Textdaten
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Autor: Mämpel
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Titel: Karl August als Vorspanner
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aus: Die Gartenlaube, Heft 16, S. 256
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1861
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Anekdote um Herzog Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach
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[256] Karl August als Vorspanner. Weimar war zu Ende des vorigen Jahrhunderts einer der schmutzigsten Orte; in den Gassen der Stadt, in denen der Lottenbach floß, waren sogenannte Schrittsteine angebracht, mit Hülfe deren man von einer Seite der Gasse zur andern gelangen konnte, wenn man trockene Füße behalten wollte. An eine Straßenordnung, wie wir sie jetzt haben, war nicht zu denken, in den Gassen wuchs Gras, und Haufen von aus den Häusern geworfenem Unrath lagen herum. Früh lud der Kuhhirt durch das Horn zum Austreiben der Kühe ein, dann kam der Schweine- und Gänsehirt, am Abend wurde das Vieh wieder eingetrieben. Bis zu den Thoren der Stadt waren die Straßen leidlich gepflastert, aber in den Vorstädten watete man bis an die Knöchel im Kothe.

Um jene Zeit war das heilige römische Reich noch nicht zerfallen, und Erfurt gehörte noch zu dem Kurfürstenthum Mainz; in Erfurt residirte Dalberg als Coadjutor, und viele Erfurter rühmen heute noch jene goldene Zeit.

Die Chaussee reichte bis gen Nohra, dem ersten kurmainzer Dorf, von da begann Feldweg, und im Sommer bei heftigen Gewittern oder Regengüssen war derselbe schwer, im Winter aber beinahe unfahrbar. Wir hatten damals hier in Weimar einen schon bejahrten Fuhrmann, Namens Stachelrath, dieser besorgte das Botenfuhrwerk und war zu gleicher Zeit Gemüsehändler. Jede Woche fuhr er zweimal nach Erfurt und brachte dann Gemüse, so viel wie er laden konnte, herüber nach Weimar. Er stand sich dabei sehr gut, denn zu jener Zeit wurde Weimar noch nicht von allen Seiten mit demselben versorgt. Vorzüglich war die Strecke Wegs vom Linderbacher Spittel, der links an der jetzigen preußischen Grenze an der Straße liegt, im Herbst und im Frühjahr, sowie auch die übrigen Jahreszeiten bei heftigen Gewittern oder Regengüssen, beinahe nicht passirbar; mancher Fuhrmann dachte mit Schrecken lange daran, wenn er zufällig zu einer solchen Zeit diesen Weg hatte passiren müssen.

Einstmals, es war an einem sehr schwülen Sommertage, an welchem der Himmel mit drohenden Gewitterwolken bedeckt war, fuhr unser Stachelrath mit seinem Sohne, einem Knaben von 9 bis 10 Jahren, mit schwerbeladenem Wagen zum Schmidtstädter Thore heraus, um noch diesen Abend nach Weimar zurückzukehren. Doch kaum hatte er die Stadt im Rücken, als sich ein so heftiges Gewitter entlud, daß nach kurzer Zeit die Räder immer tiefer in den schon ohnedies moorigen Boden einschnitten und endlich trotz allem Schreien und Prügeln die Pferde den Wagen nicht von der Steile brachten. Der Alte überlegte mit seinem Jungen, was da zu thun sei, doch da war guter Rath theuer, denn es wetterte unaufhörlich fort.

Als sie nun Beide, ohne zu einem Entschluß zu kommen, dastanden, kam desselben Wegs eine offene Droschke, aus welcher ein Herr in einen Mantel gewickelt, der Kutscher und ein Diener saß. „Wer ist der Kerl, der da stecken geblieben ist?“ fragte derselbe.

„Durchlaucht,“ erwiderte der Diener, „das ist unser alter Stachelrath, der Botenfuhrmann und Grünwaarenhändler.“ – „So, na da spanne einmal Deine Pferde ab (es waren deren vier Allstedter Rappen), hänge ihm vor und bringe ihn auf’s Trockene; die Droschke könnt Ihr so lange hinten anbinden, da komme ich auch gleich mit fort.“ Der Kutscher und Diener befolgten augenblicklich den Befehl, und in einigen Minuten wurde der Wagen von den muthigen Pferden in Bewegung gesetzt und bis zum Spittel geschleppt, wo der Boden fest war. Es war Karl August, Herzog von Sachsen-Weimar. Auf dem Platze angekommen, sagte er zu Stachelrath: „Nimm Dich in Acht, daß Du nicht wieder stecken bleibst, denn Du könntest vielleicht nicht so schnell Vorspann bekommen als jetzt. Adieu.“

„Durchlaucht,“ rief Stachelrath, „die Vorspann bleibe ich schuldig.“

In Nohra, dem letzten Dorfe vor Weimar, wechselte Karl August die Pferde, die hier bereit standen, und der Kutscher ließ dieselben ein wenig Heu fressen und verschnauben. Während dieser Zeit kam Stachelrath auch angefahren und wollte dem Kutscher ein Trinkgeld geben, dieser erwiderte: „Laß’ nur gut sein, der Alte hat schon Alles besorgt.“

Am nächsten Sonntag Morgen kleidete sich Stachelrath in seinen Sonntagsstaat, der in schönen, gelbledernen kurzen Beinkleidern mit silbernen Knöpfen und Schnallen garnirt, hellblauen Strümpfen und Schuhen mit schweren, silbernen Schnallen, rother Weste mit lüneburger Zweigroschenstücken und Sammtjacke mit dergleichen Viergroschenstücken statt der Knöpfe, und einem Hut, der der Form halber Schröpflampe genannt wurde, bestand. So ging er nach dem Fürstenhause, das Schloß war damals noch nicht fertig gebaut, und meldete sich in der Garderobe bei dem dienstthuenden Kammerdiener.

„Was willst Du, Stachelrath?“ redete ihn derselbe an.

„Was ich will? Ich will Durchlaucht meine Vorspann bezahlen, er hat mir am Freitag vorgehängt.“

„Kerl, bist Du toll?“ erwiderte der Kammerdiener.

„Ne, ne! ich bin nicht tolle, er hat mir vorgehängt.“

Der Kammerdiener meldet Stachelrath, und Karl August läßt ihn eintreten.

„Was bringst Du, Stachelrath?“ fragte ihn der Herzog.

„Durchlaucht, Vorspann will ich bezahlen und mich schön bedanken,“ erwiderte derselbe.

„Nun, nun, schon gut, Stachelrath, wenn ’s wieder so trifft, so hänge ich Dir wieder vor.“

„Nun, Durchlaucht, wenn Sie mit Gewalt nichts nehmen wollen, da bringe ich Ihnen wenigstens ein Paar recht schöne Erfurter Rettige mit,“ und dabei zog er etliche große Rettige aus der Tasche, die der gute Herr, welcher gern etwas Pikantes aß, auch dankbar annahm.
Mämpel.