen.

Die Ausgrabungen selbst nahmen einen überaus erfreulichen Verlauf. Die ersten von Humann gefundenen Reliefplatten hatte man inzwischen mit Sicherheit als Fragmente der Gigantenschlacht erkannt, mit welcher Attalos den Zeus-Altar zu Pergamon schmücken ließ, und es handelte sich zunächst um die Feststellung des Platzes auf dem ausgedehnten Gebiet der Akropolis, an welchem dieser Altar einst gestanden haben mochte. Humann sagte sich nun, daß man sicherlich für die Errichtung des großen Prachtbaues einen Punkt erwählt haben würde, der schon von großer Ferne aus sichtbar erscheint, und fand eine Stelle des Berges, welche man sogar von der Meeresküste aus deutlich erkennen konnte.


Karl Humann.
Zeichnung und Holzschnitt von August Neumann.


Dort ist bis heute noch ein Gesträuch stehen geblieben, bei welchem Humann seinen Stock in die Erde stieß mit den Worten: „Hier muß der Zeus-Altar liegen.“ Auf diesen Punkt zu ließ er zwei Gräben ziehen.

An einem Montag, dem 9. September 1878, hatten die Arbeiten begonnen, am nächsten Tage fanden sich mehrere große Reliefs, und am Mittwoch bereits traf man zugleich mit dem Funde der elften Reliefplatte auf die Grundmauern des Altars, sodaß Humann hocherfreut nach Berlin telegraphiren konnte: „Der Zeus-Altar ist gefunden.“ Erst am 6. December 1879 wurden die Arbeiten eingestellt. Nachdem der Altar von den Erdanschwemmungen freigelegt worden, ergab sich, daß er aus einem mit Marmor bekleideten Massenblock von 37 Meter Länge und 34 Meter Breite bestand, in dessen südliche Schmalseite eine Treppe eingebaut war. In der Mitte des kolossalen Unterbaues erhob sich eine kleine Erhöhung von einigen Fuß, welche die eigentliche Opferstätte bildete. Der Unterbau ist verziert, indem man zunächst vier breite Stufen ringsum gelegt und dann eine Plinthe (Unterlagsplatte) mit kleinem Abschluß aufgesetzt hat, in welchem die Namen der darüber befindlichen Figuren des 2,30 Meter hohen Reliefs standen. Jetzt folgte ein Hauptgesims, welches 80 Centimeter vorstand, um die Bildwerke gegen Sonne und Regen zu schützen. Auf dem Rande dieses so verzierten Unterbaues erhob sich endlich noch eine Colonnade von 10 Fuß hohen ionischen Säulen, welche durch ein flaches Dach gedeckt wurden; auf diesem Dache wiederum befanden sich zahlreiche freistehende Statuen. Von dem Fries, welcher außer den Stellen an beiden Treppenwangen 107 Meter, zusammen mit denselben wahrscheinlich etwas mehr als 133 Meter an Länge haben mochte, sind drei Fünftel aufgefunden worden; ein Drittel der gefundenen Sculpturen besteht aus mehr oder weniger gut erhaltenen Platten, von denen einzelne sich an einander fügen, während größere und geringere Fragmente den Rest ergeben.

Die Darstellung des Schlachtgebildes ist von außerordentlicher Lebendigkeit; vor Allem zeichnen sich die beiden Hauptgruppen des Zeus und der Athene aus, welche gegen die Giganten siegreich vordringen. Bei den Göttern sind die Züge der intelligenten, siegreichen Griechen, bei den Giganten ist die Gesichtsbildung roher, nordischer Gegner nicht zu verkennen. Wir haben eben auch in diesem Werke nichts Anderes vor uns, als eine Verherrlichung der Pergamener-Siege im Gewande der griechischen Mythe. Die Figuren sind voll ausgearbeitet und können nur noch insofern als Reliefdarstellungen bezeichnet werden, als sie sich stellenweise gegen die Marmorwand anlehnen. Die Körperformen bekunden ein eingehendes Studium der Natur, während die Ausführung des Details sich mit derjenigen bei Arbeiten der besten griechischen Kunstepoche zu messen vermag.

Außer dem Gigantenkampf fand sich noch ein zweiter Fries, der nur 1,58 Meter hoch ist und eine Darstellung der Sage des Telephos, des Stadtheros von Pergamon, enthält. In Auffassung und Durchführung steht dieses Werk dem Gigantenkampf gleichberechtigt zur Seite. Hiervon wurden bisher 36 Platten gefunden.Wo dieser Fries gestanden hat, ist nicht genau zu bestimmen.

Ferner ergaben die Ausgrabungen eine Ausbeute von 50 isolirten Statuen, 150 Inschriften und einer großen Fülle architektonischen Materials, welches sich besonders bei der gleichfalls auf der Akropolis vorgenommenen Freilegung des Augusteums und des Gymnasiums vervollständigte. Die sämmtlichen Marmore, welche nach Berlin geschickt wurden, hatten ein Gewicht von 7000 Centner und waren in 463 große Kisten verpackt. 2700 Centner kommen auf die Gigantomachie, 300 auf die Telephos-Sage und das Uebrige auf Statuen, Architekturen, Vasen etc. Erwähnenswerth ist auch die Art des Transportes. Für diesen Zweck ließ Humann einen den Berg in Schlangenwindungen hinabsteigenden Fahrweg bauen und die einzelnen, 30 bis 60 Centner schweren Kisten auf von Büffeln gezogenen Schlitten hinabbefördern. Da aber bei dieser Art von Fortbewegung wegen der Steilheit und Schlüpfrigkeit des Weges, an dessen Seiten tiefe Abgründe gähnten, die Kunstschätze oft in Gefahr kamen, hinabzustürzen und zu Grunde zu gehen, so wurden später die Thiere durch Menschen ersetzt, und es beförderten nun 40 Arbeiter die Lasten bis zum Meere. Hier wurden die Kisten bei der Hafenstation Dikeli auf Lichterschiffe geladen und gelangten dann in acht Stunden nach Smyrna; von dort erfolgte der Weitertransport durch die europäischen Dampfer nach Triest, dann weiter mit der Bahn nach Berlin. Später wählte man den Seeweg bis Hamburg und führte die Sculpturen auf Flußschiffen durch die Elbe, Havel und Spree bis dicht vor das Berliner Museum.

Endlich will ich noch bemerken, daß die sämmtlichen Unkosten des Unternehmens für Ausgrabung, Verpackung, Transport, Gehälter, Reisen und Ankauf des Drittels der Funde, welches die Türkei beanspruchen konnte, sich für die deutsche Regierung auf die verhältnißmäßig geringe Summe von etwas über 150,000 Mark beliefen, während der rohe Marmor der nach Berlin geschaffte Werke, nach dem Kubikinhalt taxirt, allein einen Werth von 180,000 Mark repräsentirt.

Die mit so außerordentlichen Resultaten im vorigen Jahre abgeschlossenen Ausgrabungen zu Pergamon sind jüngst, nach Erlaß eines neuen türkischen Firmans, abermals aufgenommen worden. Bei einer Hitze von 28 Grad Réaumur haben am 14. August unter Humann's Leitung die Arbeiten wieder begonnen, zu welchen wir unserm braven Landsmann ähnliche glückliche Erfolge, wie die bisher erzielten, wünschen wollen.

Alfred Schütze.